doch betrog mich mein Gesinde, wo es wußt' und konnte. Jch sah, es fehlte am rechten festen Kern im innern Haushalt; und das führte mich endlich auf den Gedanken, es noch einmal im Ehestande zu versuchen. So warf ich denn im Jahre 1799 meine Augen auf eine Schiffers- wittwe in Stettin, die ich von früherer Zeit her als eine ordentliche und rechtliche Frau zu kennen glaubte. Die Verbindung kam auch zu Stande: aber nun erst giengen mir, wiewohl zu spät, die Augen auf. Die fromme Wittwe war, ohne daß ich es wußte, umgeschlagen; hatte gern ihr Räuschchen und hielt es eifrig mit mancherlei an- dern Dingen, die den Ehefrieden nothwendig stö- ren mußten. An ein Zusammenhalten des ehrlich Erworbenen war nun länger nicht zu denken; vielmehr sah ich den unvermeidlichen nahen Un- tergang meines kleinen Wohlstands vor Augen. Es war ein saurer Schritt -- aber was blieb mir anders übrig, als eine abermalige Schei- dung?
Alle diese widrigen Erfahrungen eröffneten mir auf's neue nichts, als trübe Aussichten in die Zukunft. Kaum gehörte ich noch irgend ei- nem Menschen an. Jch war nachgerade ein al- ter Mann geworden; und fühlte ich gleich mein Herz noch frisch und meinen Geist lebendig, so wollten doch die stumpf gewordenen Knochen nicht mehr gut thun. Jch gewann, wenn ich es so nennen darf, einen Ueberdruß am Leben; meine
doch betrog mich mein Geſinde, wo es wußt’ und konnte. Jch ſah, es fehlte am rechten feſten Kern im innern Haushalt; und das fuͤhrte mich endlich auf den Gedanken, es noch einmal im Eheſtande zu verſuchen. So warf ich denn im Jahre 1799 meine Augen auf eine Schiffers- wittwe in Stettin, die ich von fruͤherer Zeit her als eine ordentliche und rechtliche Frau zu kennen glaubte. Die Verbindung kam auch zu Stande: aber nun erſt giengen mir, wiewohl zu ſpaͤt, die Augen auf. Die fromme Wittwe war, ohne daß ich es wußte, umgeſchlagen; hatte gern ihr Raͤuſchchen und hielt es eifrig mit mancherlei an- dern Dingen, die den Ehefrieden nothwendig ſtoͤ- ren mußten. An ein Zuſammenhalten des ehrlich Erworbenen war nun laͤnger nicht zu denken; vielmehr ſah ich den unvermeidlichen nahen Un- tergang meines kleinen Wohlſtands vor Augen. Es war ein ſaurer Schritt — aber was blieb mir anders uͤbrig, als eine abermalige Schei- dung?
Alle dieſe widrigen Erfahrungen eroͤffneten mir auf’s neue nichts, als truͤbe Ausſichten in die Zukunft. Kaum gehoͤrte ich noch irgend ei- nem Menſchen an. Jch war nachgerade ein al- ter Mann geworden; und fuͤhlte ich gleich mein Herz noch friſch und meinen Geiſt lebendig, ſo wollten doch die ſtumpf gewordenen Knochen nicht mehr gut thun. Jch gewann, wenn ich es ſo nennen darf, einen Ueberdruß am Leben; meine
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doch betrog mich mein Geſinde, wo es wußt’
und konnte. Jch ſah, es fehlte am rechten feſten
Kern im innern Haushalt; und das fuͤhrte mich
endlich auf den Gedanken, es noch einmal im
Eheſtande zu verſuchen. So warf ich denn im
Jahre 1799 meine Augen auf eine Schiffers-
wittwe in Stettin, die ich von fruͤherer Zeit her
als eine ordentliche und rechtliche Frau zu kennen
glaubte. Die Verbindung kam auch zu Stande:
aber nun erſt giengen mir, wiewohl zu ſpaͤt, die
Augen auf. Die fromme Wittwe war, ohne daß
ich es wußte, umgeſchlagen; hatte gern ihr
Raͤuſchchen und hielt es eifrig mit mancherlei an-
dern Dingen, die den Ehefrieden nothwendig ſtoͤ-
ren mußten. An ein Zuſammenhalten des ehrlich
Erworbenen war nun laͤnger nicht zu denken;
vielmehr ſah ich den unvermeidlichen nahen Un-
tergang meines kleinen Wohlſtands vor Augen.
Es war ein ſaurer Schritt — aber was blieb
mir anders uͤbrig, als eine abermalige Schei-
dung?
Alle dieſe widrigen Erfahrungen eroͤffneten
mir auf’s neue nichts, als truͤbe Ausſichten in
die Zukunft. Kaum gehoͤrte ich noch irgend ei-
nem Menſchen an. Jch war nachgerade ein al-
ter Mann geworden; und fuͤhlte ich gleich mein
Herz noch friſch und meinen Geiſt lebendig, ſo
wollten doch die ſtumpf gewordenen Knochen nicht
mehr gut thun. Jch gewann, wenn ich es ſo
nennen darf, einen Ueberdruß am Leben; meine
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/50>, abgerufen am 16.02.2025.
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