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Neumark, Georg: Poetisch-Historischer Lustgarten. Frankfurt (Main), 1666.

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Filamon.
den Schlaf erwekken und die sich in ewren holdse-
ligen Augen befindliche Wasser-Brunnlein auß-
trokknen? Ach nein! Ach thue nicht ein so unbe-
sonnen beginnen/ thörichte Belliflora/ schlaffet
nur Edeler und hertzlieber Filamon/ ruhet noch ein
klein wenig/ den wird euch vielleicht mein nun-
mehr erweichetes Hertze/ weiln mir auch heute
eine stein Eiche eure grosse Standhafftigkeit im
lieben kund gemachet/ nach viel erlittenen Leiden/
satsam offenbahr werden. Wie sie dieses nun also
geredet/ und kaum für Seuftzen und andern mit-
leidenden gebehrden ein wenig wieder zu ihr selbst
kommen/ hat sie bald darauf von ihrer Nachfol-
gerin ein schreib Kästlein/ worin vergüldetes Pa-
pier/ Feder/ Dinten/ und etliche mit Gold und
Silber gefüllete Muscheln lagen/ gefordert/ und
also bald auf eine Pomerantzen (sehet welche eine
neue Liebesart und Erfindung) mit güldenen Buch-
staben gantz zierlich folgende Wort geschrieben:

Hertzliebster Filamon/ viel lieber wil Jch lassen.
Mein junges Leben/ als daß Jch euch nun solt hassen.
Drumb trauret doch nicht mehr/ legt ab die schwere Pein/
Seyd nur mein Filamon/ Belliflora wil sein.
Ewr hertzgeliebter Schatz.

Nach dem sie dieses verfertiget/ und auffs be-
ste sie vermocht berührte Verse angestrichen/ hat
Sie solche neben ihn auf das Papier/ worauf
die Ode geschrieben war/ geleget/ und also verlie-
bet mit vielen Seuftzen von Jhm geschieden/
da sie in dem Wegscheiden das Hertze selbst Jhm
wol mit getheilet hette. Es haben aber die
wunderbahre und allwissende Götter sol-
chen Gebrauch/ daß sie uns sterblichen Men-
schen gemeiniglich zukünftige Dinge in dem

Schla-

Filamon.
den Schlaf erwekken und die ſich in ewren holdſe-
ligen Augen befindliche Waſſer-Brůnnlein auß-
trokknen? Ach nein! Ach thue nicht ein ſo unbe-
ſonnen beginnen/ thoͤrichte Belliflora/ ſchlaffet
nur Edeler und hertzlieber Filamon/ ruhet noch ein
klein wenig/ den wird euch vielleicht mein nun-
mehr erweichetes Hertze/ weiln mir auch heute
eine ſtein Eiche eure groſſe Standhafftigkeit im
lieben kund gemachet/ nach viel erlittenen Leiden/
ſatſam offenbahr werden. Wie ſie dieſes nun alſo
geredet/ und kaum fuͤr Seuftzen und andern mit-
leidenden gebehrden ein wenig wieder zu ihr ſelbſt
kommen/ hat ſie bald darauf von ihrer Nachfol-
gerin ein ſchreib Kaͤſtlein/ worin verguͤldetes Pa-
pier/ Feder/ Dinten/ und etliche mit Gold und
Silber gefuͤllete Muſcheln lagen/ gefordert/ und
alſo bald auf eine Pomerantzen (ſehet welche eine
neue Liebesart und Erfindung) mit guͤldenen Buch-
ſtaben gantz zierlich folgende Wort geſchrieben:

Hertzliebſter Filamon/ viel lieber wil Jch laſſen.
Mein junges Leben/ als daß Jch euch nun ſolt haſſen.
Drumb trauret doch nicht mehr/ legt ab die ſchwere Pein/
Seyd nur mein Filamon/ Belliflora wil ſein.
Ewr hertzgeliebter Schatz.

Nach dem ſie dieſes verfertiget/ und auffs be-
ſte ſie vermocht beruͤhrte Verſe angeſtrichen/ hat
Sie ſolche neben ihn auf das Papier/ worauf
die Ode geſchrieben war/ geleget/ und alſo verlie-
bet mit vielen Seuftzen von Jhm geſchieden/
da ſie in dem Wegſcheiden das Hertze ſelbſt Jhm
wol mit getheilet hette. Es haben aber die
wunderbahre und allwiſſende Goͤtter ſol-
chen Gebrauch/ daß ſie uns ſterblichen Men-
ſchen gemeiniglich zukuͤnftige Dinge in dem

Schla-
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[285/0361] Filamon. den Schlaf erwekken und die ſich in ewren holdſe- ligen Augen befindliche Waſſer-Brůnnlein auß- trokknen? Ach nein! Ach thue nicht ein ſo unbe- ſonnen beginnen/ thoͤrichte Belliflora/ ſchlaffet nur Edeler und hertzlieber Filamon/ ruhet noch ein klein wenig/ den wird euch vielleicht mein nun- mehr erweichetes Hertze/ weiln mir auch heute eine ſtein Eiche eure groſſe Standhafftigkeit im lieben kund gemachet/ nach viel erlittenen Leiden/ ſatſam offenbahr werden. Wie ſie dieſes nun alſo geredet/ und kaum fuͤr Seuftzen und andern mit- leidenden gebehrden ein wenig wieder zu ihr ſelbſt kommen/ hat ſie bald darauf von ihrer Nachfol- gerin ein ſchreib Kaͤſtlein/ worin verguͤldetes Pa- pier/ Feder/ Dinten/ und etliche mit Gold und Silber gefuͤllete Muſcheln lagen/ gefordert/ und alſo bald auf eine Pomerantzen (ſehet welche eine neue Liebesart und Erfindung) mit guͤldenen Buch- ſtaben gantz zierlich folgende Wort geſchrieben: Hertzliebſter Filamon/ viel lieber wil Jch laſſen. Mein junges Leben/ als daß Jch euch nun ſolt haſſen. Drumb trauret doch nicht mehr/ legt ab die ſchwere Pein/ Seyd nur mein Filamon/ Belliflora wil ſein. Ewr hertzgeliebter Schatz. Nach dem ſie dieſes verfertiget/ und auffs be- ſte ſie vermocht beruͤhrte Verſe angeſtrichen/ hat Sie ſolche neben ihn auf das Papier/ worauf die Ode geſchrieben war/ geleget/ und alſo verlie- bet mit vielen Seuftzen von Jhm geſchieden/ da ſie in dem Wegſcheiden das Hertze ſelbſt Jhm wol mit getheilet hette. Es haben aber die wunderbahre und allwiſſende Goͤtter ſol- chen Gebrauch/ daß ſie uns ſterblichen Men- ſchen gemeiniglich zukuͤnftige Dinge in dem Schla-

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Zitationshilfe: Neumark, Georg: Poetisch-Historischer Lustgarten. Frankfurt (Main), 1666, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neumark_lustgarten_1666/361>, abgerufen am 02.06.2024.