Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

sicht der Verhältnisse des Platzes fehlt, lassen
Sie uns in einem gemeinschaftlichen Aufsatze be-
arbeiten. Jch übernehme es, mich selbst zu Lande
zum Könige zu begeben und mein Möglichstes zu
thun, damit hier bessere Anstalten getroffen wer-
den. Thun und wirken Sie derweilen hier, was
in Jhren Kräften steht. So Gott will, wird es
uns gelingen, dem Könige den Platz zu retten."
-- Jch blieb auf sein Wort, und er reiste ab.

Täglich und stündlich strömten bei uns noch
Versprengte und Selbst-Ranzionirte von unsern
Truppen ein, die theils weiter nach Preussen zo-
gen, theils eine Zuflucht bei uns suchten, um sich
von ihren Strapazen zu erholen oder ihre Wun-
den bei uns auszuheilen. Unter den Letzteren
befand sich auch der Lieutenant v. Schill, vom
Regiment Königinn-Dragoner, der, schwer am
Kopfe verwundet, nicht weiter kommen konnte.
Der Zufall machte uns bald mit einander bekannt.
Er war ein Mann nach meinem Herzen; einfach
und bescheiden, aber von ächtem deutschen Schroot
und Korn; und so braucht' es auch keiner langen
Zeit, daß er mir ein volles Vertrauen abgewann.
Wie konnt' ich ihm aber dieses schenken, ohne
zugleich ihm unsre ganze verzweiflungsvolle Lage
zu schildern, meine Klagen über Loucadou in
sein Herz auszuschütten, und daneben meine
frommen Wünsche über so Manches, was zur
Sicherung und Erhaltung der Festung zu veran-

ſicht der Verhaͤltniſſe des Platzes fehlt, laſſen
Sie uns in einem gemeinſchaftlichen Aufſatze be-
arbeiten. Jch uͤbernehme es, mich ſelbſt zu Lande
zum Koͤnige zu begeben und mein Moͤglichſtes zu
thun, damit hier beſſere Anſtalten getroffen wer-
den. Thun und wirken Sie derweilen hier, was
in Jhren Kraͤften ſteht. So Gott will, wird es
uns gelingen, dem Koͤnige den Platz zu retten.‟
— Jch blieb auf ſein Wort, und er reiste ab.

