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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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glaubte, noch einst würden versammlet werden. Alle
drey wurden sehr hitzig. Endlich brach der Jude
kurz ab, sagte, wenn der Hr. Pastor heute nichts
zu handeln habe, wolle er ein andermal wieder
kommen, und gieng zur Thür hinaus. Mackligius
schalt nicht wenig über den blinden und verstockten
Juden. Sebaldus saß eine Weile, den Kopf
auf den Tisch gestützt; endlich schlug er sich an
die Brust, und rief aus:

,Ach! er ist ein Mensch, wie wir, glaubt von sei-
"ner Meinung überzeugt zu seyn, wie wir, die ihn
"mit sich zufrieden macht, wie uns die unsrige. Lassen
"Sie uns, dem barmherzigen Gotte gleich, der uns
"alle erträgt, unsre Toleranz nicht nur auf alle Chri-
"sten, sondern auch auf Juden und alle andern Nicht-
"christen ausdehnen.'

Fünfter Abschnitt.

Jndessen hatte der Vorfall mit dem reformirten
Taufzeugen in der Stadt kein geringes Aufse-
hen gemacht. Der Pastor Ehrn Lic. Wulkenkra-
genius
predigte wider einen solchen grundstürzenden
Jrrthum, in den Vormittagspredigten, und der Ar-
chidiakon Ehrn Mackligius, ob er gleich sonst am

Strei-



glaubte, noch einſt wuͤrden verſammlet werden. Alle
drey wurden ſehr hitzig. Endlich brach der Jude
kurz ab, ſagte, wenn der Hr. Paſtor heute nichts
zu handeln habe, wolle er ein andermal wieder
kommen, und gieng zur Thuͤr hinaus. Mackligius
ſchalt nicht wenig uͤber den blinden und verſtockten
Juden. Sebaldus ſaß eine Weile, den Kopf
auf den Tiſch geſtuͤtzt; endlich ſchlug er ſich an
die Bruſt, und rief aus:

‚Ach! er iſt ein Menſch, wie wir, glaubt von ſei-
”ner Meinung uͤberzeugt zu ſeyn, wie wir, die ihn
”mit ſich zufrieden macht, wie uns die unſrige. Laſſen
”Sie uns, dem barmherzigen Gotte gleich, der uns
”alle ertraͤgt, unſre Toleranz nicht nur auf alle Chri-
”ſten, ſondern auch auf Juden und alle andern Nicht-
”chriſten ausdehnen.‛

Fuͤnfter Abſchnitt.

Jndeſſen hatte der Vorfall mit dem reformirten
Taufzeugen in der Stadt kein geringes Aufſe-
hen gemacht. Der Paſtor Ehrn Lic. Wulkenkra-
genius
predigte wider einen ſolchen grundſtuͤrzenden
Jrrthum, in den Vormittagspredigten, und der Ar-
chidiakon Ehrn Mackligius, ob er gleich ſonſt am

Strei-
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[244/0256] glaubte, noch einſt wuͤrden verſammlet werden. Alle drey wurden ſehr hitzig. Endlich brach der Jude kurz ab, ſagte, wenn der Hr. Paſtor heute nichts zu handeln habe, wolle er ein andermal wieder kommen, und gieng zur Thuͤr hinaus. Mackligius ſchalt nicht wenig uͤber den blinden und verſtockten Juden. Sebaldus ſaß eine Weile, den Kopf auf den Tiſch geſtuͤtzt; endlich ſchlug er ſich an die Bruſt, und rief aus: ‚Ach! er iſt ein Menſch, wie wir, glaubt von ſei- ”ner Meinung uͤberzeugt zu ſeyn, wie wir, die ihn ”mit ſich zufrieden macht, wie uns die unſrige. Laſſen ”Sie uns, dem barmherzigen Gotte gleich, der uns ”alle ertraͤgt, unſre Toleranz nicht nur auf alle Chri- ”ſten, ſondern auch auf Juden und alle andern Nicht- ”chriſten ausdehnen.‛ Fuͤnfter Abſchnitt. Jndeſſen hatte der Vorfall mit dem reformirten Taufzeugen in der Stadt kein geringes Aufſe- hen gemacht. Der Paſtor Ehrn Lic. Wulkenkra- genius predigte wider einen ſolchen grundſtuͤrzenden Jrrthum, in den Vormittagspredigten, und der Ar- chidiakon Ehrn Mackligius, ob er gleich ſonſt am Strei-

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/256>, abgerufen am 25.11.2024.