Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neumark, Georg: Poetisch- und Musikalisches Lustwäldchen. Hamburg, 1652.

Bild:
<< vorherige Seite
Poetisch- und Musikalisches Lust-
Doch/ mach es wie du wilst/ mein Gott du wirst schon sehen
Was mir wird nützlich seyn/ Jch laß' es gern geschehen
Was ich nicht ändern kan/ verleyhe nur Geduld
Du mein gerechter Gott und sey mir wieder huld.
Drauff fieng er wieder an almählich zu beschweimen
Und das/ mahl über mahl. (Hier war nicht zu verseumen
Was Sinn und Hertz erquikkt.) Die Mutter steht wie
tod/
Und weinet bitterlich in ihrer Hertzensnoht
Sie weis vor grosser Angst sich selber kaum zu finden/
Sie klaget jämmerlich mit schwachem Händewinden/
Bald steht sie wie erstarrt/ bald geht sie hin und her
Und seufftzet innerlich/ daß auch/ ich weiß nicht wer/
Sich ihr erbarmen muß. Alzestis wolte sterben
Dort in Thessalien/ nur bloß ümb zuerwerben
Was ihren krankken Mann/ was ihren liebsten Herrn
Vom Tod' erretten möcht; Es wer' auch hertzlich gern
Die stoltze Niobe vor ihre liebe Kinder
Gestorben. Eben so erbeut sich und nicht minder
Frau Meyermannnin Hertz aus treuer Liebespfiicht/
Jmfall das Christenthum es nur erlauben möcht.
Hier liegen zwey vor ihr in ihren Krankenbetten
Die sie wolt' hertzlich gern mit ihrem Blute retten
Jm fall es müglich wer'/ ihr Mann/ und auch das Kind
Die gleichsam beyderseits in Todesnöhten sind.
Es kommen ihre Freund' und andre mehr mit hauffen/
Dieß Elend anzusehn ins Hauß herzu gelanffen.
Der stehet hier und klagt/ der andre da und weint
Dort wird der Vater selbst der schon zu sterben scheint
Mit Bezoar erquikkt; ein andrer hilfft verbinden
Das hartgefallne Kind/ der dritte wil erfinden
Womit er trösten mag die hochbetrübte Frau/
Der vierdte wundert sich und fraget gar genau
Wie doch der Fall geschebn; es stehet Stub? und Kammer/
Mit weh und ach erfüllt; Jst das nun nicht ein Jammer
Und heisses Hertzeleid? Doch Gott der weiß auch wol
Jn solcher Wiedrigkeit wie er uns trösten sol.
Wenn
Poetiſch- und Muſikaliſches Luſt-
Doch/ mach es wie du wilſt/ mein Gott du wirſt ſchon ſehen
Was mir wird nuͤtzlich ſeyn/ Jch laß’ es gern geſchehen
Was ich nicht aͤndern kan/ verleyhe nur Geduld
Du mein gerechter Gott und ſey mir wieder huld.
Drauff fieng er wieder an almaͤhlich zu beſchweimen
Und das/ mahl uͤber mahl. (Hier war nicht zu verſeumen
Was Sinn und Hertz erquikkt.) Die Mutter ſteht wie
tod/
Und weinet bitterlich in ihrer Hertzensnoht
Sie weis vor groſſer Angſt ſich ſelber kaum zu finden/
Sie klaget jaͤmmerlich mit ſchwachem Haͤndewinden/
Bald ſteht ſie wie erſtarrt/ bald geht ſie hin und her
Und ſeufftzet innerlich/ daß auch/ ich weiß nicht wer/
Sich ihr erbarmen muß. Alzeſtis wolte ſterben
Dort in Theſſalien/ nur bloß uͤmb zuerwerben
Was ihren krankken Mann/ was ihren liebſten Herrn
Vom Tod’ erretten moͤcht; Es wer’ auch hertzlich gern
Die ſtoltze Niobe vor ihre liebe Kinder
Geſtorben. Eben ſo erbeut ſich und nicht minder
Frau Meyermannnin Hertz aus treuer Liebespfiicht/
Jmfall das Chriſtenthum es nur erlauben moͤcht.