Taͤglich und ſtuͤndlich ſtroͤmten bei uns noch
Verſprengte und Selbſt-Ranzionirte von unſern
Truppen ein, die theils weiter nach Preuſſen zo-
gen, theils eine Zuflucht bei uns ſuchten, um ſich
von ihren Strapazen zu erholen oder ihre Wun-
den bei uns auszuheilen. Unter den Letzteren
befand ſich auch der Lieutenant v. Schill, vom
Regiment Koͤniginn-Dragoner, der, ſchwer am
Kopfe verwundet, nicht weiter kommen konnte.
Der Zufall machte uns bald mit einander bekannt.
Er war ein Mann nach meinem Herzen; einfach
und beſcheiden, aber von aͤchtem deutſchen Schroot
und Korn; und ſo braucht’ es auch keiner langen
Zeit, daß er mir ein volles Vertrauen abgewann.
Wie konnt’ ich ihm aber dieſes ſchenken, ohne
zugleich ihm unſre ganze verzweiflungsvolle Lage
zu ſchildern, meine Klagen uͤber Loucadou in
ſein Herz auszuſchuͤtten, und daneben meine
frommen Wuͤnſche uͤber ſo Manches, was zur
Sicherung und Erhaltung der Feſtung zu veran-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0069" n="53"/>
&#x017F;icht der Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e des Platzes fehlt, la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Sie uns in einem gemein&#x017F;chaftlichen Auf&#x017F;atze be-<lb/>
arbeiten. Jch u&#x0364;bernehme es, mich &#x017F;elb&#x017F;t zu Lande<lb/>
zum Ko&#x0364;nige zu begeben und mein Mo&#x0364;glich&#x017F;tes zu<lb/>
thun, damit hier be&#x017F;&#x017F;ere An&#x017F;talten getroffen wer-<lb/>
den. Thun und wirken Sie derweilen hier, was<lb/>
in Jhren Kra&#x0364;ften &#x017F;teht. So Gott will, wird es<lb/>
uns gelingen, dem Ko&#x0364;nige den Platz zu retten.&#x201F;<lb/>
&#x2014; Jch blieb auf &#x017F;ein Wort, und er reiste ab.</p><lb/>
        <p>Ta&#x0364;glich und &#x017F;tu&#x0364;ndlich &#x017F;tro&#x0364;mten bei uns noch<lb/>
Ver&#x017F;prengte und Selb&#x017F;t-Ranzionirte von un&#x017F;ern<lb/>
Truppen ein, die theils weiter nach Preu&#x017F;&#x017F;en zo-<lb/>
gen, theils eine Zuflucht bei uns &#x017F;uchten, um &#x017F;ich<lb/>
von ihren Strapazen zu erholen oder ihre Wun-<lb/>
den bei uns auszuheilen. Unter den Letzteren<lb/>
befand &#x017F;ich auch der Lieutenant v. Schill, vom<lb/>
Regiment Ko&#x0364;niginn-Dragoner, der, &#x017F;chwer am<lb/>
Kopfe verwundet, nicht weiter kommen konnte.<lb/>
Der Zufall machte uns bald mit einander bekannt.<lb/>
Er war ein Mann nach meinem Herzen; einfach<lb/>
und be&#x017F;cheiden, aber von a&#x0364;chtem deut&#x017F;chen Schroot<lb/>
und Korn; und &#x017F;o braucht&#x2019; es auch keiner langen<lb/>
Zeit, daß er mir ein volles Vertrauen abgewann.<lb/>
Wie konnt&#x2019; ich ihm aber die&#x017F;es &#x017F;chenken, ohne<lb/>
zugleich ihm un&#x017F;re ganze verzweiflungsvolle Lage<lb/>
zu &#x017F;childern, meine Klagen u&#x0364;ber Loucadou in<lb/>
&#x017F;ein Herz auszu&#x017F;chu&#x0364;tten, und daneben meine<lb/>
frommen Wu&#x0364;n&#x017F;che u&#x0364;ber &#x017F;o Manches, was zur<lb/>
Sicherung und Erhaltung der Fe&#x017F;tung zu veran-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0069] ſicht der Verhaͤltniſſe des Platzes fehlt, laſſen Sie uns in einem gemeinſchaftlichen Aufſatze be- arbeiten. Jch uͤbernehme es, mich ſelbſt zu Lande zum Koͤnige zu begeben und mein Moͤglichſtes zu thun, damit hier beſſere Anſtalten getroffen wer- den. Thun und wirken Sie derweilen hier, was in Jhren Kraͤften ſteht. So Gott will, wird es uns gelingen, dem Koͤnige den Platz zu retten.‟ — Jch blieb auf ſein Wort, und er reiste ab. Taͤglich und ſtuͤndlich ſtroͤmten bei uns noch Verſprengte und Selbſt-Ranzionirte von unſern Truppen ein, die theils weiter nach Preuſſen zo- gen, theils eine Zuflucht bei uns ſuchten, um ſich von ihren Strapazen zu erholen oder ihre Wun- den bei uns auszuheilen. Unter den Letzteren befand ſich auch der Lieutenant v. Schill, vom Regiment Koͤniginn-Dragoner, der, ſchwer am Kopfe verwundet, nicht weiter kommen konnte. Der Zufall machte uns bald mit einander bekannt. Er war ein Mann nach meinem Herzen; einfach und beſcheiden, aber von aͤchtem deutſchen Schroot und Korn; und ſo braucht’ es auch keiner langen Zeit, daß er mir ein volles Vertrauen abgewann. Wie konnt’ ich ihm aber dieſes ſchenken, ohne zugleich ihm unſre ganze verzweiflungsvolle Lage zu ſchildern, meine Klagen uͤber Loucadou in ſein Herz auszuſchuͤtten, und daneben meine frommen Wuͤnſche uͤber ſo Manches, was zur Sicherung und Erhaltung der Feſtung zu veran-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/69
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/69>, abgerufen am 06.05.2024.