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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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eben demselben Jahre hatte das Heer des wohlwollenden
Consuls T. Quinctius für seinen Ruhm wie für den eines
geliebten Vaters sich ausgezeichnet. Appius ward, als
sein Jahr um war, von den Tribunen angeklagt. Nach
förmlichem Recht hätte ihn das Volksgericht nicht ver-
dammen können, aber seinem eignen Gewissen zeugte das
Betragen des andern Heers, daß der Hingerichteten Blut
auf seiner Seele hafte, weil er die an sich gerechte Erbitte-
rung verschuldet hatte, welche bis zu jenem unglücklichen
Aufstand verwilderte. Er starb ehe der Gerichtstag her-
angekommen war; nach einer Sage bey Dionysius von
seiner eignen Hand: die Tribunen verweigerten dem Tod-
ten die Lobrede: aber das Volk hatte seine mißbrauchten
großen Eigenschaften, es hatte den Stolz geehrt womit er
der Anklage auf den Tod begegnet war, der Tod hatte die
Gefahr seiner Fehler vernichtet: es forderte und schützte
die Lobrede, und folgte seiner Leiche zahlreich.

Der Feldzug des App. Claudius war wohl gegen die
Antiatischen Volsker gerichtet gewesen: es ist augenschein-
lich daß damals kein römischlatinisches Heer in das innere
volskische Land eindringen konnte. Im Jahr 286 kämpf-
ten beyde Völker vor Antium mit ungewöhnlicher Anstren-
gung. Der Consul T. Quinctius behauptete zuerst das
Feld gegen den Feind: dann, als von allen volskischen
Städten, und selbst von den Aequern, die vom Algidus
durch ihre latinischen Eroberungen die Gränzen der An-
tiater erreichten, zahlreiche Verstärkungen bey dem Feinde
eingetroffen waren, vertheidigte er sein bestürmtes Lager,
und verfolgte den Sieg bis zu einer völligen Niederlage

eben demſelben Jahre hatte das Heer des wohlwollenden
Conſuls T. Quinctius fuͤr ſeinen Ruhm wie fuͤr den eines
geliebten Vaters ſich ausgezeichnet. Appius ward, als
ſein Jahr um war, von den Tribunen angeklagt. Nach
foͤrmlichem Recht haͤtte ihn das Volksgericht nicht ver-
dammen koͤnnen, aber ſeinem eignen Gewiſſen zeugte das
Betragen des andern Heers, daß der Hingerichteten Blut
auf ſeiner Seele hafte, weil er die an ſich gerechte Erbitte-
rung verſchuldet hatte, welche bis zu jenem ungluͤcklichen
Aufſtand verwilderte. Er ſtarb ehe der Gerichtstag her-
angekommen war; nach einer Sage bey Dionyſius von
ſeiner eignen Hand: die Tribunen verweigerten dem Tod-
ten die Lobrede: aber das Volk hatte ſeine mißbrauchten
großen Eigenſchaften, es hatte den Stolz geehrt womit er
der Anklage auf den Tod begegnet war, der Tod hatte die
Gefahr ſeiner Fehler vernichtet: es forderte und ſchuͤtzte
die Lobrede, und folgte ſeiner Leiche zahlreich.

Der Feldzug des App. Claudius war wohl gegen die
Antiatiſchen Volsker gerichtet geweſen: es iſt augenſchein-
lich daß damals kein roͤmiſchlatiniſches Heer in das innere
volskiſche Land eindringen konnte. Im Jahr 286 kaͤmpf-
ten beyde Voͤlker vor Antium mit ungewoͤhnlicher Anſtren-
gung. Der Conſul T. Quinctius behauptete zuerſt das
Feld gegen den Feind: dann, als von allen volskiſchen
Staͤdten, und ſelbſt von den Aequern, die vom Algidus
durch ihre latiniſchen Eroberungen die Graͤnzen der An-
tiater erreichten, zahlreiche Verſtaͤrkungen bey dem Feinde
eingetroffen waren, vertheidigte er ſein beſtuͤrmtes Lager,
und verfolgte den Sieg bis zu einer voͤlligen Niederlage

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[85/0101] eben demſelben Jahre hatte das Heer des wohlwollenden Conſuls T. Quinctius fuͤr ſeinen Ruhm wie fuͤr den eines geliebten Vaters ſich ausgezeichnet. Appius ward, als ſein Jahr um war, von den Tribunen angeklagt. Nach foͤrmlichem Recht haͤtte ihn das Volksgericht nicht ver- dammen koͤnnen, aber ſeinem eignen Gewiſſen zeugte das Betragen des andern Heers, daß der Hingerichteten Blut auf ſeiner Seele hafte, weil er die an ſich gerechte Erbitte- rung verſchuldet hatte, welche bis zu jenem ungluͤcklichen Aufſtand verwilderte. Er ſtarb ehe der Gerichtstag her- angekommen war; nach einer Sage bey Dionyſius von ſeiner eignen Hand: die Tribunen verweigerten dem Tod- ten die Lobrede: aber das Volk hatte ſeine mißbrauchten großen Eigenſchaften, es hatte den Stolz geehrt womit er der Anklage auf den Tod begegnet war, der Tod hatte die Gefahr ſeiner Fehler vernichtet: es forderte und ſchuͤtzte die Lobrede, und folgte ſeiner Leiche zahlreich. Der Feldzug des App. Claudius war wohl gegen die Antiatiſchen Volsker gerichtet geweſen: es iſt augenſchein- lich daß damals kein roͤmiſchlatiniſches Heer in das innere volskiſche Land eindringen konnte. Im Jahr 286 kaͤmpf- ten beyde Voͤlker vor Antium mit ungewoͤhnlicher Anſtren- gung. Der Conſul T. Quinctius behauptete zuerſt das Feld gegen den Feind: dann, als von allen volskiſchen Staͤdten, und ſelbſt von den Aequern, die vom Algidus durch ihre latiniſchen Eroberungen die Graͤnzen der An- tiater erreichten, zahlreiche Verſtaͤrkungen bey dem Feinde eingetroffen waren, vertheidigte er ſein beſtuͤrmtes Lager, und verfolgte den Sieg bis zu einer voͤlligen Niederlage

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/101>, abgerufen am 23.11.2024.