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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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Hof dessen Sohne übergeben, und er auf Leib-
zucht
*) gesetzt. Der Markenherr gab ihm aber
nicht allein aus der Mark einen beträchtlichen Zu-
schlag, und gab ihm seine Tochter, von Hofedien-
sten frey, mit auf die Leibzucht, sondern er ließ ihm
auch in einem angenehmen Sundern**) ein eignes
bequemeres Haus, mit einem Schornstein bauen, so
daß sich der Leibzüchter, nicht, wie seine Nachbarn,
mit seinen Schinken zugleich, räuchern durfte. Da-
bey hatte er, unter seinem Strohdache, eine beson-
dere abgeschlagene Kammer, welche eigentlich diente,
seinen Wintervorrath zu verwahren, jetzt aber Ma-
rianen
zur Schlafkammer angewiesen ward.

Sie genoß darinn nach einer ungewohnt langen
Reise die erste Nacht eine süße Ruhe. Sie stand
des Morgens erquickt auf, das Wetter hatte sich
anfgeklärt, sie sah aus dem Fenster das Wäld-
chen im schönsten Laube, und hinter demselben
grünende Wiesen. Als sie herunter kam, ward sie
von den Hausleuten mit ländlicher Gastfreundschaft
empfangen. Nach dem Frühstücke spazierte sie in

der
*) Leibzucht, heist in Westphalen die Wohnung eines vom
Hofe abgegangenen Bauers.
**) Ein Sundern heist in Westphalen ein beträchtliches Ge-
hölz, welches in Absicht der Viehweide offen, aber was das
Holz hetrifft, davon gesondert, oder einem Herrn zustän-
dig ist. S. Mösers patriotische Phantasien 2 Th. S. 493.



Hof deſſen Sohne uͤbergeben, und er auf Leib-
zucht
*) geſetzt. Der Markenherr gab ihm aber
nicht allein aus der Mark einen betraͤchtlichen Zu-
ſchlag, und gab ihm ſeine Tochter, von Hofedien-
ſten frey, mit auf die Leibzucht, ſondern er ließ ihm
auch in einem angenehmen Sundern**) ein eignes
bequemeres Haus, mit einem Schornſtein bauen, ſo
daß ſich der Leibzuͤchter, nicht, wie ſeine Nachbarn,
mit ſeinen Schinken zugleich, raͤuchern durfte. Da-
bey hatte er, unter ſeinem Strohdache, eine beſon-
dere abgeſchlagene Kammer, welche eigentlich diente,
ſeinen Wintervorrath zu verwahren, jetzt aber Ma-
rianen
zur Schlafkammer angewieſen ward.

Sie genoß darinn nach einer ungewohnt langen
Reiſe die erſte Nacht eine ſuͤße Ruhe. Sie ſtand
des Morgens erquickt auf, das Wetter hatte ſich
anfgeklaͤrt, ſie ſah aus dem Fenſter das Waͤld-
chen im ſchoͤnſten Laube, und hinter demſelben
gruͤnende Wieſen. Als ſie herunter kam, ward ſie
von den Hausleuten mit laͤndlicher Gaſtfreundſchaft
empfangen. Nach dem Fruͤhſtuͤcke ſpazierte ſie in

der
*) Leibzucht, heiſt in Weſtphalen die Wohnung eines vom
Hofe abgegangenen Bauers.
**) Ein Sundern heiſt in Weſtphalen ein beträchtliches Ge-
hölz, welches in Abſicht der Viehweide offen, aber was das
Holz hetrifft, davon geſondert, oder einem Herrn zuſtän-
dig iſt. S. Moͤſers patriotiſche Phantaſien 2 Th. S. 493.
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[104[103]/0114] Hof deſſen Sohne uͤbergeben, und er auf Leib- zucht *) geſetzt. Der Markenherr gab ihm aber nicht allein aus der Mark einen betraͤchtlichen Zu- ſchlag, und gab ihm ſeine Tochter, von Hofedien- ſten frey, mit auf die Leibzucht, ſondern er ließ ihm auch in einem angenehmen Sundern **) ein eignes bequemeres Haus, mit einem Schornſtein bauen, ſo daß ſich der Leibzuͤchter, nicht, wie ſeine Nachbarn, mit ſeinen Schinken zugleich, raͤuchern durfte. Da- bey hatte er, unter ſeinem Strohdache, eine beſon- dere abgeſchlagene Kammer, welche eigentlich diente, ſeinen Wintervorrath zu verwahren, jetzt aber Ma- rianen zur Schlafkammer angewieſen ward. Sie genoß darinn nach einer ungewohnt langen Reiſe die erſte Nacht eine ſuͤße Ruhe. Sie ſtand des Morgens erquickt auf, das Wetter hatte ſich anfgeklaͤrt, ſie ſah aus dem Fenſter das Waͤld- chen im ſchoͤnſten Laube, und hinter demſelben gruͤnende Wieſen. Als ſie herunter kam, ward ſie von den Hausleuten mit laͤndlicher Gaſtfreundſchaft empfangen. Nach dem Fruͤhſtuͤcke ſpazierte ſie in der *) Leibzucht, heiſt in Weſtphalen die Wohnung eines vom Hofe abgegangenen Bauers. **) Ein Sundern heiſt in Weſtphalen ein beträchtliches Ge- hölz, welches in Abſicht der Viehweide offen, aber was das Holz hetrifft, davon geſondert, oder einem Herrn zuſtän- dig iſt. S. Moͤſers patriotiſche Phantaſien 2 Th. S. 493.

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 104[103]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/114>, abgerufen am 21.11.2024.