Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

Bild:
<< vorherige Seite



Hölle, keinen Gott und keinen Teufel geglaubt, und
in seinen Sünden dahin gelebt hat?

Seb. Jch weiß es, daß er viel Trugschlüsse ge-
macht hat. Jch habe schon oft gewünscht, und die-
ser Fall erneuert bey mir den Wunsch, daß der Ge-
brauch einer gesunden Philosophie unter der ganzen
Nation gemein würde, damit auch unstudirte Perso-
nen über transcendente Sätze, die sie nicht ganz ent-
behren können, richtige Begriffe hätten. Jeder
Mensch -- --

Pr. O! Sie mögen wohl selbst sehr irrige Begriffe
haben; was gehört eine weltliche Philosophie hieher?
Der Weg zum Heil ist in Gottes Wort vorgeschrie-
ben, und in den Schriften bewährter Theologen, die
es erklärt haben, die wollen Sie doch wohl nicht ver-
werfen? Wollen Sie?

Seb. Davon ist nicht die Rede. Meine Mei-
nung ist nur: Wer sich bey der gewöhnlichen Ausle-
gung und bey der gewöhnlichen Dogmatik beruhigen
kann, der thue es; kann er aber nicht, und will er
seine Zweifel verfolgen, so wage er sich nicht, ohne
das Licht einer gesunden Philosophie, in die Jrrgänge
der Dogmatik und Exegese, er wird sich sonst immer
mehr in seine Zweifel verwickeln. Jndessen kann

ich



Hoͤlle, keinen Gott und keinen Teufel geglaubt, und
in ſeinen Suͤnden dahin gelebt hat?

Seb. Jch weiß es, daß er viel Trugſchluͤſſe ge-
macht hat. Jch habe ſchon oft gewuͤnſcht, und die-
ſer Fall erneuert bey mir den Wunſch, daß der Ge-
brauch einer geſunden Philoſophie unter der ganzen
Nation gemein wuͤrde, damit auch unſtudirte Perſo-
nen uͤber tranſcendente Saͤtze, die ſie nicht ganz ent-
behren koͤnnen, richtige Begriffe haͤtten. Jeder
Menſch — —

Pr. O! Sie moͤgen wohl ſelbſt ſehr irrige Begriffe
haben; was gehoͤrt eine weltliche Philoſophie hieher?
Der Weg zum Heil iſt in Gottes Wort vorgeſchrie-
ben, und in den Schriften bewaͤhrter Theologen, die
es erklaͤrt haben, die wollen Sie doch wohl nicht ver-
werfen? Wollen Sie?

Seb. Davon iſt nicht die Rede. Meine Mei-
nung iſt nur: Wer ſich bey der gewoͤhnlichen Ausle-
gung und bey der gewoͤhnlichen Dogmatik beruhigen
kann, der thue es; kann er aber nicht, und will er
ſeine Zweifel verfolgen, ſo wage er ſich nicht, ohne
das Licht einer geſunden Philoſophie, in die Jrrgaͤnge
der Dogmatik und Exegeſe, er wird ſich ſonſt immer
mehr in ſeine Zweifel verwickeln. Jndeſſen kann

ich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0134" n="124"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Ho&#x0364;lle, keinen Gott und keinen Teufel geglaubt, und<lb/>
in &#x017F;einen Su&#x0364;nden dahin gelebt hat?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Seb.</hi> Jch weiß es, daß er viel Trug&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ge-<lb/>
macht hat. Jch habe &#x017F;chon oft gewu&#x0364;n&#x017F;cht, und die-<lb/>
&#x017F;er Fall erneuert bey mir den Wun&#x017F;ch, daß der Ge-<lb/>
brauch einer ge&#x017F;unden Philo&#x017F;ophie unter der ganzen<lb/>
Nation gemein wu&#x0364;rde, damit auch un&#x017F;tudirte Per&#x017F;o-<lb/>
nen u&#x0364;ber tran&#x017F;cendente Sa&#x0364;tze, die &#x017F;ie nicht ganz ent-<lb/>
behren ko&#x0364;nnen, richtige Begriffe ha&#x0364;tten. Jeder<lb/>
Men&#x017F;ch &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Pr.</hi> O! Sie mo&#x0364;gen wohl &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ehr irrige Begriffe<lb/>
haben; was geho&#x0364;rt eine weltliche Philo&#x017F;ophie hieher?<lb/>
Der Weg zum Heil i&#x017F;t in Gottes Wort vorge&#x017F;chrie-<lb/>
ben, und in den Schriften bewa&#x0364;hrter Theologen, die<lb/>
es erkla&#x0364;rt haben, die wollen Sie doch wohl nicht ver-<lb/>
werfen? Wollen Sie?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Seb.</hi> Davon i&#x017F;t nicht die Rede. Meine Mei-<lb/>
nung i&#x017F;t nur: Wer &#x017F;ich bey der gewo&#x0364;hnlichen Ausle-<lb/>
gung und bey der gewo&#x0364;hnlichen Dogmatik beruhigen<lb/>
kann, der thue es; kann er aber nicht, und will er<lb/>
&#x017F;eine Zweifel verfolgen, &#x017F;o wage er &#x017F;ich nicht, ohne<lb/>
das Licht einer ge&#x017F;unden Philo&#x017F;ophie, in die Jrrga&#x0364;nge<lb/>
der Dogmatik und Exege&#x017F;e, er wird &#x017F;ich &#x017F;on&#x017F;t immer<lb/>
mehr in &#x017F;eine Zweifel verwickeln. Jnde&#x017F;&#x017F;en kann<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124/0134] Hoͤlle, keinen Gott und keinen Teufel geglaubt, und in ſeinen Suͤnden dahin gelebt hat? Seb. Jch weiß es, daß er viel Trugſchluͤſſe ge- macht hat. Jch habe ſchon oft gewuͤnſcht, und die- ſer Fall erneuert bey mir den Wunſch, daß der Ge- brauch einer geſunden Philoſophie unter der ganzen Nation gemein wuͤrde, damit auch unſtudirte Perſo- nen uͤber tranſcendente Saͤtze, die ſie nicht ganz ent- behren koͤnnen, richtige Begriffe haͤtten. Jeder Menſch — — Pr. O! Sie moͤgen wohl ſelbſt ſehr irrige Begriffe haben; was gehoͤrt eine weltliche Philoſophie hieher? Der Weg zum Heil iſt in Gottes Wort vorgeſchrie- ben, und in den Schriften bewaͤhrter Theologen, die es erklaͤrt haben, die wollen Sie doch wohl nicht ver- werfen? Wollen Sie? Seb. Davon iſt nicht die Rede. Meine Mei- nung iſt nur: Wer ſich bey der gewoͤhnlichen Ausle- gung und bey der gewoͤhnlichen Dogmatik beruhigen kann, der thue es; kann er aber nicht, und will er ſeine Zweifel verfolgen, ſo wage er ſich nicht, ohne das Licht einer geſunden Philoſophie, in die Jrrgaͤnge der Dogmatik und Exegeſe, er wird ſich ſonſt immer mehr in ſeine Zweifel verwickeln. Jndeſſen kann ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/134
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/134>, abgerufen am 19.05.2024.