Hier liegen zwey vor ihr in ihren Krankenbetten
Die ſie wolt’ hertzlich gern mit ihrem Blute retten
Jm fall es muͤglich wer’/ ihr Mann/ und auch das Kind
Die gleichſam beyderſeits in Todesnoͤhten ſind.
Es kommen ihre Freund’ und andre mehr mit hauffen/
Dieß Elend anzuſehn ins Hauß herzu gelanffen.
Der ſtehet hier und klagt/ der andre da und weint
Dort wird der Vater ſelbſt der ſchon zu ſterben ſcheint
Mit Bezoar erquikkt; ein andrer hilfft verbinden
Das hartgefallne Kind/ der dritte wil erfinden
Womit er troͤſten mag die hochbetruͤbte Frau/
Der vierdte wundert ſich und fraget gar genau
Wie doch der Fall geſchebn; es ſtehet Stub? und Kam̃er/
Mit weh und ach erfuͤllt; Jſt das nun nicht ein Jammer
Und heiſſes Hertzeleid? Doch Gott der weiß auch wol
Jn ſolcher Wiedrigkeit wie er uns troͤſten ſol.
Wenn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0230" n="194[204]"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Poeti&#x017F;ch- und Mu&#x017F;ikali&#x017F;ches Lu&#x017F;t-</hi> </fw><lb/>
            <l>Doch/ mach es wie du wil&#x017F;t/ mein Gott du wir&#x017F;t &#x017F;chon &#x017F;ehen</l><lb/>
            <l>Was mir wird nu&#x0364;tzlich &#x017F;eyn/ Jch laß&#x2019; es gern ge&#x017F;chehen</l><lb/>
            <l>Was ich nicht a&#x0364;ndern kan/ verleyhe nur Geduld</l><lb/>
            <l>Du mein gerechter Gott und &#x017F;ey mir wieder huld.</l><lb/>
            <l>Drauff fieng er wieder an alma&#x0364;hlich zu be&#x017F;chweimen</l><lb/>
            <l>Und das/ mahl u&#x0364;ber mahl. (Hier war nicht zu ver&#x017F;eumen</l><lb/>
            <l>Was Sinn und Hertz erquikkt.) Die Mutter &#x017F;teht wie</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">tod/</hi> </l><lb/>
            <l>Und weinet bitterlich in ihrer Hertzensnoht</l><lb/>
            <l>Sie weis vor gro&#x017F;&#x017F;er Ang&#x017F;t &#x017F;ich &#x017F;elber kaum zu finden/</l><lb/>
            <l>Sie klaget ja&#x0364;mmerlich mit &#x017F;chwachem Ha&#x0364;ndewinden/</l><lb/>
            <l>Bald &#x017F;teht &#x017F;ie wie er&#x017F;tarrt/ bald geht &#x017F;ie hin und her</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;eufftzet innerlich/ daß auch/ ich weiß nicht wer/</l><lb/>
            <l>Sich ihr erbarmen muß. Alze&#x017F;tis wolte &#x017F;terben</l><lb/>
            <l>Dort in The&#x017F;&#x017F;alien/ nur bloß u&#x0364;mb zuerwerben</l><lb/>
            <l>Was ihren krankken Mann/ was ihren lieb&#x017F;ten Herrn</l><lb/>
            <l>Vom Tod&#x2019; erretten mo&#x0364;cht; Es wer&#x2019; auch hertzlich gern</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;toltze Niobe vor ihre liebe Kinder</l><lb/>
            <l>Ge&#x017F;torben. Eben &#x017F;o erbeut &#x017F;ich und nicht minder</l><lb/>
            <l>Frau Meyermannnin Hertz aus treuer Liebespfiicht/</l><lb/>
            <l>Jmfall das Chri&#x017F;tenthum es nur erlauben mo&#x0364;cht.</l><lb/>
            <l>Hier liegen zwey vor ihr in ihren Krankenbetten</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;ie wolt&#x2019; hertzlich gern mit ihrem Blute retten</l><lb/>
            <l>Jm fall es mu&#x0364;glich wer&#x2019;/ ihr Mann/ und auch das Kind</l><lb/>
            <l>Die gleich&#x017F;am beyder&#x017F;eits in Todesno&#x0364;hten &#x017F;ind.</l><lb/>
            <l>Es kommen ihre Freund&#x2019; und andre mehr mit hauffen/</l><lb/>
