Königs Absicht gewesen seyn muß: doch kamen die Ple- bejer in ihre Versammlungen, die nämlich, welche Tar- quinius jetzt in die Stämme aufnahm, und ihre Nach- kommen.
Tarquinius des Alten Ende, und Servius Tullius.
Wir kehren zurück zur dichterischen Sage, welche die Zeit nicht berechnet. Acht und dreyßig Jahre wa- ren verflossen, seitdem Tarquinius nach Ancus Tode Rom beherrschte. Die Marcier, dieses Königs Söhne, welche den Thron als ihr Erbe betrachteten, sahen seit sie sich fähig wähnten zu herrschen, in dem der einst ihr Vormund gewesen war, einen Feind und Usurpator, dessen Tod das Reich zu ihrem Vortheil erledigen würde. Des Königs mehr als achtzigjähriges Alter beruhigte sie nicht: denn es war nicht zweifelhaft, er werde wenn ihm der Tod mit Bewußtseyn nahte, seinem und des ganzen Volks Liebling, seinem Eidam Servius Tullius die Thronfolge versichern. Die Könige waren damals noch, nicht nur eine der Quellen des Gesetzes, sondern Richter, und besonders Friedensrichter für jeden vom Volk der sich an ihr väterliches Ansehen wandte. Es war aber ihre Pflicht keinem Gehör zu versagen. Un- ter diesem Vorwande gelangten zwey von den Marciern angestellte Meuchelmörder, als Hirten verkleidet, vor den König, und verwundeten ihn tödtlich.
Anstatt der Etruskerin Tanaquil giebt eine andere Sage diesem Könige eine römische Gemahlin, Gaja Cä-
Erster Theil. Q
Koͤnigs Abſicht geweſen ſeyn muß: doch kamen die Ple- bejer in ihre Verſammlungen, die naͤmlich, welche Tar- quinius jetzt in die Staͤmme aufnahm, und ihre Nach- kommen.
Tarquinius des Alten Ende, und Servius Tullius.
Wir kehren zuruͤck zur dichteriſchen Sage, welche die Zeit nicht berechnet. Acht und dreyßig Jahre wa- ren verfloſſen, ſeitdem Tarquinius nach Ancus Tode Rom beherrſchte. Die Marcier, dieſes Koͤnigs Soͤhne, welche den Thron als ihr Erbe betrachteten, ſahen ſeit ſie ſich faͤhig waͤhnten zu herrſchen, in dem der einſt ihr Vormund geweſen war, einen Feind und Uſurpator, deſſen Tod das Reich zu ihrem Vortheil erledigen wuͤrde. Des Koͤnigs mehr als achtzigjaͤhriges Alter beruhigte ſie nicht: denn es war nicht zweifelhaft, er werde wenn ihm der Tod mit Bewußtſeyn nahte, ſeinem und des ganzen Volks Liebling, ſeinem Eidam Servius Tullius die Thronfolge verſichern. Die Koͤnige waren damals noch, nicht nur eine der Quellen des Geſetzes, ſondern Richter, und beſonders Friedensrichter fuͤr jeden vom Volk der ſich an ihr vaͤterliches Anſehen wandte. Es war aber ihre Pflicht keinem Gehoͤr zu verſagen. Un- ter dieſem Vorwande gelangten zwey von den Marciern angeſtellte Meuchelmoͤrder, als Hirten verkleidet, vor den Koͤnig, und verwundeten ihn toͤdtlich.
Anſtatt der Etruskerin Tanaquil giebt eine andere Sage dieſem Koͤnige eine roͤmiſche Gemahlin, Gaja Caͤ-
Erſter Theil. Q
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Koͤnigs Abſicht geweſen ſeyn muß: doch kamen die Ple-
bejer in ihre Verſammlungen, die naͤmlich, welche Tar-
quinius jetzt in die Staͤmme aufnahm, und ihre Nach-
kommen.
Tarquinius des Alten Ende, und
Servius Tullius.
Wir kehren zuruͤck zur dichteriſchen Sage, welche
die Zeit nicht berechnet. Acht und dreyßig Jahre wa-
ren verfloſſen, ſeitdem Tarquinius nach Ancus Tode
Rom beherrſchte. Die Marcier, dieſes Koͤnigs Soͤhne,
welche den Thron als ihr Erbe betrachteten, ſahen ſeit
ſie ſich faͤhig waͤhnten zu herrſchen, in dem der einſt ihr
Vormund geweſen war, einen Feind und Uſurpator,
deſſen Tod das Reich zu ihrem Vortheil erledigen wuͤrde.
Des Koͤnigs mehr als achtzigjaͤhriges Alter beruhigte
ſie nicht: denn es war nicht zweifelhaft, er werde wenn
ihm der Tod mit Bewußtſeyn nahte, ſeinem und des
ganzen Volks Liebling, ſeinem Eidam Servius Tullius
die Thronfolge verſichern. Die Koͤnige waren damals
noch, nicht nur eine der Quellen des Geſetzes, ſondern
Richter, und beſonders Friedensrichter fuͤr jeden vom
Volk der ſich an ihr vaͤterliches Anſehen wandte. Es
war aber ihre Pflicht keinem Gehoͤr zu verſagen. Un-
ter dieſem Vorwande gelangten zwey von den Marciern
angeſtellte Meuchelmoͤrder, als Hirten verkleidet, vor den
Koͤnig, und verwundeten ihn toͤdtlich.
Anſtatt der Etruskerin Tanaquil giebt eine andere
Sage dieſem Koͤnige eine roͤmiſche Gemahlin, Gaja Caͤ-
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/263>, abgerufen am 22.11.2024.
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