Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.kann auch das arme Geschöpf für die Sünden Allein auch der bessere Sohn, der mein ein- Jch stand nun einsam und verlassen in der 3. Bändchen. (3)
kann auch das arme Geſchoͤpf fuͤr die Suͤnden Allein auch der beſſere Sohn, der mein ein- Jch ſtand nun einſam und verlaſſen in der 3. Baͤndchen. (3)
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0049" n="33"/> kann auch das arme Geſchoͤpf fuͤr die Suͤnden<lb/> ſeiner Mutter?‟ dachte ich bei mir ſelbſt; und<lb/> ſo macht’ ich auch flugs Anſtalt, ließ das Maͤd-<lb/> chen dort kleiden und ſorgte fuͤr Reiſegeld, um<lb/> ſie nach Colberg kommen zu laſſen und in mein<lb/> Haus aufzunehmen. Leider aber mußt’ ich bald<lb/> bemerken, daß Blut und Gemuͤth der Dirne<lb/> (wie es bei der verwahrloſeten Erziehung auch<lb/> wohl nicht ausbleiben koͤnnen) ſich ganz nach<lb/> muͤtterlicher Weiſe hinneigten. Allein die ſchaͤr-<lb/> fere Zucht, zu der ich dadurch genoͤthigt wurde,<lb/> behagte ihr nicht; ſie entzog ſich heimlich meiner<lb/> Aufſicht, ſchweifte in der Jrre umher, fuͤhrte ein<lb/> unſittliches Leben und bereitete mir viele Jahre<lb/> hindurch ein reiches Maaß von Verdruß und<lb/> Sorge.</p><lb/> <p>Allein auch der beſſere Sohn, der mein ein-<lb/> ziger Troſt war, ſollte mir zuletzt nur Herzeleid<lb/> und Thraͤnen bereiten. Er hatte ſich fuͤr den<lb/> Handelsſtand beſtimmt und im Jahre 1793 ſeine<lb/> Lehrlingszeit in dem Comptoir des Hrn. Kauf-<lb/> mann Pagenkopf zu Stralſund gluͤcklich uͤber-<lb/> ſtanden, und war zu mir heimgekehrt, als eine<lb/> Krankheit ihn uͤberfiel, die ſein junges Leben<lb/> dahinraffte. Meines Lebens Luſt und Freude<lb/> gieng mit ihm zu Grabe!</p><lb/> <p>Jch ſtand nun einſam und verlaſſen in der<lb/> Welt, und wußte nicht, fuͤr wen ich mir’s in<lb/> derſelben noch ſauer werden laſſen ſollte. Zwar<lb/> hatte meine Nahrung leidlichen Fortgang: aber<lb/> <fw place="bottom" type="sig">3. Baͤndchen. (3)</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [33/0049]
kann auch das arme Geſchoͤpf fuͤr die Suͤnden
ſeiner Mutter?‟ dachte ich bei mir ſelbſt; und
ſo macht’ ich auch flugs Anſtalt, ließ das Maͤd-
chen dort kleiden und ſorgte fuͤr Reiſegeld, um
ſie nach Colberg kommen zu laſſen und in mein
Haus aufzunehmen. Leider aber mußt’ ich bald
bemerken, daß Blut und Gemuͤth der Dirne
(wie es bei der verwahrloſeten Erziehung auch
wohl nicht ausbleiben koͤnnen) ſich ganz nach
muͤtterlicher Weiſe hinneigten. Allein die ſchaͤr-
fere Zucht, zu der ich dadurch genoͤthigt wurde,
behagte ihr nicht; ſie entzog ſich heimlich meiner
Aufſicht, ſchweifte in der Jrre umher, fuͤhrte ein
unſittliches Leben und bereitete mir viele Jahre
hindurch ein reiches Maaß von Verdruß und
Sorge.
Allein auch der beſſere Sohn, der mein ein-
ziger Troſt war, ſollte mir zuletzt nur Herzeleid
und Thraͤnen bereiten. Er hatte ſich fuͤr den
Handelsſtand beſtimmt und im Jahre 1793 ſeine
Lehrlingszeit in dem Comptoir des Hrn. Kauf-
mann Pagenkopf zu Stralſund gluͤcklich uͤber-
ſtanden, und war zu mir heimgekehrt, als eine
Krankheit ihn uͤberfiel, die ſein junges Leben
dahinraffte. Meines Lebens Luſt und Freude
gieng mit ihm zu Grabe!
Jch ſtand nun einſam und verlaſſen in der
Welt, und wußte nicht, fuͤr wen ich mir’s in
derſelben noch ſauer werden laſſen ſollte. Zwar
hatte meine Nahrung leidlichen Fortgang: aber
3. Baͤndchen. (3)
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