Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

delt haben, und daß jetzt hoffentlich so etwas in
meiner lieben Vaterstadt nicht wieder vorfallen
könnte.

Neben meinen häuslichen und Berufsgeschäf-
ten machte ich mir aber von Zeit zu Zeit auch
noch andre Sorgen, die ich mir wohl hätte spa-
ren können, wenn ich sie nicht als meine Spiel-
puppe betrachtet hätte, und um die ich mich zu
andrer Zeit selbst auslachte. Man wird sich aus
meinem früheren Seeleben erinnern, daß zu An-
fange des Jahres 1773 unser Sklavenschiff, ei-
nes empfangenen Lecks wegen, genöthigt gewesen,
in den Fluß Kormantin, zwischen Surinam und
Berbice, einzulaufen, und wie ich damals dort
eine ungemein fruchtbare, aber noch von keiner
europäischen Macht in Besitz genommene Land-
schaft vorgefunden.*) Flugs wirbelte mir auch
dieser letztere Umstand im Kopfe herum: der preu-
ßische Patriotismus ward in mir lebendig, und
ich sann und sann, warum denn nicht mein Kö-
nig hier eben so gut, als England und Frank-
reich, seine Kolonie haben und Zucker, Kaffee und
andre Kolonialwaaren eben, wie Jene, anbauen
lassen sollte? Je länger ich mir das Project an-
sah, desto mehr verliebte ich mich drein; und zu-
gleich meynte ich, daß ich selbst, in meiner Ein-
falt, wohl der Mann dazu seyn könnte, Herz
und Hand zur Ausführung dranstrecken zu helfen.

*) Vergl. Bd. II. S. 107 ff.

delt haben, und daß jetzt hoffentlich ſo etwas in
meiner lieben Vaterſtadt nicht wieder vorfallen
koͤnnte.

Neben meinen haͤuslichen und Berufsgeſchaͤf-
ten machte ich mir aber von Zeit zu Zeit auch
noch andre Sorgen, die ich mir wohl haͤtte ſpa-
ren koͤnnen, wenn ich ſie nicht als meine Spiel-
puppe betrachtet haͤtte, und um die ich mich zu
andrer Zeit ſelbſt auslachte. Man wird ſich aus
meinem fruͤheren Seeleben erinnern, daß zu An-
fange des Jahres 1773 unſer Sklavenſchiff, ei-
nes empfangenen Lecks wegen, genoͤthigt geweſen,
in den Fluß Kormantin, zwiſchen Surinam und
Berbice, einzulaufen, und wie ich damals dort
eine ungemein fruchtbare, aber noch von keiner
europaͤiſchen Macht in Beſitz genommene Land-
ſchaft vorgefunden.*) Flugs wirbelte mir auch
dieſer letztere Umſtand im Kopfe herum: der preu-
ßiſche Patriotismus ward in mir lebendig, und
ich ſann und ſann, warum denn nicht mein Koͤ-
nig hier eben ſo gut, als England und Frank-
reich, ſeine Kolonie haben und Zucker, Kaffee und
andre Kolonialwaaren eben, wie Jene, anbauen
laſſen ſollte? Je laͤnger ich mir das Project an-
ſah, deſto mehr verliebte ich mich drein; und zu-
gleich meynte ich, daß ich ſelbſt, in meiner Ein-
falt, wohl der Mann dazu ſeyn koͤnnte, Herz
und Hand zur Ausfuͤhrung dranſtrecken zu helfen.

