Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.der umliegenden Gegend, wo sie die Natur in aller ihrer Schönheit fand. Sie irrte auf einem Fußsteige, der, zwischen dichten Büschen, zu einem kleinen grün- bewachsenen Hügel führte, neben dem sich ein klarer Bach schlängelte. Diese Gegend schien ihr ungemein reizend. Sie bestieg den kleinen Hügel, von wel- chem sie in dem Wäldchen umherschauen konnte, und in der Ferne die Aussicht auf wallende Kornfelder hatte. Hier überlegte sie ihren Zustand, sie sahe, daß sie von dem Zwecke ihrer Reise weit entfernt war, daß sie, wenn sie auch wieder zurückreisen wollte, nicht gewiß wissen könnte, in welchen Ge- sinnungen sie den Herrn von D *** finden möchte, daß sie vielleicht von ohngefehr dem Obersten in die Hände fallen könnte u. d. m. Dagegen schien ihr dieser Winkel der Erde, ganz paradiesisch zu seyn. Es dünkte also ihrem ohnedieß etwas zum romanti- schen geneigten Geiste das zuträglichste, wenn es mög- lich wäre, in diesem Aufenthalte der Ruhe und der Un- schuld, von der ganzen Welt abgesondert zu leben. Sie entdeckte ihren Vorsatz ihren Wirthsleuten, weißen
der umliegenden Gegend, wo ſie die Natur in aller ihrer Schoͤnheit fand. Sie irrte auf einem Fußſteige, der, zwiſchen dichten Buͤſchen, zu einem kleinen gruͤn- bewachſenen Huͤgel fuͤhrte, neben dem ſich ein klarer Bach ſchlaͤngelte. Dieſe Gegend ſchien ihr ungemein reizend. Sie beſtieg den kleinen Huͤgel, von wel- chem ſie in dem Waͤldchen umherſchauen konnte, und in der Ferne die Ausſicht auf wallende Kornfelder hatte. Hier uͤberlegte ſie ihren Zuſtand, ſie ſahe, daß ſie von dem Zwecke ihrer Reiſe weit entfernt war, daß ſie, wenn ſie auch wieder zuruͤckreiſen wollte, nicht gewiß wiſſen koͤnnte, in welchen Ge- ſinnungen ſie den Herrn von D *** finden moͤchte, daß ſie vielleicht von ohngefehr dem Oberſten in die Haͤnde fallen koͤnnte u. d. m. Dagegen ſchien ihr dieſer Winkel der Erde, ganz paradieſiſch zu ſeyn. Es duͤnkte alſo ihrem ohnedieß etwas zum romanti- ſchen geneigten Geiſte das zutraͤglichſte, wenn es moͤg- lich waͤre, in dieſem Aufenthalte der Ruhe und der Un- ſchuld, von der ganzen Welt abgeſondert zu leben. Sie entdeckte ihren Vorſatz ihren Wirthsleuten, weißen
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der umliegenden Gegend, wo ſie die Natur in aller
ihrer Schoͤnheit fand. Sie irrte auf einem Fußſteige,
der, zwiſchen dichten Buͤſchen, zu einem kleinen gruͤn-
bewachſenen Huͤgel fuͤhrte, neben dem ſich ein klarer
Bach ſchlaͤngelte. Dieſe Gegend ſchien ihr ungemein
reizend. Sie beſtieg den kleinen Huͤgel, von wel-
chem ſie in dem Waͤldchen umherſchauen konnte, und
in der Ferne die Ausſicht auf wallende Kornfelder
hatte. Hier uͤberlegte ſie ihren Zuſtand, ſie ſahe,
daß ſie von dem Zwecke ihrer Reiſe weit entfernt
war, daß ſie, wenn ſie auch wieder zuruͤckreiſen
wollte, nicht gewiß wiſſen koͤnnte, in welchen Ge-
ſinnungen ſie den Herrn von D *** finden moͤchte,
daß ſie vielleicht von ohngefehr dem Oberſten in die
Haͤnde fallen koͤnnte u. d. m. Dagegen ſchien ihr
dieſer Winkel der Erde, ganz paradieſiſch zu ſeyn.
Es duͤnkte alſo ihrem ohnedieß etwas zum romanti-
ſchen geneigten Geiſte das zutraͤglichſte, wenn es moͤg-
lich waͤre, in dieſem Aufenthalte der Ruhe und der Un-
ſchuld, von der ganzen Welt abgeſondert zu leben.
Sie entdeckte ihren Vorſatz ihren Wirthsleuten,
welche ſich denſelben wohl gefallen ließen, fall ſie
mit ihrem Hausweſen, ſo wie es war, vorlieb neh-
men wollte. Mariane war vielmehr entzuͤckt da-
ruͤber. Jhr Wirth, mit ſeinem ehrwuͤrdigen ſchnee-
weißen
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