Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

Bild:
<< vorherige Seite



vor dem ganzen H. Römischen Reiche für schön und
witzig erklärt zu sehen. (denn Säugling hatte in
feiner Zueignungsschrift die poetischen Floskeln nicht
gespart) war ihr so schmeichelhaft, daß ihr Säug-
ling
ein homme adorable war, und daß sie bey sich
Kraft fühlte, ihn wirklich vierzehn Tage nacheinan-
der zu lieben.

Nun waren beide unzertrennlich. Obgleich diese
beständigen Zusammenkünfte von beiden Seiten ei-
gentlich nur Eigenliebe und Galanterie zum Grunde
hatten, so hielt sich doch die Frau von Hohenauf,
die beide von Anfang an mit aufmerksamen Au-
gen betrachtet hatte, und die sich nicht wenig Ge-
schicklichkeit, die Geheimnisse anderer zu errathen, zu-
traute, sestversichert, daß Liebe im Spiele wäre, und
freute sich insgeheim, daß ihr Anschlag anfienge, fast
ohne ihre Bemühung, so gut von statten zu gehen.

Als die Frau von Ehrenkolb, nebst ihrem Fräu-
lein, nach einiger Zeit auf die Rückreise nach ihrem
Gute dachte, that die Frau von Hohenauf den Vor-
fchlag, daß ihr Neffe nebst seinem Hofmeister in
ihrer Gesellschaft reisen sollte, weil der Aufenthalt der
Frau von Ehrenkolb wirklich auf dem Wege nach
Westphalen lag, den sie zu reisen hatten. Daß dem
Fräulein dieser Vorschlag angenehm gewesen sey, ist

leicht



vor dem ganzen H. Roͤmiſchen Reiche fuͤr ſchoͤn und
witzig erklaͤrt zu ſehen. (denn Saͤugling hatte in
feiner Zueignungsſchrift die poetiſchen Floskeln nicht
geſpart) war ihr ſo ſchmeichelhaft, daß ihr Saͤug-
ling
ein homme adorable war, und daß ſie bey ſich
Kraft fuͤhlte, ihn wirklich vierzehn Tage nacheinan-
der zu lieben.

Nun waren beide unzertrennlich. Obgleich dieſe
beſtaͤndigen Zuſammenkuͤnfte von beiden Seiten ei-
gentlich nur Eigenliebe und Galanterie zum Grunde
hatten, ſo hielt ſich doch die Frau von Hohenauf,
die beide von Anfang an mit aufmerkſamen Au-
gen betrachtet hatte, und die ſich nicht wenig Ge-
ſchicklichkeit, die Geheimniſſe anderer zu errathen, zu-
traute, ſeſtverſichert, daß Liebe im Spiele waͤre, und
freute ſich insgeheim, daß ihr Anſchlag anfienge, faſt
ohne ihre Bemuͤhung, ſo gut von ſtatten zu gehen.

Als die Frau von Ehrenkolb, nebſt ihrem Fraͤu-
lein, nach einiger Zeit auf die Ruͤckreiſe nach ihrem
Gute dachte, that die Frau von Hohenauf den Vor-
fchlag, daß ihr Neffe nebſt ſeinem Hofmeiſter in
ihrer Geſellſchaft reiſen ſollte, weil der Aufenthalt der
Frau von Ehrenkolb wirklich auf dem Wege nach
Weſtphalen lag, den ſie zu reiſen hatten. Daß dem
Fraͤulein dieſer Vorſchlag angenehm geweſen ſey, iſt

leicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0166" n="156"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
vor dem ganzen H. Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Reiche fu&#x0364;r &#x017F;cho&#x0364;n und<lb/>
witzig erkla&#x0364;rt zu &#x017F;ehen. (denn <hi rendition="#fr">Sa&#x0364;ugling</hi> hatte in<lb/>
feiner Zueignungs&#x017F;chrift die poeti&#x017F;chen Floskeln nicht<lb/>
ge&#x017F;part) war ihr &#x017F;o &#x017F;chmeichelhaft, daß ihr <hi rendition="#fr">Sa&#x0364;ug-<lb/>
ling</hi> ein <hi rendition="#aq">homme adorable</hi> war, und daß &#x017F;ie bey &#x017F;ich<lb/>
Kraft fu&#x0364;hlte, ihn wirklich vierzehn Tage nacheinan-<lb/>
der zu lieben.</p><lb/>
          <p>Nun waren beide unzertrennlich. Obgleich die&#x017F;e<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Zu&#x017F;ammenku&#x0364;nfte von beiden Seiten ei-<lb/>
gentlich nur Eigenliebe und Galanterie zum Grunde<lb/>
hatten, &#x017F;o hielt &#x017F;ich doch die Frau von <hi rendition="#fr">Hohenauf,</hi><lb/>
die beide von Anfang an mit aufmerk&#x017F;amen Au-<lb/>
gen betrachtet hatte, und die &#x017F;ich nicht wenig Ge-<lb/>
&#x017F;chicklichkeit, die Geheimni&#x017F;&#x017F;e anderer zu errathen, zu-<lb/>
traute, &#x017F;e&#x017F;tver&#x017F;ichert, daß Liebe im Spiele wa&#x0364;re, und<lb/>
freute &#x017F;ich insgeheim, daß ihr An&#x017F;chlag anfienge, fa&#x017F;t<lb/>
ohne ihre Bemu&#x0364;hung, &#x017F;o gut von &#x017F;tatten zu gehen.</p><lb/>
          <p>Als die Frau von <hi rendition="#fr">Ehrenkolb,</hi> neb&#x017F;t ihrem Fra&#x0364;u-<lb/>
lein, nach einiger Zeit auf die Ru&#x0364;ckrei&#x017F;e nach ihrem<lb/>
Gute dachte, that die Frau von <hi rendition="#fr">Hohenauf</hi> den Vor-<lb/>
fchlag, daß ihr Neffe neb&#x017F;t &#x017F;einem Hofmei&#x017F;ter in<lb/>
ihrer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft rei&#x017F;en &#x017F;ollte, weil der Aufenthalt der<lb/>
Frau von <hi rendition="#fr">Ehrenkolb</hi> wirklich auf dem Wege nach<lb/>
We&#x017F;tphalen lag, den &#x017F;ie zu rei&#x017F;en hatten. Daß dem<lb/>
Fra&#x0364;ulein die&#x017F;er Vor&#x017F;chlag angenehm gewe&#x017F;en &#x017F;ey, i&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">leicht</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0166] vor dem ganzen H. Roͤmiſchen Reiche fuͤr ſchoͤn und witzig erklaͤrt zu ſehen. (denn Saͤugling hatte in feiner Zueignungsſchrift die poetiſchen Floskeln nicht geſpart) war ihr ſo ſchmeichelhaft, daß ihr Saͤug- ling ein homme adorable war, und daß ſie bey ſich Kraft fuͤhlte, ihn wirklich vierzehn Tage nacheinan- der zu lieben. Nun waren beide unzertrennlich. Obgleich dieſe beſtaͤndigen Zuſammenkuͤnfte von beiden Seiten ei- gentlich nur Eigenliebe und Galanterie zum Grunde hatten, ſo hielt ſich doch die Frau von Hohenauf, die beide von Anfang an mit aufmerkſamen Au- gen betrachtet hatte, und die ſich nicht wenig Ge- ſchicklichkeit, die Geheimniſſe anderer zu errathen, zu- traute, ſeſtverſichert, daß Liebe im Spiele waͤre, und freute ſich insgeheim, daß ihr Anſchlag anfienge, faſt ohne ihre Bemuͤhung, ſo gut von ſtatten zu gehen. Als die Frau von Ehrenkolb, nebſt ihrem Fraͤu- lein, nach einiger Zeit auf die Ruͤckreiſe nach ihrem Gute dachte, that die Frau von Hohenauf den Vor- fchlag, daß ihr Neffe nebſt ſeinem Hofmeiſter in ihrer Geſellſchaft reiſen ſollte, weil der Aufenthalt der Frau von Ehrenkolb wirklich auf dem Wege nach Weſtphalen lag, den ſie zu reiſen hatten. Daß dem Fraͤulein dieſer Vorſchlag angenehm geweſen ſey, iſt leicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/166
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/166>, abgerufen am 25.11.2024.