Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

durch uns Alle hindurch, um auf den Hof zu
gelangen, wo sie lange und angelegentlich mit
einander sprachen.

Hier wurde ich nun warm und ereifert. Jch
faßte den Commandanten an den Arm und zog
ihn dorthin nach, indem ich rief: "Herr Obrist,
was die Beiden dort abzumachen haben, das
müssen Sie auch wissen!" -- Er folgte mir,
wie ein Schaaf; so wie wir aber näher kamen,
verbeugten sie sich Beiderseits höflichst und gien-
gen auseinander; worauf auch der Parlementair
in den Wagen stieg und davon kutschierte. Erst
eine halbe Stunde nachher kam der Hauptmann
v. Waldenfels fast athemlos herbeigeeilt; und ich
und Andre erzählten ihm, was hier vorgegangen.
Der Mann gerieth ganz ausser sich, daß so et-
was in seiner Abwesenheit hatte geschehen können.
Man erfuhr auch nachher, daß Loucadou und der
Vice-Commandant einen harten Wortwechsel ge-
habt und sich förmlich mit einander überworfen
hatten. Wer irgend zum Nachdenken aufgelegt
war, mußte in all diesen Vorgängen sehr viel
Unbegreifliches finden; und wollte er einigem bö-
sen Argwohn Raum bei sich geben, so mußte ihn
der Umstand noch mehr darinn bestärken, daß,
nach zwei Tagen, jener Unterofficier Reischard
unsichtbar geworden und zum Feinde übergegan-
gen war.

Gleich am 16. Merz machte der Feind Vor-
mittags den ersten Versuch, ob und wie die Stadt

durch uns Alle hindurch, um auf den Hof zu
gelangen, wo ſie lange und angelegentlich mit
einander ſprachen.

Hier wurde ich nun warm und ereifert. Jch
faßte den Commandanten an den Arm und zog
ihn dorthin nach, indem ich rief: „Herr Obriſt,
was die Beiden dort abzumachen haben, das
muͤſſen Sie auch wiſſen!‟ — Er folgte mir,
wie ein Schaaf; ſo wie wir aber naͤher kamen,
verbeugten ſie ſich Beiderſeits hoͤflichſt und gien-
gen auseinander; worauf auch der Parlementair
in den Wagen ſtieg und davon kutſchierte. Erſt
eine halbe Stunde nachher kam der Hauptmann
v. Waldenfels faſt athemlos herbeigeeilt; und ich
und Andre erzaͤhlten ihm, was hier vorgegangen.
Der Mann gerieth ganz auſſer ſich, daß ſo et-
was in ſeiner Abweſenheit hatte geſchehen koͤnnen.
Man erfuhr auch nachher, daß Loucadou und der
Vice-Commandant einen harten Wortwechſel ge-
habt und ſich foͤrmlich mit einander uͤberworfen
hatten. Wer irgend zum Nachdenken aufgelegt
war, mußte in all dieſen Vorgaͤngen ſehr viel
Unbegreifliches finden; und wollte er einigem boͤ-
ſen Argwohn Raum bei ſich geben, ſo mußte ihn
der Umſtand noch mehr darinn beſtaͤrken, daß,
nach zwei Tagen, jener Unterofficier Reiſchard
unſichtbar geworden und zum Feinde uͤbergegan-
gen war.

