Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

Bornholm hinüberzustechen; und eben so über-
redete ich insgeheim, unter guter Bezahlung, ei-
nen Seefahrer, der vormals als Matrose unter
mir gedient hatte, mich auf dieser gewagten Un-
ternehmung zu begleiten. Das Fahrzeug ward
in den erforderlichen Stand gesetzt, nothdürftiger
Proviant nach der Münde hinausgeschafft und
nur noch ein günstiger Wind erwartet, um un-
verzüglich in See zu stechen.

Gerade in diesem Augenblick traf der Kriegs-
rath Wisseling von Treptow in Colberg ein; ein
Mann, der Kopf und Herz auf dem rechten
Flecke hatte, und der sich nebst Andern, die gleich
ihm zur pommerschen Kriegs- und Domainen-
Kammer gehörten, von Stettin entfernt hatte,
um sich dem Feinde nicht zu Werkzeugen seiner
landverderblichen Operationen herzuleihen, dage-
gen aber in den noch unbesetzten Gegenden der
Provinz die Verwaltung für königliche Rechnung
so lange, als möglich, im Gange zu erhalten.
Wisseling war mein Freund; und es that mir
wohl, alle meine Klagen, Sorgen und Bedenken
in sein redliches Herz auszuschütten. Er sah zu-
gleich selbst und mit eignen Augen, wie es hier
zugieng, und fühlte sich darüber nicht weniger
bekümmert. Als ich ihm aber das Geheimniß
meiner vorhabenden Reise entdeckte, mißbilligte
er das Wagstück; setzte aber sogleich auch hinzu:
"Vertrauen Sie mir Jhre Papiere an; und Al-
les, was sonst noch zu einer vollständigen Ueber-

Bornholm hinuͤberzuſtechen; und eben ſo uͤber-
redete ich insgeheim, unter guter Bezahlung, ei-
nen Seefahrer, der vormals als Matroſe unter
mir gedient hatte, mich auf dieſer gewagten Un-
ternehmung zu begleiten. Das Fahrzeug ward
in den erforderlichen Stand geſetzt, nothduͤrftiger
Proviant nach der Muͤnde hinausgeſchafft und
nur noch ein guͤnſtiger Wind erwartet, um un-
verzuͤglich in See zu ſtechen.

