am gerathensten seyn werde, mir nichts mit ihm zu schaffen zu machen.
Freilich aber machte mich Alles, was ich rings um mich sehen und hören mußte, stündlich nur noch unruhiger. Nirgends war ein Trieb und Ernst, zu thun, was Zeit, Noth und Um- stände erforderten! Um den Magistrat und seine Anstalten stand es eben so kläglich. Es geschah entweder gar nichts, oder es geschah auf eine ver- kehrte Weise; und wer etwa noch guten und kräf- tigen Willen hatte, ward nicht gehört. Mit Ei- nem Worte: Man ließ es drauf ankommen, was daraus werden wollte; und es war an den Fin- gern abzuzählen, daß unser Untergang das Facit von der heillosen Bethörung seyn würde. Mir blutete das Herz, wenn ich mir unsern Zustand betrachtete; und ich fühlte mich je länger je we- niger dazu gemacht, dies klägliche Schauspiel gelassen mit anzusehen.
Jn Colberg -- das sah ich wohl -- war auf keine Hülfe und keinen Beistand mehr zu hoffen; geholfen aber mußte werden! Jch ent- schloß mich also, in Gottes Namen und der win- terlichen Jahrszeit zum Trotz, unsern guten un- glücklichen, so schlecht bedienten König unmittel- bar selbst in Königsberg, Memel, oder wo ich ihn finden würde, aufzusuchen und ihm Colbergs Lage und Noth vorstellig zu machen. Von dem Kaufmann Höpner miethete ich ein großes Boot, unter dem Vorwande, damit nach der Jnsel
(4*)
am gerathenſten ſeyn werde, mir nichts mit ihm zu ſchaffen zu machen.
Freilich aber machte mich Alles, was ich rings um mich ſehen und hoͤren mußte, ſtuͤndlich nur noch unruhiger. Nirgends war ein Trieb und Ernſt, zu thun, was Zeit, Noth und Um- ſtaͤnde erforderten! Um den Magiſtrat und ſeine Anſtalten ſtand es eben ſo klaͤglich. Es geſchah entweder gar nichts, oder es geſchah auf eine ver- kehrte Weiſe; und wer etwa noch guten und kraͤf- tigen Willen hatte, ward nicht gehoͤrt. Mit Ei- nem Worte: Man ließ es drauf ankommen, was daraus werden wollte; und es war an den Fin- gern abzuzaͤhlen, daß unſer Untergang das Facit von der heilloſen Bethoͤrung ſeyn wuͤrde. Mir blutete das Herz, wenn ich mir unſern Zuſtand betrachtete; und ich fuͤhlte mich je laͤnger je we- niger dazu gemacht, dies klaͤgliche Schauſpiel gelaſſen mit anzuſehen.
Jn Colberg — das ſah ich wohl — war auf keine Huͤlfe und keinen Beiſtand mehr zu hoffen; geholfen aber mußte werden! Jch ent- ſchloß mich alſo, in Gottes Namen und der win- terlichen Jahrszeit zum Trotz, unſern guten un- gluͤcklichen, ſo ſchlecht bedienten Koͤnig unmittel- bar ſelbſt in Koͤnigsberg, Memel, oder wo ich ihn finden wuͤrde, aufzuſuchen und ihm Colbergs Lage und Noth vorſtellig zu machen. Von dem Kaufmann Hoͤpner miethete ich ein großes Boot, unter dem Vorwande, damit nach der Jnſel
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am gerathenſten ſeyn werde, mir nichts mit ihm
zu ſchaffen zu machen.
Freilich aber machte mich Alles, was ich
rings um mich ſehen und hoͤren mußte, ſtuͤndlich
nur noch unruhiger. Nirgends war ein Trieb
und Ernſt, zu thun, was Zeit, Noth und Um-
ſtaͤnde erforderten! Um den Magiſtrat und ſeine
Anſtalten ſtand es eben ſo klaͤglich. Es geſchah
entweder gar nichts, oder es geſchah auf eine ver-
kehrte Weiſe; und wer etwa noch guten und kraͤf-
tigen Willen hatte, ward nicht gehoͤrt. Mit Ei-
nem Worte: Man ließ es drauf ankommen, was
daraus werden wollte; und es war an den Fin-
gern abzuzaͤhlen, daß unſer Untergang das Facit
von der heilloſen Bethoͤrung ſeyn wuͤrde. Mir
blutete das Herz, wenn ich mir unſern Zuſtand
betrachtete; und ich fuͤhlte mich je laͤnger je we-
niger dazu gemacht, dies klaͤgliche Schauſpiel
gelaſſen mit anzuſehen.
Jn Colberg — das ſah ich wohl — war
auf keine Huͤlfe und keinen Beiſtand mehr zu
hoffen; geholfen aber mußte werden! Jch ent-
ſchloß mich alſo, in Gottes Namen und der win-
terlichen Jahrszeit zum Trotz, unſern guten un-
gluͤcklichen, ſo ſchlecht bedienten Koͤnig unmittel-
bar ſelbſt in Koͤnigsberg, Memel, oder wo ich
ihn finden wuͤrde, aufzuſuchen und ihm Colbergs
Lage und Noth vorſtellig zu machen. Von dem
Kaufmann Hoͤpner miethete ich ein großes Boot,
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/67>, abgerufen am 19.07.2024.
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