glaublich, denn auch ihre Enkel waren selten von der Weisheit des Königs Theopompus beseelt, der seine mur- rende Königin tröstete, die begränzte Gewalt sey dauer- hafter. Feste Häuser des Adels, an festen Orten der Stadt erregten auch im alten Rom, wie im Mittelalter, Besorgnisse für die Freyheit, wie das Volk argwöhnisch auf den Bau des Consuls Valerius gesehen haben, von früheren Königen den Tuskern geboten seyn soll vom Cölius herabzuziehen; und es wird erzählt Servius habe die Patricier gezwungen in einer Gegend im Thal unter den Esquilien zu wohnen, weil er ihre Feindseligkeit ge- fürchtet habe 61). Es ist auch nur zu wahrscheinlich daß die Erzählung mehr als späterer Verdacht ist, sie hätten sich in ihrem Groll dahin vergessen sich mit einem gewis- senlosen Empörer gegen den ehrwürdigen König zu ver- schwören.
Auch das römische Königshaus, sagt Livius, sollte nicht rein von tragischen Greueln bleiben. Die beyden Brüder, Lucius und Aruns Tarquinius, nach der Sage des alten Tarquinius Söhne, waren mit den beyden Töchtern des Königs Servius vermählt. Lucius, des Verbrechens fähig, obgleich nicht aus eignem Triebe dazu entschlossen, war mit einer frommen Frau verbun- den: Aruns, redlich und gewissenhaft, mit einem Weibe von teuflischem Sinn. Erbittert über das lange Leben ih- res alten Vaters, über die Sanftmuth ihres Mannes der seinem herrschsüchtigen Bruder den einst erledigten Thron zu überlassen bereit schien, schwur sie beyden Verderben.
61) Festus s. v. Patricius vicus.
Erster Theil. T
glaublich, denn auch ihre Enkel waren ſelten von der Weisheit des Koͤnigs Theopompus beſeelt, der ſeine mur- rende Koͤnigin troͤſtete, die begraͤnzte Gewalt ſey dauer- hafter. Feſte Haͤuſer des Adels, an feſten Orten der Stadt erregten auch im alten Rom, wie im Mittelalter, Beſorgniſſe fuͤr die Freyheit, wie das Volk argwoͤhniſch auf den Bau des Conſuls Valerius geſehen haben, von fruͤheren Koͤnigen den Tuskern geboten ſeyn ſoll vom Coͤlius herabzuziehen; und es wird erzaͤhlt Servius habe die Patricier gezwungen in einer Gegend im Thal unter den Eſquilien zu wohnen, weil er ihre Feindſeligkeit ge- fuͤrchtet habe 61). Es iſt auch nur zu wahrſcheinlich daß die Erzaͤhlung mehr als ſpaͤterer Verdacht iſt, ſie haͤtten ſich in ihrem Groll dahin vergeſſen ſich mit einem gewiſ- ſenloſen Empoͤrer gegen den ehrwuͤrdigen Koͤnig zu ver- ſchwoͤren.
Auch das roͤmiſche Koͤnigshaus, ſagt Livius, ſollte nicht rein von tragiſchen Greueln bleiben. Die beyden Bruͤder, Lucius und Aruns Tarquinius, nach der Sage des alten Tarquinius Soͤhne, waren mit den beyden Toͤchtern des Koͤnigs Servius vermaͤhlt. Lucius, des Verbrechens faͤhig, obgleich nicht aus eignem Triebe dazu entſchloſſen, war mit einer frommen Frau verbun- den: Aruns, redlich und gewiſſenhaft, mit einem Weibe von teufliſchem Sinn. Erbittert uͤber das lange Leben ih- res alten Vaters, uͤber die Sanftmuth ihres Mannes der ſeinem herrſchſuͤchtigen Bruder den einſt erledigten Thron zu uͤberlaſſen bereit ſchien, ſchwur ſie beyden Verderben.
61) Feſtus s. v. Patricius vicus.
Erſter Theil. T
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glaublich, denn auch ihre Enkel waren ſelten von der
Weisheit des Koͤnigs Theopompus beſeelt, der ſeine mur-
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hafter. Feſte Haͤuſer des Adels, an feſten Orten der
Stadt erregten auch im alten Rom, wie im Mittelalter,
Beſorgniſſe fuͤr die Freyheit, wie das Volk argwoͤhniſch
auf den Bau des Conſuls Valerius geſehen haben, von
fruͤheren Koͤnigen den Tuskern geboten ſeyn ſoll vom
Coͤlius herabzuziehen; und es wird erzaͤhlt Servius habe
die Patricier gezwungen in einer Gegend im Thal unter
den Eſquilien zu wohnen, weil er ihre Feindſeligkeit ge-
fuͤrchtet habe 61). Es iſt auch nur zu wahrſcheinlich daß
die Erzaͤhlung mehr als ſpaͤterer Verdacht iſt, ſie haͤtten
ſich in ihrem Groll dahin vergeſſen ſich mit einem gewiſ-
ſenloſen Empoͤrer gegen den ehrwuͤrdigen Koͤnig zu ver-
ſchwoͤren.
Auch das roͤmiſche Koͤnigshaus, ſagt Livius, ſollte
nicht rein von tragiſchen Greueln bleiben. Die beyden
Bruͤder, Lucius und Aruns Tarquinius, nach der Sage
des alten Tarquinius Soͤhne, waren mit den beyden
Toͤchtern des Koͤnigs Servius vermaͤhlt. Lucius, des
Verbrechens faͤhig, obgleich nicht aus eignem Triebe
dazu entſchloſſen, war mit einer frommen Frau verbun-
den: Aruns, redlich und gewiſſenhaft, mit einem Weibe
von teufliſchem Sinn. Erbittert uͤber das lange Leben ih-
res alten Vaters, uͤber die Sanftmuth ihres Mannes der
ſeinem herrſchſuͤchtigen Bruder den einſt erledigten Thron
zu uͤberlaſſen bereit ſchien, ſchwur ſie beyden Verderben.
61) Feſtus s. v. Patricius vicus.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/311>, abgerufen am 22.11.2024.
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