            <l>Dieß Elend anzu&#x017F;ehn ins Hauß herzu gelanffen.</l><lb/>
            <l>Der &#x017F;tehet hier und klagt/ der andre da und weint</l><lb/>
            <l>Dort wird der Vater &#x017F;elb&#x017F;t der &#x017F;chon zu &#x017F;terben &#x017F;cheint</l><lb/>
            <l>Mit Bezoar erquikkt; ein andrer hilfft verbinden</l><lb/>
            <l>Das hartgefallne Kind/ der dritte wil erfinden</l><lb/>
            <l>Womit er tro&#x0364;&#x017F;ten mag die hochbetru&#x0364;bte Frau/</l><lb/>
            <l>Der vierdte wundert &#x017F;ich und fraget gar genau</l><lb/>
            <l>Wie doch der Fall ge&#x017F;chebn; es &#x017F;tehet Stub? und Kam&#x0303;er/</l><lb/>
            <l>Mit weh und ach erfu&#x0364;llt; J&#x017F;t das nun nicht ein Jammer</l><lb/>
            <l>Und hei&#x017F;&#x017F;es Hertzeleid? Doch Gott der weiß auch wol</l><lb/>
            <l>Jn &#x017F;olcher Wiedrigkeit wie er uns tro&#x0364;&#x017F;ten &#x017F;ol.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Wenn</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194[204]/0230] Poetiſch- und Muſikaliſches Luſt- Doch/ mach es wie du wilſt/ mein Gott du wirſt ſchon ſehen Was mir wird nuͤtzlich ſeyn/ Jch laß’ es gern geſchehen Was ich nicht aͤndern kan/ verleyhe nur Geduld Du mein gerechter Gott und ſey mir wieder huld. Drauff fieng er wieder an almaͤhlich zu beſchweimen Und das/ mahl uͤber mahl. (Hier war nicht zu verſeumen Was Sinn und Hertz erquikkt.) Die Mutter ſteht wie tod/ Und weinet bitterlich in ihrer Hertzensnoht Sie weis vor groſſer Angſt ſich ſelber kaum zu finden/ Sie klaget jaͤmmerlich mit ſchwachem Haͤndewinden/ Bald ſteht ſie wie erſtarrt/ bald geht ſie hin und her Und ſeufftzet innerlich/ daß auch/ ich weiß nicht wer/ Sich ihr erbarmen muß. Alzeſtis wolte ſterben Dort in Theſſalien/ nur bloß uͤmb zuerwerben Was ihren krankken Mann/ was ihren liebſten Herrn Vom Tod’ erretten moͤcht; Es wer’ auch hertzlich gern Die ſtoltze Niobe vor ihre liebe Kinder Geſtorben. Eben ſo erbeut ſich und nicht minder Frau Meyermannnin Hertz aus treuer Liebespfiicht/ Jmfall das Chriſtenthum es nur erlauben moͤcht. Hier liegen zwey vor ihr in ihren Krankenbetten Die ſie wolt’ hertzlich gern mit ihrem Blute retten Jm fall es muͤglich wer’/ ihr Mann/ und auch das Kind Die gleichſam beyderſeits in Todesnoͤhten ſind. Es kommen ihre Freund’ und andre mehr mit hauffen/ Dieß Elend anzuſehn ins Hauß herzu gelanffen. Der ſtehet hier und klagt/ der andre da und weint Dort wird der Vater ſelbſt der ſchon zu ſterben ſcheint Mit Bezoar erquikkt; ein andrer hilfft verbinden Das hartgefallne Kind/ der dritte wil erfinden Womit er troͤſten mag die hochbetruͤbte Frau/ Der vierdte wundert ſich und fraget gar genau Wie doch der Fall geſchebn; es ſtehet Stub? und Kam̃er/ Mit weh und ach erfuͤllt; Jſt das nun nicht ein Jammer Und heiſſes Hertzeleid? Doch Gott der weiß auch wol Jn ſolcher Wiedrigkeit wie er uns troͤſten ſol. Wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/neumark_lustwaeldchen_1652
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/neumark_lustwaeldchen_1652/230
Zitationshilfe: Neumark, Georg: Poetisch- und Musikalisches Lustwäldchen. Hamburg, 1652, S. 194[204]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neumark_lustwaeldchen_1652/230>, abgerufen am 22.11.2024.