Neumark, Georg: Poetisch- und Musikalisches Lustwäldchen. Hamburg, 1652.wäldchens andere Abtheilung. (Denn was der Himmel wil das sol und muß geschehenKein Mensch wie klug er auch kan diesem widerstehen.) Et spielet mit sich sebst/ geht allzuweit herfür Zum Ladenfenster zu (O weh es grauet mir Vor solchem Ungelükk'! es stokken meine Sinnen/ Die Feder wil nicht fort es wollen die Verse nicht rinnen/ Wie sie pflegen und wie sie sollen.) Mit dlesem stürtzet er drey Stokwerkhoch/ der Kleine/ Jch weiß nicht wie herab/ auff harte Pflastersteine; Die Hirnfchal; ist entzwey/ das Blut leufft mildiglich An dreyen Ohrten auß/ kein Gliedmaß reget sich/ Er lieget gantz erstummt/ man trägt ihn in die Kammer/ Zieht ihm die Kleider ab/ man legt ihn voller Jammer Und Elend in das Bett'/ er liegt wie eine Leich'/ Er siehet nichtes nicht/ das Angesicht ist bleich/ Der Leib ist braun und blau/ die Hände sind verstauchet/ Man merket kaum an ihm | daß er noch etwas hauchet/ Man wäschet ihm den Leib mit warmgemachtem Wein'/ Und legt ihm Pfiaster auf Was nur kan dienlich seun Das nimmt man vor die Hand. Es wird durch dieses Fal- len/ Der Vater fo erschrekkt/ als wenn ein Donnerknallen Jhm vor dem Hertzen wer'/ es bricht der kalte Schweiß Jhm an der Stirnen aus/ die Hände werden Eyß/ Er fällt in Ohnmacht hin/ er kan kein Glied nicht regen/ Da er doch ohne das drey Wochen schon gelegen An der verfluchten Gicht. Er schweiget lange still/ Fängt endlich also an: Ach Gott ist denn dein Will/ Auf mich so wiederlich? Schlägt denn mit vollen Fammen Dein grosses Zorenfeur auf meinen Halß zusammen? Den ersten liebsten Sohn hastu mir weggezükkt Ju einer Schwerennoht; der ander' ist erdrükkt Von seiner Seugerin; Sol auch der dritte sterben Und durch den schweren Fall/ so jämmerlich verderben Der nun mein letzter ist? der eintzig und allein Mein Trost/ mein Stab/ mein Schild im Alter sote/ seyn? D[och]
waͤldchens andere Abtheilung. (Denn was der Himmel wil das ſol und muß geſchehenKein Menſch wie klug er auch kan dieſem widerſtehen.) Et ſpielet mit ſich ſebſt/ geht allzuweit herfuͤr Zum Ladenfenſter zu (O weh es grauet mir Vor ſolchem Ungeluͤkk’! es ſtokken meine Sinnen/ Die Feder wil nicht fort es wollen die Verſe nicht rinnen/ Wie ſie pflegen und wie ſie ſollen.) Mit dleſem ſtuͤrtzet er drey Stokwerkhoch/ der Kleine/ Jch weiß nicht wie herab/ auff harte Pflaſterſteine; Die Hirnfchal; iſt entzwey/ das Blut leufft mildiglich An dreyen Ohrten auß/ kein Gliedmaß reget ſich/ Er lieget gantz erſtummt/ man traͤgt ihn in die Kammer/ Zieht ihm die Kleider ab/ man legt ihn voller Jammer Und Elend in das Bett’/ er liegt wie eine Leich’/ Er ſiehet nichtes nicht/ das Angeſicht iſt bleich/ Der Leib iſt braun und blau/ die Haͤnde ſind verſtauchet/ Man merket kaum an ihm | daß er noch etwas hauchet/ Man waͤſchet ihm dẽ Leib mit warmgemachtem Wein’/ Und legt ihm Pfiaſter auf Was nur kan dienlich ſeun Das nimmt man vor die Hand. Es wird durch dieſes Fal- len/ Der Vater fo erſchrekkt/ als wenn ein Donnerknallen Jhm vor dem Hertzen wer’/ es bricht der kalte Schweiß Jhm an der Stirnen aus/ die Haͤnde werden Eyß/ Er faͤllt in Ohnmacht hin/ er kan kein Glied nicht regen/ Da er doch ohne das drey Wochen ſchon gelegen An der verfluchten Gicht. Er ſchweiget lange ſtill/ Faͤngt endlich alſo an: Ach Gott iſt denn dein Will/ Auf mich ſo wiederlich? Schlaͤgt denn mit vollen Fammen Dein groſſes Zorenfeur auf meinen Halß zuſammen? Den erſten liebſten Sohn haſtu mir weggezuͤkkt Ju einer Schwerennoht; der ander’ iſt erdruͤkkt Von ſeiner Seugerin; Sol auch der dritte ſterben Und durch den ſchweren Fall/ ſo jaͤmmerlich verderben Der nun mein letzter iſt? der eintzig und allein Mein Troſt/ mein Stab/ mein Schild im Alter ſote/ ſeyn? D[och]