Gleich am 16. Merz machte der Feind Vor-
mittags den erſten Verſuch, ob und wie die Stadt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0089" n="73"/>
durch uns Alle hindurch, um auf den Hof zu<lb/>
gelangen, wo &#x017F;ie lange und angelegentlich mit<lb/>
einander &#x017F;prachen.</p><lb/>
        <p>Hier wurde ich nun warm und ereifert. Jch<lb/>
faßte den Commandanten an den Arm und zog<lb/>
ihn dorthin nach, indem ich rief: &#x201E;Herr Obri&#x017F;t,<lb/>
was die Beiden dort abzumachen haben, das<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#g">Sie</hi> auch wi&#x017F;&#x017F;en!&#x201F; &#x2014; Er folgte mir,<lb/>
wie ein Schaaf; &#x017F;o wie wir aber na&#x0364;her kamen,<lb/>
verbeugten &#x017F;ie &#x017F;ich Beider&#x017F;eits ho&#x0364;flich&#x017F;t und gien-<lb/>
gen auseinander; worauf auch der Parlementair<lb/>
in den Wagen &#x017F;tieg und davon kut&#x017F;chierte. Er&#x017F;t<lb/>
eine halbe Stunde nachher kam der Hauptmann<lb/>
v. Waldenfels fa&#x017F;t athemlos herbeigeeilt; und ich<lb/>
und Andre erza&#x0364;hlten ihm, was hier vorgegangen.<lb/>
Der Mann gerieth ganz au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich, daß &#x017F;o et-<lb/>
was in &#x017F;einer Abwe&#x017F;enheit hatte ge&#x017F;chehen ko&#x0364;nnen.<lb/>
Man erfuhr auch nachher, daß Loucadou und der<lb/>
Vice-Commandant einen harten Wortwech&#x017F;el ge-<lb/>
habt und &#x017F;ich fo&#x0364;rmlich mit einander u&#x0364;berworfen<lb/>
hatten. Wer irgend zum Nachdenken aufgelegt<lb/>
war, mußte in all die&#x017F;en Vorga&#x0364;ngen &#x017F;ehr viel<lb/>
Unbegreifliches finden; und wollte er einigem bo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;en Argwohn Raum bei &#x017F;ich geben, &#x017F;o mußte ihn<lb/>
der Um&#x017F;tand noch mehr darinn be&#x017F;ta&#x0364;rken, daß,<lb/>
nach zwei Tagen, jener Unterofficier Rei&#x017F;chard<lb/>
un&#x017F;ichtbar geworden und zum Feinde u&#x0364;bergegan-<lb/>
gen war.</p><lb/>
        <p>Gleich am 16. Merz machte der Feind Vor-<lb/>
mittags den er&#x017F;ten Ver&#x017F;uch, ob und wie die Stadt<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0089] durch uns Alle hindurch, um auf den Hof zu gelangen, wo ſie lange und angelegentlich mit einander ſprachen. Hier wurde ich nun warm und ereifert. Jch faßte den Commandanten an den Arm und zog ihn dorthin nach, indem ich rief: „Herr Obriſt, was die Beiden dort abzumachen haben, das muͤſſen Sie auch wiſſen!‟ — Er folgte mir, wie ein Schaaf; ſo wie wir aber naͤher kamen, verbeugten ſie ſich Beiderſeits hoͤflichſt und gien- gen auseinander; worauf auch der Parlementair in den Wagen ſtieg und davon kutſchierte. Erſt eine halbe Stunde nachher kam der Hauptmann v. Waldenfels faſt athemlos herbeigeeilt; und ich und Andre erzaͤhlten ihm, was hier vorgegangen. Der Mann gerieth ganz auſſer ſich, daß ſo et- was in ſeiner Abweſenheit hatte geſchehen koͤnnen. Man erfuhr auch nachher, daß Loucadou und der Vice-Commandant einen harten Wortwechſel ge- habt und ſich foͤrmlich mit einander uͤberworfen hatten. Wer irgend zum Nachdenken aufgelegt war, mußte in all dieſen Vorgaͤngen ſehr viel Unbegreifliches finden; und wollte er einigem boͤ- ſen Argwohn Raum bei ſich geben, ſo mußte ihn der Umſtand noch mehr darinn beſtaͤrken, daß, nach zwei Tagen, jener Unterofficier Reiſchard unſichtbar geworden und zum Feinde uͤbergegan- gen war. Gleich am 16. Merz machte der Feind Vor- mittags den erſten Verſuch, ob und wie die Stadt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/89
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/89>, abgerufen am 05.05.2024.