Gerade in dieſem Augenblick traf der Kriegs-
rath Wiſſeling von Treptow in Colberg ein; ein
Mann, der Kopf und Herz auf dem rechten
Flecke hatte, und der ſich nebſt Andern, die gleich
ihm zur pommerſchen Kriegs- und Domainen-
Kammer gehoͤrten, von Stettin entfernt hatte,
um ſich dem Feinde nicht zu Werkzeugen ſeiner
landverderblichen Operationen herzuleihen, dage-
gen aber in den noch unbeſetzten Gegenden der
Provinz die Verwaltung fuͤr koͤnigliche Rechnung
ſo lange, als moͤglich, im Gange zu erhalten.
Wiſſeling war mein Freund; und es that mir
wohl, alle meine Klagen, Sorgen und Bedenken
in ſein redliches Herz auszuſchuͤtten. Er ſah zu-
gleich ſelbſt und mit eignen Augen, wie es hier
zugieng, und fuͤhlte ſich daruͤber nicht weniger
bekuͤmmert. Als ich ihm aber das Geheimniß
meiner vorhabenden Reiſe entdeckte, mißbilligte
er das Wagſtuͤck; ſetzte aber ſogleich auch hinzu:
„Vertrauen Sie mir Jhre Papiere an; und Al-
les, was ſonſt noch zu einer vollſtaͤndigen Ueber-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0068" n="52"/>
Bornholm hinu&#x0364;berzu&#x017F;techen; und eben &#x017F;o u&#x0364;ber-<lb/>
redete ich insgeheim, unter guter Bezahlung, ei-<lb/>
nen Seefahrer, der vormals als Matro&#x017F;e unter<lb/>
mir gedient hatte, mich auf die&#x017F;er gewagten Un-<lb/>
ternehmung zu begleiten. Das Fahrzeug ward<lb/>
in den erforderlichen Stand ge&#x017F;etzt, nothdu&#x0364;rftiger<lb/>
Proviant nach der Mu&#x0364;nde hinausge&#x017F;chafft und<lb/>
nur noch ein gu&#x0364;n&#x017F;tiger Wind erwartet, um un-<lb/>
verzu&#x0364;glich in See zu &#x017F;techen.</p><lb/>
        <p>Gerade in die&#x017F;em Augenblick traf der Kriegs-<lb/>
rath Wi&#x017F;&#x017F;eling von Treptow in Colberg ein; ein<lb/>
Mann, der Kopf und Herz auf dem rechten<lb/>
Flecke hatte, und der &#x017F;ich neb&#x017F;t Andern, die gleich<lb/>
ihm zur pommer&#x017F;chen Kriegs- und Domainen-<lb/>
Kammer geho&#x0364;rten, von Stettin entfernt hatte,<lb/>
um &#x017F;ich dem Feinde nicht zu Werkzeugen &#x017F;einer<lb/>
landverderblichen Operationen herzuleihen, dage-<lb/>
gen aber in den noch unbe&#x017F;etzten Gegenden der<lb/>
Provinz die Verwaltung fu&#x0364;r ko&#x0364;nigliche Rechnung<lb/>
&#x017F;o lange, als mo&#x0364;glich, im Gange zu erhalten.<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;eling war mein Freund; und es that mir<lb/>
wohl, alle meine Klagen, Sorgen und Bedenken<lb/>
in &#x017F;ein redliches Herz auszu&#x017F;chu&#x0364;tten. Er &#x017F;ah zu-<lb/>
gleich &#x017F;elb&#x017F;t und mit eignen Augen, wie es hier<lb/>
zugieng, und fu&#x0364;hlte &#x017F;ich daru&#x0364;ber nicht weniger<lb/>
beku&#x0364;mmert. Als ich ihm aber das Geheimniß<lb/>
meiner vorhabenden Rei&#x017F;e entdeckte, mißbilligte<lb/>
er das Wag&#x017F;tu&#x0364;ck; &#x017F;etzte aber &#x017F;ogleich auch hinzu:<lb/>
&#x201E;Vertrauen Sie mir Jhre Papiere an; und Al-<lb/>
les, was &#x017F;on&#x017F;t noch zu einer voll&#x017F;ta&#x0364;ndigen Ueber-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0068] Bornholm hinuͤberzuſtechen; und eben ſo uͤber- redete ich insgeheim, unter guter Bezahlung, ei- nen Seefahrer, der vormals als Matroſe unter mir gedient hatte, mich auf dieſer gewagten Un- ternehmung zu begleiten. Das Fahrzeug ward in den erforderlichen Stand geſetzt, nothduͤrftiger Proviant nach der Muͤnde hinausgeſchafft und nur noch ein guͤnſtiger Wind erwartet, um un- verzuͤglich in See zu ſtechen. Gerade in dieſem Augenblick traf der Kriegs- rath Wiſſeling von Treptow in Colberg ein; ein Mann, der Kopf und Herz auf dem rechten Flecke hatte, und der ſich nebſt Andern, die gleich ihm zur pommerſchen Kriegs- und Domainen- Kammer gehoͤrten, von Stettin entfernt hatte, um ſich dem Feinde nicht zu Werkzeugen ſeiner landverderblichen Operationen herzuleihen, dage- gen aber in den noch unbeſetzten Gegenden der Provinz die Verwaltung fuͤr koͤnigliche Rechnung ſo lange, als moͤglich, im Gange zu erhalten. Wiſſeling war mein Freund; und es that mir wohl, alle meine Klagen, Sorgen und Bedenken in ſein redliches Herz auszuſchuͤtten. Er ſah zu- gleich ſelbſt und mit eignen Augen, wie es hier zugieng, und fuͤhlte ſich daruͤber nicht weniger bekuͤmmert. Als ich ihm aber das Geheimniß meiner vorhabenden Reiſe entdeckte, mißbilligte er das Wagſtuͤck; ſetzte aber ſogleich auch hinzu: „Vertrauen Sie mir Jhre Papiere an; und Al- les, was ſonſt noch zu einer vollſtaͤndigen Ueber-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/68
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/68>, abgerufen am 22.11.2024.