Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

allenthalben in diesen alten Zeiten ganz andern Annalen
folgte als Livius, nennt Marcus, welcher nach unsrer
Geschichte in der Schlacht am Regillus gefallen seyn soll,
und nicht Manius Valerius, Dictator während dieser Un-
ruhen. Dies, wenn es auch nicht Fehler der Handschrift
seyn sollte ist unbedeutend: aber er redet, als von einer
unzweifelhaften Thatsache, von des Dictators Unterhand-
lungen mit dem Volk während der Auswanderung, welche
zu jenem Grundvertrage geführt hätten 65): und zu der-
selben Sage gehört eine Meldung bey Livius an einem von
der Geschichte dieser Zeiten weit entfernten Ort, von einem
Dictator der einst bey einer Auswandrung des Volks den
Nagel auf dem Capitol eingeschlagen habe 66). Denn
bey der zweyten Auswandrung hat niemand der Dictatur
gedacht, und damals konnte auch kein Dictator ernannt
werden. Sogar über die Zahl und Nahmen der ersten er-
wählten Volkstribunen herrschte die größte Verschiedenheit.
Selbst darüber waren nicht alle Annalen einig daß das Volk
sich auf dem heiligen Berge friedlich niedergelassen, und
durch Schreckniß ohne Gewalt seinen Zweck erreicht habe.
Eine andre Erzählung für die Livius den Annalisten Piso
anführt, nannte den Aventinus als den Ort den das

65) Cicero Brut. c. 14. Videmus -- cum plebes prope ri-
pam Anienis -- consedisset, eumque montem qui Saoer
appellatus est, occupavisset, M. Valerium dictatorem di-
cendo sedavisse discordias, eique ob eam rem honores
amplissimos habitos, et eum primum ob eam ipsam cau-
sam Maximum esse appellatum.
66) Livius VIII. c. 18. Memoria repetita, in secessionibus
quondum plebis clavum ab dictatore fixum.

allenthalben in dieſen alten Zeiten ganz andern Annalen
folgte als Livius, nennt Marcus, welcher nach unſrer
Geſchichte in der Schlacht am Regillus gefallen ſeyn ſoll,
und nicht Manius Valerius, Dictator waͤhrend dieſer Un-
ruhen. Dies, wenn es auch nicht Fehler der Handſchrift
ſeyn ſollte iſt unbedeutend: aber er redet, als von einer
unzweifelhaften Thatſache, von des Dictators Unterhand-
lungen mit dem Volk waͤhrend der Auswanderung, welche
zu jenem Grundvertrage gefuͤhrt haͤtten 65): und zu der-
ſelben Sage gehoͤrt eine Meldung bey Livius an einem von
der Geſchichte dieſer Zeiten weit entfernten Ort, von einem
Dictator der einſt bey einer Auswandrung des Volks den
Nagel auf dem Capitol eingeſchlagen habe 66). Denn
bey der zweyten Auswandrung hat niemand der Dictatur
gedacht, und damals konnte auch kein Dictator ernannt
werden. Sogar uͤber die Zahl und Nahmen der erſten er-
waͤhlten Volkstribunen herrſchte die groͤßte Verſchiedenheit.
Selbſt daruͤber waren nicht alle Annalen einig daß das Volk
ſich auf dem heiligen Berge friedlich niedergelaſſen, und
durch Schreckniß ohne Gewalt ſeinen Zweck erreicht habe.
Eine andre Erzaͤhlung fuͤr die Livius den Annaliſten Piſo
anfuͤhrt, nannte den Aventinus als den Ort den das

