eigenen Geschäfte wurden mir gleichgültig, und noch gleichgültiger der Gedanke an Erwerb; so daß ich mich fast einen Verschwender hätte nen- nen mögen. Die paar Jahre, die mir noch übrig wären, dachte ich mich wohl so hinzustümpern; und wenn nur noch der Sarg ehrlich bezahlt worden, möchte man mich immer auch hinstecken, wo meine Väter schliefen; -- für den übrigen kleinen Rest würden dann schon lachende Erben sorgen. Ohnehin war mein Häuschen mein größ- ter und beinahe einziger Reichthum; und dieses hatt' ich, um doch noch etwas Gutes für meine Vaterstadt zu stiften, in meinem Testamente dem Seglerhause, dessen Aeltester ich seit dem Jahre 1793 geworden war, zum Eigenthum vermacht; dergestalt, daß oben die Versammlungen des Col- legiums gehalten werden, unten aber eine be- dürftige Kaufmanns-Wittwe lebenslängliche freie Wohnung finden sollte.
Auf solche Weise, indem Jahr an Jahr sich hinzog, war auch der, in seiner Unseligkeit nur zu merkwürdige Zeitpunkt von 1806 herbeigekom- men. Mir, als feurigem Patrioten, der die al- ten Zeiten von unsers großen Friedrichs Thaten noch im Kopfe hatte, blutete, gleich so Vielen, das Herz bei der Zeitung von dem entsetzlichen Tage von Jena und Auerstädt und seinen näch- sten Folgen. Jch hätte kein Preusse und abtrün- nig von König und Vaterland seyn müssen, wenn mir's jetzt, wo alle Unglückswellen über sie zu-
(3 *)
eigenen Geſchaͤfte wurden mir gleichguͤltig, und noch gleichguͤltiger der Gedanke an Erwerb; ſo daß ich mich faſt einen Verſchwender haͤtte nen- nen moͤgen. Die paar Jahre, die mir noch uͤbrig waͤren, dachte ich mich wohl ſo hinzuſtuͤmpern; und wenn nur noch der Sarg ehrlich bezahlt worden, moͤchte man mich immer auch hinſtecken, wo meine Vaͤter ſchliefen; — fuͤr den uͤbrigen kleinen Reſt wuͤrden dann ſchon lachende Erben ſorgen. Ohnehin war mein Haͤuschen mein groͤß- ter und beinahe einziger Reichthum; und dieſes hatt’ ich, um doch noch etwas Gutes fuͤr meine Vaterſtadt zu ſtiften, in meinem Teſtamente dem Seglerhauſe, deſſen Aelteſter ich ſeit dem Jahre 1793 geworden war, zum Eigenthum vermacht; dergeſtalt, daß oben die Verſammlungen des Col- legiums gehalten werden, unten aber eine be- duͤrftige Kaufmanns-Wittwe lebenslaͤngliche freie Wohnung finden ſollte.
Auf ſolche Weiſe, indem Jahr an Jahr ſich hinzog, war auch der, in ſeiner Unſeligkeit nur zu merkwuͤrdige Zeitpunkt von 1806 herbeigekom- men. Mir, als feurigem Patrioten, der die al- ten Zeiten von unſers großen Friedrichs Thaten noch im Kopfe hatte, blutete, gleich ſo Vielen, das Herz bei der Zeitung von dem entſetzlichen Tage von Jena und Auerſtaͤdt und ſeinen naͤch- ſten Folgen. Jch haͤtte kein Preuſſe und abtruͤn- nig von Koͤnig und Vaterland ſeyn muͤſſen, wenn mir’s jetzt, wo alle Ungluͤckswellen uͤber ſie zu-
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eigenen Geſchaͤfte wurden mir gleichguͤltig, und
noch gleichguͤltiger der Gedanke an Erwerb; ſo
daß ich mich faſt einen Verſchwender haͤtte nen-
nen moͤgen. Die paar Jahre, die mir noch uͤbrig
waͤren, dachte ich mich wohl ſo hinzuſtuͤmpern;
und wenn nur noch der Sarg ehrlich bezahlt
worden, moͤchte man mich immer auch hinſtecken,
wo meine Vaͤter ſchliefen; — fuͤr den uͤbrigen
kleinen Reſt wuͤrden dann ſchon lachende Erben
ſorgen. Ohnehin war mein Haͤuschen mein groͤß-
ter und beinahe einziger Reichthum; und dieſes
hatt’ ich, um doch noch etwas Gutes fuͤr meine
Vaterſtadt zu ſtiften, in meinem Teſtamente dem
Seglerhauſe, deſſen Aelteſter ich ſeit dem Jahre
1793 geworden war, zum Eigenthum vermacht;
dergeſtalt, daß oben die Verſammlungen des Col-
legiums gehalten werden, unten aber eine be-
duͤrftige Kaufmanns-Wittwe lebenslaͤngliche freie
Wohnung finden ſollte.
Auf ſolche Weiſe, indem Jahr an Jahr ſich
hinzog, war auch der, in ſeiner Unſeligkeit nur
zu merkwuͤrdige Zeitpunkt von 1806 herbeigekom-
men. Mir, als feurigem Patrioten, der die al-
ten Zeiten von unſers großen Friedrichs Thaten
noch im Kopfe hatte, blutete, gleich ſo Vielen,
das Herz bei der Zeitung von dem entſetzlichen
Tage von Jena und Auerſtaͤdt und ſeinen naͤch-
ſten Folgen. Jch haͤtte kein Preuſſe und abtruͤn-
nig von Koͤnig und Vaterland ſeyn muͤſſen, wenn
mir’s jetzt, wo alle Ungluͤckswellen uͤber ſie zu-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/51>, abgerufen am 16.02.2025.
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