leicht zu erachten, und die Mutter war gleichfalls damit zufrieden, weil Säugling auch ihre Gunst erlangt hatte, indem er sich zuweilen zu ihr setzte, mit ihr zu schwatzen, und ihre Arbeit lobte, wenn sie im Tambour stickte.
Uebrigens fand die Frau von Hohenauf noch nicht für gut, der Frau von Ehrenkolb ihre Ab- sichten zu entdecken. Jhrem Neffen aber ließ sie, kurz vor der Abreise, ihren Willen vernehmen, der dazu nicht Nein sagen durfte, aber auch nicht Ja sagte. Denn ein schönes Fräulein, und das seine Ge- dichte liebte, war zwar eine sehr verführerische Anlok- kung, aber das Andenken an seine Mariane, ver- stattete es ihm noch nicht, in völligem Ernste an eine andere Verbindung zu denken.
Sie reiseten nunmehr sämmtlich nach dem Landsitze der Frau von Ehrenkolb. Hier gieng Säuglings Umgang mit dem Fräulein wie vorher fort, bis nach einigen Tagen die Ankunft eines jungen Obersten, den das Fräulein an dem Hofe, wo sie sich den Win- ter über aufgehalten hatte, schon hatte kennen ler- nen, den Sachen ein etwas anderes Ansehen gab: Er war drey und zwanzig Jahr alt, wohlgebildet, plapperte im Tone der großen Welt, trug eine glänzen- de Uniform und eine reiche Schulterschleife, fuhr mit
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leicht zu erachten, und die Mutter war gleichfalls damit zufrieden, weil Saͤugling auch ihre Gunſt erlangt hatte, indem er ſich zuweilen zu ihr ſetzte, mit ihr zu ſchwatzen, und ihre Arbeit lobte, wenn ſie im Tambour ſtickte.
Uebrigens fand die Frau von Hohenauf noch nicht fuͤr gut, der Frau von Ehrenkolb ihre Ab- ſichten zu entdecken. Jhrem Neffen aber ließ ſie, kurz vor der Abreiſe, ihren Willen vernehmen, der dazu nicht Nein ſagen durfte, aber auch nicht Ja ſagte. Denn ein ſchoͤnes Fraͤulein, und das ſeine Ge- dichte liebte, war zwar eine ſehr verfuͤhreriſche Anlok- kung, aber das Andenken an ſeine Mariane, ver- ſtattete es ihm noch nicht, in voͤlligem Ernſte an eine andere Verbindung zu denken.
Sie reiſeten nunmehr ſaͤmmtlich nach dem Landſitze der Frau von Ehrenkolb. Hier gieng Saͤuglings Umgang mit dem Fraͤulein wie vorher fort, bis nach einigen Tagen die Ankunft eines jungen Oberſten, den das Fraͤulein an dem Hofe, wo ſie ſich den Win- ter uͤber aufgehalten hatte, ſchon hatte kennen ler- nen, den Sachen ein etwas anderes Anſehen gab: Er war drey und zwanzig Jahr alt, wohlgebildet, plapperte im Tone der großen Welt, trug eine glaͤnzen- de Uniform und eine reiche Schulterſchleife, fuhr mit
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leicht zu erachten, und die Mutter war gleichfalls
damit zufrieden, weil Saͤugling auch ihre Gunſt
erlangt hatte, indem er ſich zuweilen zu ihr ſetzte,
mit ihr zu ſchwatzen, und ihre Arbeit lobte, wenn ſie
im Tambour ſtickte.
Uebrigens fand die Frau von Hohenauf noch
nicht fuͤr gut, der Frau von Ehrenkolb ihre Ab-
ſichten zu entdecken. Jhrem Neffen aber ließ ſie,
kurz vor der Abreiſe, ihren Willen vernehmen, der
dazu nicht Nein ſagen durfte, aber auch nicht Ja
ſagte. Denn ein ſchoͤnes Fraͤulein, und das ſeine Ge-
dichte liebte, war zwar eine ſehr verfuͤhreriſche Anlok-
kung, aber das Andenken an ſeine Mariane, ver-
ſtattete es ihm noch nicht, in voͤlligem Ernſte an eine
andere Verbindung zu denken.
Sie reiſeten nunmehr ſaͤmmtlich nach dem Landſitze
der Frau von Ehrenkolb. Hier gieng Saͤuglings
Umgang mit dem Fraͤulein wie vorher fort, bis nach
einigen Tagen die Ankunft eines jungen Oberſten,
den das Fraͤulein an dem Hofe, wo ſie ſich den Win-
ter uͤber aufgehalten hatte, ſchon hatte kennen ler-
nen, den Sachen ein etwas anderes Anſehen gab:
Er war drey und zwanzig Jahr alt, wohlgebildet,
plapperte im Tone der großen Welt, trug eine glaͤnzen-
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/167>, abgerufen am 05.07.2024.
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