65) Cicero Brut. c. 14. Videmus — cum plebes prope ri-
pam Anienis — consedisset, eumque montem qui Saoer
appellatus est, occupavisset, M. Valerium dictatorem di-
cendo sedavisse discordias, eique ob eam rem honores
amplissimos habitos, et eum primum ob eam ipsam cau-
sam Maximum esse appellatum.
66) Livius VIII. c. 18. Memoria repetita, in secessionibus
quondum plebis clavum ab dictatore fixum.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0433" n="411"/>
allenthalben in die&#x017F;en alten Zeiten ganz andern Annalen<lb/>
folgte als Livius, nennt Marcus, welcher nach un&#x017F;rer<lb/>
Ge&#x017F;chichte in der Schlacht am Regillus gefallen &#x017F;eyn &#x017F;oll,<lb/>
und nicht Manius Valerius, Dictator wa&#x0364;hrend die&#x017F;er Un-<lb/>
ruhen. Dies, wenn es auch nicht Fehler der Hand&#x017F;chrift<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;ollte i&#x017F;t unbedeutend: aber er redet, als von einer<lb/>
unzweifelhaften That&#x017F;ache, von des Dictators Unterhand-<lb/>
lungen mit dem Volk wa&#x0364;hrend der Auswanderung, welche<lb/>
zu jenem Grundvertrage gefu&#x0364;hrt ha&#x0364;tten <note place="foot" n="65)">Cicero <hi rendition="#aq">Brut. c. 14. Videmus &#x2014; cum plebes prope ri-<lb/>
pam Anienis &#x2014; consedisset, eumque montem qui Saoer<lb/>
appellatus est, occupavisset, M. Valerium dictatorem di-<lb/>
cendo sedavisse discordias, eique ob eam rem honores<lb/>
amplissimos habitos, et eum primum ob eam ipsam cau-<lb/>
sam Maximum esse appellatum.</hi></note>: und zu der-<lb/>
&#x017F;elben Sage geho&#x0364;rt eine Meldung bey Livius an einem von<lb/>
der Ge&#x017F;chichte die&#x017F;er Zeiten weit entfernten Ort, von einem<lb/>
Dictator der ein&#x017F;t bey einer Auswandrung des Volks den<lb/>
Nagel auf dem Capitol einge&#x017F;chlagen habe <note place="foot" n="66)">Livius <hi rendition="#aq">VIII. c. 18. Memoria repetita, in secessionibus<lb/>
quondum plebis clavum ab dictatore fixum.</hi></note>. Denn<lb/>
bey der zweyten Auswandrung hat niemand der Dictatur<lb/>
gedacht, und damals konnte auch kein Dictator ernannt<lb/>
werden. Sogar u&#x0364;ber die Zahl und Nahmen der er&#x017F;ten er-<lb/>
wa&#x0364;hlten Volkstribunen herr&#x017F;chte die gro&#x0364;ßte Ver&#x017F;chiedenheit.<lb/>
Selb&#x017F;t daru&#x0364;ber waren nicht alle Annalen einig daß das Volk<lb/>
&#x017F;ich auf dem heiligen Berge friedlich niedergela&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
durch Schreckniß ohne Gewalt &#x017F;einen Zweck erreicht habe.<lb/>
Eine andre Erza&#x0364;hlung fu&#x0364;r die Livius den Annali&#x017F;ten Pi&#x017F;o<lb/>
anfu&#x0364;hrt, nannte den Aventinus als den Ort den das<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[411/0433] allenthalben in dieſen alten Zeiten ganz andern Annalen folgte als Livius, nennt Marcus, welcher nach unſrer Geſchichte in der Schlacht am Regillus gefallen ſeyn ſoll, und nicht Manius Valerius, Dictator waͤhrend dieſer Un- ruhen. Dies, wenn es auch nicht Fehler der Handſchrift ſeyn ſollte iſt unbedeutend: aber er redet, als von einer unzweifelhaften Thatſache, von des Dictators Unterhand- lungen mit dem Volk waͤhrend der Auswanderung, welche zu jenem Grundvertrage gefuͤhrt haͤtten 65): und zu der- ſelben Sage gehoͤrt eine Meldung bey Livius an einem von der Geſchichte dieſer Zeiten weit entfernten Ort, von einem Dictator der einſt bey einer Auswandrung des Volks den Nagel auf dem Capitol eingeſchlagen habe 66). Denn bey der zweyten Auswandrung hat niemand der Dictatur gedacht, und damals konnte auch kein Dictator ernannt werden. Sogar uͤber die Zahl und Nahmen der erſten er- waͤhlten Volkstribunen herrſchte die groͤßte Verſchiedenheit. Selbſt daruͤber waren nicht alle Annalen einig daß das Volk ſich auf dem heiligen Berge friedlich niedergelaſſen, und durch Schreckniß ohne Gewalt ſeinen Zweck erreicht habe. Eine andre Erzaͤhlung fuͤr die Livius den Annaliſten Piſo anfuͤhrt, nannte den Aventinus als den Ort den das 65) Cicero Brut. c. 14. Videmus — cum plebes prope ri- pam Anienis — consedisset, eumque montem qui Saoer appellatus est, occupavisset, M. Valerium dictatorem di- cendo sedavisse discordias, eique ob eam rem honores amplissimos habitos, et eum primum ob eam ipsam cau- sam Maximum esse appellatum. 66) Livius VIII. c. 18. Memoria repetita, in secessionibus quondum plebis clavum ab dictatore fixum.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/433
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/433>, abgerufen am 02.06.2024.