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0229" n="193[203]"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">waͤldchens andere Abtheilung.</hi> </fw><lb/> <l>(Denn was der Himmel wil das ſol und muß geſchehen</l><lb/> <l>Kein Menſch wie klug er auch kan dieſem widerſtehen.)</l><lb/> <l>Et ſpielet mit ſich ſebſt/ geht allzuweit herfuͤr</l><lb/> <l>Zum Ladenfenſter zu (O weh es grauet mir</l><lb/> <l>Vor ſolchem Ungeluͤkk’! es ſtokken meine Sinnen/</l><lb/> <l>Die Feder wil nicht fort es wollen die Verſe nicht rinnen/</l><lb/> <l>Wie ſie pflegen und wie ſie ſollen.) </l> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </lg><lb/> <lg type="poem"> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <l>Mit dleſem ſtuͤrtzet er drey Stokwerkhoch/ der Kleine/</l><lb/> <l>Jch weiß nicht wie herab/ auff harte Pflaſterſteine;</l><lb/> <l>Die Hirnfchal; iſt entzwey/ das Blut leufft mildiglich</l><lb/> <l>An dreyen Ohrten auß/ kein Gliedmaß reget ſich/</l><lb/> <l>Er lieget gantz erſtummt/ man traͤgt ihn in die Kammer/</l><lb/> <l>Zieht ihm die Kleider ab/ man legt ihn voller Jammer</l><lb/> <l>Und Elend in das Bett’/ er liegt wie eine Leich’/</l><lb/> <l>Er ſiehet nichtes nicht/ das Angeſicht iſt bleich/</l><lb/> <l>Der Leib iſt braun und blau/ die Haͤnde ſind verſtauchet/</l><lb/> <l>Man merket kaum an ihm | daß er noch etwas hauchet/</l><lb/> <l>Man waͤſchet ihm dẽ Leib mit warmgemachtem Wein’/</l><lb/> <l>Und legt ihm Pfiaſter auf Was nur kan dienlich ſeun</l><lb/> <l>Das nimmt man vor die Hand. Es wird durch dieſes Fal-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">len/</hi> </l><lb/> <l>Der Vater fo erſchrekkt/ als wenn ein Donnerknallen</l><lb/> <l>Jhm vor dem Hertzen wer’/ es bricht der kalte Schweiß</l><lb/> <l>Jhm an der Stirnen aus/ die Haͤnde werden Eyß/</l><lb/> <l>Er faͤllt in Ohnmacht hin/ er kan kein Glied nicht regen/</l><lb/> <l>Da er doch ohne das drey Wochen ſchon gelegen</l><lb/> <l>An der verfluchten Gicht. Er ſchweiget lange ſtill/</l><lb/> <l>Faͤngt endlich alſo an: Ach Gott iſt denn dein Will/</l><lb/> <l>Auf mich ſo wiederlich? Schlaͤgt denn mit vollen Fammen</l><lb/> <l>Dein groſſes Zorenfeur auf meinen Halß zuſammen?</l><lb/> <l>Den erſten liebſten Sohn haſtu mir weggezuͤkkt</l><lb/> <l>Ju einer Schwerennoht; der ander’ iſt erdruͤkkt</l><lb/> <l>Von ſeiner Seugerin; Sol auch der dritte ſterben</l><lb/> <l>Und durch den ſchweren Fall/ ſo jaͤmmerlich verderben</l><lb/> <l>Der nun mein letzter iſt? der eintzig und allein</l><lb/> <l>Mein Troſt/ mein Stab/ mein Schild im Alter ſote/</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ſeyn?</hi> </l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">D<supplied>och</supplied></fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [193[203]/0229]
waͤldchens andere Abtheilung.
(Denn was der Himmel wil das ſol und muß geſchehen
Kein Menſch wie klug er auch kan dieſem widerſtehen.)
Et ſpielet mit ſich ſebſt/ geht allzuweit herfuͤr
Zum Ladenfenſter zu (O weh es grauet mir
Vor ſolchem Ungeluͤkk’! es ſtokken meine Sinnen/
Die Feder wil nicht fort es wollen die Verſe nicht rinnen/
Wie ſie pflegen und wie ſie ſollen.)
Mit dleſem ſtuͤrtzet er drey Stokwerkhoch/ der Kleine/
Jch weiß nicht wie herab/ auff harte Pflaſterſteine;
Die Hirnfchal; iſt entzwey/ das Blut leufft mildiglich
An dreyen Ohrten auß/ kein Gliedmaß reget ſich/
Er lieget gantz erſtummt/ man traͤgt ihn in die Kammer/
Zieht ihm die Kleider ab/ man legt ihn voller Jammer
Und Elend in das Bett’/ er liegt wie eine Leich’/
Er ſiehet nichtes nicht/ das Angeſicht iſt bleich/
Der Leib iſt braun und blau/ die Haͤnde ſind verſtauchet/
Man merket kaum an ihm | daß er noch etwas hauchet/
Man waͤſchet ihm dẽ Leib mit warmgemachtem Wein’/
Und legt ihm Pfiaſter auf Was nur kan dienlich ſeun
Das nimmt man vor die Hand. Es wird durch dieſes Fal-
len/
Der Vater fo erſchrekkt/ als wenn ein Donnerknallen
Jhm vor dem Hertzen wer’/ es bricht der kalte Schweiß
Jhm an der Stirnen aus/ die Haͤnde werden Eyß/
Er faͤllt in Ohnmacht hin/ er kan kein Glied nicht regen/
Da er doch ohne das drey Wochen ſchon gelegen
An der verfluchten Gicht. Er ſchweiget lange ſtill/
Faͤngt endlich alſo an: Ach Gott iſt denn dein Will/
Auf mich ſo wiederlich? Schlaͤgt denn mit vollen Fammen
Dein groſſes Zorenfeur auf meinen Halß zuſammen?
Den erſten liebſten Sohn haſtu mir weggezuͤkkt
Ju einer Schwerennoht; der ander’ iſt erdruͤkkt
Von ſeiner Seugerin; Sol auch der dritte ſterben
Und durch den ſchweren Fall/ ſo jaͤmmerlich verderben
Der nun mein letzter iſt? der eintzig und allein
Mein Troſt/ mein Stab/ mein Schild im Alter ſote/
ſeyn?
Doch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |