über, daß sich die Christen über allerhand Meinun- gen, die doch nicht ausgemacht wären, und auch wohl nicht ausgemacht werden könnten, nicht un- christlicher Weise hassen, sondern sich vielmehr recht christlicher Weise vertragen sollten, und Mackligius sagte ja! einmal über das andere.
Jndem sie in diesem Gespräche begriffen waren, trat ein Jude aus Rendsburg in das Zimmer, wel- cher beym Mackligius Geld umzusetzen und sonst zu handeln pflegte. Beide hatten sich, durch die schönen Träume von Christlicher Toleranz, die Einbildung so erhitzt, und das Gemüth in eine so selbstgefällige wohlthätige Lage gebracht, daß sie sich stark genug fühlten, dieses Juden Bekehrung zu versuchen. Mack- ligius bewies ihm mit starken Gründen, daß der Messias schon gekommen sey. Der Jude versetzte, es könne sehr wohl ein Messias gekommen seyn, nur nicht der Messias der Jnden, wofür er zum unwi- derleglichen Grunde anführte, daß widrigenfalls er, der Jude, ein vornehmer Mann seyn müßte, hin- gegen Mackligius vielleicht würde alte Kleider kau- fen und Zerbster Drittel einwechseln müssen. Se- baldus hielt sich an das himmlische Jerusalem; der Jude aber wollte nur vom irrdischen Jerusalem hö- ren, wohin alle Juden in der Welt, wie er gewiß
glaub-
Q 4
uͤber, daß ſich die Chriſten uͤber allerhand Meinun- gen, die doch nicht ausgemacht waͤren, und auch wohl nicht ausgemacht werden koͤnnten, nicht un- chriſtlicher Weiſe haſſen, ſondern ſich vielmehr recht chriſtlicher Weiſe vertragen ſollten, und Mackligius ſagte ja! einmal uͤber das andere.
Jndem ſie in dieſem Geſpraͤche begriffen waren, trat ein Jude aus Rendsburg in das Zimmer, wel- cher beym Mackligius Geld umzuſetzen und ſonſt zu handeln pflegte. Beide hatten ſich, durch die ſchoͤnen Traͤume von Chriſtlicher Toleranz, die Einbildung ſo erhitzt, und das Gemuͤth in eine ſo ſelbſtgefaͤllige wohlthaͤtige Lage gebracht, daß ſie ſich ſtark genug fuͤhlten, dieſes Juden Bekehrung zu verſuchen. Mack- ligius bewies ihm mit ſtarken Gruͤnden, daß der Meſſias ſchon gekommen ſey. Der Jude verſetzte, es koͤnne ſehr wohl ein Meſſias gekommen ſeyn, nur nicht der Meſſias der Jnden, wofuͤr er zum unwi- derleglichen Grunde anfuͤhrte, daß widrigenfalls er, der Jude, ein vornehmer Mann ſeyn muͤßte, hin- gegen Mackligius vielleicht wuͤrde alte Kleider kau- fen und Zerbſter Drittel einwechſeln muͤſſen. Se- baldus hielt ſich an das himmliſche Jeruſalem; der Jude aber wollte nur vom irrdiſchen Jeruſalem hoͤ- ren, wohin alle Juden in der Welt, wie er gewiß
glaub-
Q 4
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uͤber, daß ſich die Chriſten uͤber allerhand Meinun-
gen, die doch nicht ausgemacht waͤren, und auch
wohl nicht ausgemacht werden koͤnnten, nicht un-
chriſtlicher Weiſe haſſen, ſondern ſich vielmehr recht
chriſtlicher Weiſe vertragen ſollten, und Mackligius
ſagte ja! einmal uͤber das andere.
Jndem ſie in dieſem Geſpraͤche begriffen waren,
trat ein Jude aus Rendsburg in das Zimmer, wel-
cher beym Mackligius Geld umzuſetzen und ſonſt zu
handeln pflegte. Beide hatten ſich, durch die ſchoͤnen
Traͤume von Chriſtlicher Toleranz, die Einbildung ſo
erhitzt, und das Gemuͤth in eine ſo ſelbſtgefaͤllige
wohlthaͤtige Lage gebracht, daß ſie ſich ſtark genug
fuͤhlten, dieſes Juden Bekehrung zu verſuchen. Mack-
ligius bewies ihm mit ſtarken Gruͤnden, daß der
Meſſias ſchon gekommen ſey. Der Jude verſetzte,
es koͤnne ſehr wohl ein Meſſias gekommen ſeyn, nur
nicht der Meſſias der Jnden, wofuͤr er zum unwi-
derleglichen Grunde anfuͤhrte, daß widrigenfalls er,
der Jude, ein vornehmer Mann ſeyn muͤßte, hin-
gegen Mackligius vielleicht wuͤrde alte Kleider kau-
fen und Zerbſter Drittel einwechſeln muͤſſen. Se-
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/255>, abgerufen am 05.07.2024.
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