vor dem ganzen H. Römischen Reiche für schön und witzig erklärt zu sehen. (denn Säugling hatte in feiner Zueignungsschrift die poetischen Floskeln nicht gespart) war ihr so schmeichelhaft, daß ihr Säug- ling ein homme adorable war, und daß sie bey sich Kraft fühlte, ihn wirklich vierzehn Tage nacheinan- der zu lieben.
Nun waren beide unzertrennlich. Obgleich diese beständigen Zusammenkünfte von beiden Seiten ei- gentlich nur Eigenliebe und Galanterie zum Grunde hatten, so hielt sich doch die Frau von Hohenauf, die beide von Anfang an mit aufmerksamen Au- gen betrachtet hatte, und die sich nicht wenig Ge- schicklichkeit, die Geheimnisse anderer zu errathen, zu- traute, sestversichert, daß Liebe im Spiele wäre, und freute sich insgeheim, daß ihr Anschlag anfienge, fast ohne ihre Bemühung, so gut von statten zu gehen.
Als die Frau von Ehrenkolb, nebst ihrem Fräu- lein, nach einiger Zeit auf die Rückreise nach ihrem Gute dachte, that die Frau von Hohenauf den Vor- fchlag, daß ihr Neffe nebst seinem Hofmeister in ihrer Gesellschaft reisen sollte, weil der Aufenthalt der Frau von Ehrenkolb wirklich auf dem Wege nach Westphalen lag, den sie zu reisen hatten. Daß dem Fräulein dieser Vorschlag angenehm gewesen sey, ist
leicht
vor dem ganzen H. Roͤmiſchen Reiche fuͤr ſchoͤn und witzig erklaͤrt zu ſehen. (denn Saͤugling hatte in feiner Zueignungsſchrift die poetiſchen Floskeln nicht geſpart) war ihr ſo ſchmeichelhaft, daß ihr Saͤug- ling ein homme adorable war, und daß ſie bey ſich Kraft fuͤhlte, ihn wirklich vierzehn Tage nacheinan- der zu lieben.
Nun waren beide unzertrennlich. Obgleich dieſe beſtaͤndigen Zuſammenkuͤnfte von beiden Seiten ei- gentlich nur Eigenliebe und Galanterie zum Grunde hatten, ſo hielt ſich doch die Frau von Hohenauf, die beide von Anfang an mit aufmerkſamen Au- gen betrachtet hatte, und die ſich nicht wenig Ge- ſchicklichkeit, die Geheimniſſe anderer zu errathen, zu- traute, ſeſtverſichert, daß Liebe im Spiele waͤre, und freute ſich insgeheim, daß ihr Anſchlag anfienge, faſt ohne ihre Bemuͤhung, ſo gut von ſtatten zu gehen.
Als die Frau von Ehrenkolb, nebſt ihrem Fraͤu- lein, nach einiger Zeit auf die Ruͤckreiſe nach ihrem Gute dachte, that die Frau von Hohenauf den Vor- fchlag, daß ihr Neffe nebſt ſeinem Hofmeiſter in ihrer Geſellſchaft reiſen ſollte, weil der Aufenthalt der Frau von Ehrenkolb wirklich auf dem Wege nach Weſtphalen lag, den ſie zu reiſen hatten. Daß dem Fraͤulein dieſer Vorſchlag angenehm geweſen ſey, iſt
leicht
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vor dem ganzen H. Roͤmiſchen Reiche fuͤr ſchoͤn und
witzig erklaͤrt zu ſehen. (denn Saͤugling hatte in
feiner Zueignungsſchrift die poetiſchen Floskeln nicht
geſpart) war ihr ſo ſchmeichelhaft, daß ihr Saͤug-
ling ein homme adorable war, und daß ſie bey ſich
Kraft fuͤhlte, ihn wirklich vierzehn Tage nacheinan-
der zu lieben.
Nun waren beide unzertrennlich. Obgleich dieſe
beſtaͤndigen Zuſammenkuͤnfte von beiden Seiten ei-
gentlich nur Eigenliebe und Galanterie zum Grunde
hatten, ſo hielt ſich doch die Frau von Hohenauf,
die beide von Anfang an mit aufmerkſamen Au-
gen betrachtet hatte, und die ſich nicht wenig Ge-
ſchicklichkeit, die Geheimniſſe anderer zu errathen, zu-
traute, ſeſtverſichert, daß Liebe im Spiele waͤre, und
freute ſich insgeheim, daß ihr Anſchlag anfienge, faſt
ohne ihre Bemuͤhung, ſo gut von ſtatten zu gehen.
Als die Frau von Ehrenkolb, nebſt ihrem Fraͤu-
lein, nach einiger Zeit auf die Ruͤckreiſe nach ihrem
Gute dachte, that die Frau von Hohenauf den Vor-
fchlag, daß ihr Neffe nebſt ſeinem Hofmeiſter in
ihrer Geſellſchaft reiſen ſollte, weil der Aufenthalt der
Frau von Ehrenkolb wirklich auf dem Wege nach
Weſtphalen lag, den ſie zu reiſen hatten. Daß dem
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/166>, abgerufen am 05.07.2024.
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