*) Vergl. Bd. II. S. 107 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0036" n="20"/>
delt haben, und daß jetzt hoffentlich &#x017F;o etwas in<lb/>
meiner lieben Vater&#x017F;tadt nicht wieder vorfallen<lb/>
ko&#x0364;nnte.</p><lb/>
        <p>Neben meinen ha&#x0364;uslichen und Berufsge&#x017F;cha&#x0364;f-<lb/>
ten machte ich mir aber von Zeit zu Zeit auch<lb/>
noch andre Sorgen, die ich mir wohl ha&#x0364;tte &#x017F;pa-<lb/>
ren ko&#x0364;nnen, wenn ich &#x017F;ie nicht als meine Spiel-<lb/>
puppe betrachtet ha&#x0364;tte, und um die ich mich zu<lb/>
andrer Zeit &#x017F;elb&#x017F;t auslachte. Man wird &#x017F;ich aus<lb/>
meinem fru&#x0364;heren Seeleben erinnern, daß zu An-<lb/>
fange des Jahres 1773 un&#x017F;er Sklaven&#x017F;chiff, ei-<lb/>
nes empfangenen Lecks wegen, geno&#x0364;thigt gewe&#x017F;en,<lb/>
in den Fluß Kormantin, zwi&#x017F;chen Surinam und<lb/>
Berbice, einzulaufen, und wie ich damals dort<lb/>
eine ungemein fruchtbare, aber noch von keiner<lb/>
europa&#x0364;i&#x017F;chen Macht in Be&#x017F;itz genommene Land-<lb/>
&#x017F;chaft vorgefunden.<note place="foot" n="*)">Vergl. Bd. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 107 ff.</note> Flugs wirbelte mir auch<lb/>
die&#x017F;er letztere Um&#x017F;tand im Kopfe herum: der preu-<lb/>
ßi&#x017F;che Patriotismus ward in mir lebendig, und<lb/>
ich &#x017F;ann und &#x017F;ann, warum denn nicht <hi rendition="#g">mein</hi> Ko&#x0364;-<lb/>
nig hier eben &#x017F;o gut, als England und Frank-<lb/>
reich, &#x017F;eine Kolonie haben und Zucker, Kaffee und<lb/>
andre Kolonialwaaren eben, wie Jene, anbauen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollte? Je la&#x0364;nger ich mir das Project an-<lb/>
&#x017F;ah, de&#x017F;to mehr verliebte ich mich drein; und zu-<lb/>
gleich meynte ich, daß ich &#x017F;elb&#x017F;t, in meiner Ein-<lb/>
falt, wohl der Mann dazu &#x017F;eyn ko&#x0364;nnte, Herz<lb/>
und Hand zur Ausfu&#x0364;hrung dran&#x017F;trecken zu helfen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0036] delt haben, und daß jetzt hoffentlich ſo etwas in meiner lieben Vaterſtadt nicht wieder vorfallen koͤnnte. Neben meinen haͤuslichen und Berufsgeſchaͤf- ten machte ich mir aber von Zeit zu Zeit auch noch andre Sorgen, die ich mir wohl haͤtte ſpa- ren koͤnnen, wenn ich ſie nicht als meine Spiel- puppe betrachtet haͤtte, und um die ich mich zu andrer Zeit ſelbſt auslachte. Man wird ſich aus meinem fruͤheren Seeleben erinnern, daß zu An- fange des Jahres 1773 unſer Sklavenſchiff, ei- nes empfangenen Lecks wegen, genoͤthigt geweſen, in den Fluß Kormantin, zwiſchen Surinam und Berbice, einzulaufen, und wie ich damals dort eine ungemein fruchtbare, aber noch von keiner europaͤiſchen Macht in Beſitz genommene Land- ſchaft vorgefunden. *) Flugs wirbelte mir auch dieſer letztere Umſtand im Kopfe herum: der preu- ßiſche Patriotismus ward in mir lebendig, und ich ſann und ſann, warum denn nicht mein Koͤ- nig hier eben ſo gut, als England und Frank- reich, ſeine Kolonie haben und Zucker, Kaffee und andre Kolonialwaaren eben, wie Jene, anbauen laſſen ſollte? Je laͤnger ich mir das Project an- ſah, deſto mehr verliebte ich mich drein; und zu- gleich meynte ich, daß ich ſelbſt, in meiner Ein- falt, wohl der Mann dazu ſeyn koͤnnte, Herz und Hand zur Ausfuͤhrung dranſtrecken zu helfen. *) Vergl. Bd. II. S. 107 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/36
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/36>, abgerufen am 08.10.2024.