Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.hatte bey seiner Zuhausekunst, die durch Franzen an ihn gebrachte Botschaft erfahren. Er eilte, so sehr er konnte, an einen Ort, wo er sich, wie ein ande- rer Fresenius, durch die Bekehrung eines Freygeistes auf dem Todtenbette zu signalisiren dachte; denn weil er sich um alles, was in seinem Kirchensprengel vorgieng, bekümmerte, so war ihm unverborgen geblie- ben, daß der Major besondere Meinungen hege, und weder ihn noch einen von seinen Kollegen zum Beicht- vater gehabt habe. Als er sahe, daß er zu spät kam, rief er aus: Pr. O Gott! wie groß sind deine Gerichte! Auch Seb. Mein Herr! schmähen Sie diesen todten Pr. Wie können Sie einen verstockten Sünder Hölle
hatte bey ſeiner Zuhauſekunſt, die durch Franzen an ihn gebrachte Botſchaft erfahren. Er eilte, ſo ſehr er konnte, an einen Ort, wo er ſich, wie ein ande- rer Freſenius, durch die Bekehrung eines Freygeiſtes auf dem Todtenbette zu ſignaliſiren dachte; denn weil er ſich um alles, was in ſeinem Kirchenſprengel vorgieng, bekuͤmmerte, ſo war ihm unverborgen geblie- ben, daß der Major beſondere Meinungen hege, und weder ihn noch einen von ſeinen Kollegen zum Beicht- vater gehabt habe. Als er ſahe, daß er zu ſpaͤt kam, rief er aus: Pr. O Gott! wie groß ſind deine Gerichte! Auch Seb. Mein Herr! ſchmaͤhen Sie dieſen todten Pr. Wie koͤnnen Sie einen verſtockten Suͤnder Hoͤlle
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hatte bey ſeiner Zuhauſekunſt, die durch Franzen
an ihn gebrachte Botſchaft erfahren. Er eilte, ſo ſehr
er konnte, an einen Ort, wo er ſich, wie ein ande-
rer Freſenius, durch die Bekehrung eines Freygeiſtes
auf dem Todtenbette zu ſignaliſiren dachte; denn
weil er ſich um alles, was in ſeinem Kirchenſprengel
vorgieng, bekuͤmmerte, ſo war ihm unverborgen geblie-
ben, daß der Major beſondere Meinungen hege, und
weder ihn noch einen von ſeinen Kollegen zum Beicht-
vater gehabt habe.
Als er ſahe, daß er zu ſpaͤt kam, rief er aus:
Pr. O Gott! wie groß ſind deine Gerichte! Auch
dieſen Suͤnder, dem du ſo lange Zeit zur Beſſerung
gegeben, und der die Gnadenzeit muthwillig hat ver-
ſtreichen laſſen, haſt du ins Gericht der Verſtockung
dahin gegeben! daran mag ſich jeder ſpiegeln, und
Buße thun, weil es noch Heute heißet!
Seb. Mein Herr! ſchmaͤhen Sie dieſen todten
Leichnam nicht! Der ſelige Major war ein rechtſchaf-
fener Mann. Sein Jnnerſtes wird Gott richten, vor
deſſen Richterſtuhle er ſtehet.
Pr. Wie koͤnnen Sie einen verſtockten Suͤnder
ſelig nennen? Wiſſen Sie wohl, daß dieſer ungluͤck-
liche Menſch kein ewiges Leben, keinen Himmel und
Hoͤlle
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