Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.weißen Haupte, und mit seiner ungekünstelten Auf- richtigkeit, schien ihr, mit seiner redlichen Hausfrau, ein Philemon und Baucis, das Häuschen ein Tem- pel, und die Gegend eine arkadische Flur zu seyn. Alles verschönerte sich in ihren Augen. Wenn sie mit Spinnen und andern häuslichen Arbeiten einen Tag zubrachte, einen andern, mit Besorgung der Milchkammer, oder einmahl ihr eigen Gerücht pflücken und in den Topf werfen konnte, glaubte sie, aus dem Prunke eines verderbten Zeitalters, zur Einfalt und auch zur Unschuld der ersten Welt, zurückgekehret zu seyn. Und wenn sie des Abends, mit der Tochter ihres Wirthes, einem guten Mäd- chen, nach dem Hügel spazierte, oder sich mit ihr am Rande des Bachs ins Gras setzte, schien sie sich zu den Nymphen Dianens zu gehören, und wenn sie sang, welches oft geschah, schienen ihr die Hama- dryaden aus dem Wälde von fern zu antworten. Wahr ists inzwischen, daß diese reizenden Vorstel- Herbst
weißen Haupte, und mit ſeiner ungekuͤnſtelten Auf- richtigkeit, ſchien ihr, mit ſeiner redlichen Hausfrau, ein Philemon und Baucis, das Haͤuschen ein Tem- pel, und die Gegend eine arkadiſche Flur zu ſeyn. Alles verſchoͤnerte ſich in ihren Augen. Wenn ſie mit Spinnen und andern haͤuslichen Arbeiten einen Tag zubrachte, einen andern, mit Beſorgung der Milchkammer, oder einmahl ihr eigen Geruͤcht pfluͤcken und in den Topf werfen konnte, glaubte ſie, aus dem Prunke eines verderbten Zeitalters, zur Einfalt und auch zur Unſchuld der erſten Welt, zuruͤckgekehret zu ſeyn. Und wenn ſie des Abends, mit der Tochter ihres Wirthes, einem guten Maͤd- chen, nach dem Huͤgel ſpazierte, oder ſich mit ihr am Rande des Bachs ins Gras ſetzte, ſchien ſie ſich zu den Nymphen Dianens zu gehoͤren, und wenn ſie ſang, welches oft geſchah, ſchienen ihr die Hama- dryaden aus dem Waͤlde von fern zu antworten. Wahr iſts inzwiſchen, daß dieſe reizenden Vorſtel- Herbſt
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weißen Haupte, und mit ſeiner ungekuͤnſtelten Auf-
richtigkeit, ſchien ihr, mit ſeiner redlichen Hausfrau,
ein Philemon und Baucis, das Haͤuschen ein Tem-
pel, und die Gegend eine arkadiſche Flur zu ſeyn.
Alles verſchoͤnerte ſich in ihren Augen. Wenn ſie
mit Spinnen und andern haͤuslichen Arbeiten einen
Tag zubrachte, einen andern, mit Beſorgung der
Milchkammer, oder einmahl ihr eigen Geruͤcht
pfluͤcken und in den Topf werfen konnte, glaubte
ſie, aus dem Prunke eines verderbten Zeitalters,
zur Einfalt und auch zur Unſchuld der erſten Welt,
zuruͤckgekehret zu ſeyn. Und wenn ſie des Abends,
mit der Tochter ihres Wirthes, einem guten Maͤd-
chen, nach dem Huͤgel ſpazierte, oder ſich mit ihr
am Rande des Bachs ins Gras ſetzte, ſchien ſie ſich
zu den Nymphen Dianens zu gehoͤren, und wenn
ſie ſang, welches oft geſchah, ſchienen ihr die Hama-
dryaden aus dem Waͤlde von fern zu antworten.
Wahr iſts inzwiſchen, daß dieſe reizenden Vorſtel-
lungen, wie mehrere poetiſche Phantaſien, ins ge-
meine Leben gebracht, nicht allzulange Stich hielten,
und daß, nach einem Monate, die gute Mariane
ihre Einbildungskraft ſchon auſtrengen mußte, wenn
ſie in das ſeelenvolle Gefuͤhl uͤbergehen wollte, das ihr
ſonſt ſo natuͤrlich ſchien. Als aber vollends der ſpaͤte
Herbſt
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