Alle fragten wir uns unter einander: Ob denn sonst Keiner von den Officieren bei der vorseyen- den Unterredung in dem verriegelten Zimmer zu- gegen sey? Jch wandte mich an den Obrist v. Britzke, der auch unter dem Haufen stand: "Herr, Sie sind der Nächste an Rang und Alter. Jhnen gebührte es am ersten, mit anzuhören, was da unterhandelt wird. Sprengen Sie die Thüre!" -- Er zuckte die Schultern, und Nie- mand von den Anwesenden sprach ein Wort. Mich aber überfiel innerlich eine unbeschreibliche Angst und Sorge. Die Erinnerungen an Stet- tin, Cüstrin und Magdeburg standen mir, wie finstre Gespenster, vor der Seele. Jch konnte nicht dauern, nicht bleiben; sondern lief, den Vice-Commandanten aufzusuchen, der jetzt allein noch Unheil verhüten konnte.
Vergebens irrte ich, in athemloser Hast, den wackern Mann in der ganzen Stadt, verge- bens auf den Wällen zu erfragen! Bald sagte man mir, er sey auf der Münde, beim Hafen, und ich schickte Boten über Boten aus, ihn schleu- nigst herbeizurufen; -- bald wieder hieß es, er sey bei den Verschanzungen auf dem Wolfsberge beschäftigt. Aber während ich auch dorthin Eil- boten abfertigte, war die Zeit bis fast um 2 Uhr abgelaufen; und ohne ihn erwarten zu können, trieb es mich wieder nach dem Commandanten- Hause, wo Unheil gebrütet wurde.
Jn der Zwischenzeit aber hatten Trompeter,
Alle fragten wir uns unter einander: Ob denn ſonſt Keiner von den Officieren bei der vorſeyen- den Unterredung in dem verriegelten Zimmer zu- gegen ſey? Jch wandte mich an den Obriſt v. Britzke, der auch unter dem Haufen ſtand: „Herr, Sie ſind der Naͤchſte an Rang und Alter. Jhnen gebuͤhrte es am erſten, mit anzuhoͤren, was da unterhandelt wird. Sprengen Sie die Thuͤre!‟ — Er zuckte die Schultern, und Nie- mand von den Anweſenden ſprach ein Wort. Mich aber uͤberfiel innerlich eine unbeſchreibliche Angſt und Sorge. Die Erinnerungen an Stet- tin, Cuͤſtrin und Magdeburg ſtanden mir, wie finſtre Geſpenſter, vor der Seele. Jch konnte nicht dauern, nicht bleiben; ſondern lief, den Vice-Commandanten aufzuſuchen, der jetzt allein noch Unheil verhuͤten konnte.
Vergebens irrte ich, in athemloſer Haſt, den wackern Mann in der ganzen Stadt, verge- bens auf den Waͤllen zu erfragen! Bald ſagte man mir, er ſey auf der Muͤnde, beim Hafen, und ich ſchickte Boten uͤber Boten aus, ihn ſchleu- nigſt herbeizurufen; — bald wieder hieß es, er ſey bei den Verſchanzungen auf dem Wolfsberge beſchaͤftigt. Aber waͤhrend ich auch dorthin Eil- boten abfertigte, war die Zeit bis faſt um 2 Uhr abgelaufen; und ohne ihn erwarten zu koͤnnen, trieb es mich wieder nach dem Commandanten- Hauſe, wo Unheil gebruͤtet wurde.
Jn der Zwiſchenzeit aber hatten Trompeter,
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Alle fragten wir uns unter einander: Ob denn
ſonſt Keiner von den Officieren bei der vorſeyen-
den Unterredung in dem verriegelten Zimmer zu-
gegen ſey? Jch wandte mich an den Obriſt
v. Britzke, der auch unter dem Haufen ſtand:
„Herr, Sie ſind der Naͤchſte an Rang und Alter.
Jhnen gebuͤhrte es am erſten, mit anzuhoͤren,
was da unterhandelt wird. Sprengen Sie die
Thuͤre!‟ — Er zuckte die Schultern, und Nie-
mand von den Anweſenden ſprach ein Wort.
Mich aber uͤberfiel innerlich eine unbeſchreibliche
Angſt und Sorge. Die Erinnerungen an Stet-
tin, Cuͤſtrin und Magdeburg ſtanden mir, wie
finſtre Geſpenſter, vor der Seele. Jch konnte
nicht dauern, nicht bleiben; ſondern lief, den
Vice-Commandanten aufzuſuchen, der jetzt allein
noch Unheil verhuͤten konnte.
Vergebens irrte ich, in athemloſer Haſt,
den wackern Mann in der ganzen Stadt, verge-
bens auf den Waͤllen zu erfragen! Bald ſagte
man mir, er ſey auf der Muͤnde, beim Hafen,
und ich ſchickte Boten uͤber Boten aus, ihn ſchleu-
nigſt herbeizurufen; — bald wieder hieß es, er
ſey bei den Verſchanzungen auf dem Wolfsberge
beſchaͤftigt. Aber waͤhrend ich auch dorthin Eil-
boten abfertigte, war die Zeit bis faſt um 2 Uhr
abgelaufen; und ohne ihn erwarten zu koͤnnen,
trieb es mich wieder nach dem Commandanten-
Hauſe, wo Unheil gebruͤtet wurde.
Jn der Zwiſchenzeit aber hatten Trompeter,
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/87>, abgerufen am 16.02.2025.
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