Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

auch das Ufer gewann. Wäre der Zug des Ge-
wässers nicht gehemmt und mir, in meiner ge-
fährlichen Schwebe, nicht schnelle Hülfe geleistet
worden, so trieb Alles mit mir unausbleiblich
durch die Schleuse und unter den Mühlrädern
weg, die beide nur etwa 30 Schritte von dem
Stege entfernt waren.

Nun stand Alles, was in der Mühle war,
um mich her, und fragte, wie ich so unsinnig habe
seyn können, mich und mein Leben mit einem
solchen Zweigespann auf zwei elende Balken zu
wagen? Da war nun wenig drauf zu antworten,
als daß ich, durch das Schneetreiben am Sehen
verhindert und mich auf meinen Führer verlassend,
die Gefahr nicht eher inne geworden, bevor ich
mitten drinne gesteckt. Hintendrein, bei ruhige-
rem Nachdenken, habe ich aber nur zuviel Grund
zu dem Argwohn gefunden, daß der heillose
Bube mich wohl absichtlich dahin gelockt haben
könne, um mir mit guter Manier das Garaus
zu machen: denn wenige Tage später entlief er
aus meinem Dienste; und es fand sich, daß er
mich auf eine bedeutende Weise bestohlen hatte.

Zu einer andern Zeit saß ich, in voller Ge-
müthsruhe, daheim vor meinem Rasir-Spiegel, mit
dem Messer in der Hand, als der Kämmerei-
diener, ein aufgeblasener wüster Mensch, zu mir
eintrat und mit lallender Zunge etwas daherstot-
terte, was ich nicht begriff und verstand, was
aber wohl ein obrigkeitlicher Auftrag an mich seyn

auch das Ufer gewann. Waͤre der Zug des Ge-
waͤſſers nicht gehemmt und mir, in meiner ge-
faͤhrlichen Schwebe, nicht ſchnelle Huͤlfe geleiſtet
worden, ſo trieb Alles mit mir unausbleiblich
durch die Schleuſe und unter den Muͤhlraͤdern
weg, die beide nur etwa 30 Schritte von dem
Stege entfernt waren.

Nun ſtand Alles, was in der Muͤhle war,
um mich her, und fragte, wie ich ſo unſinnig habe
ſeyn koͤnnen, mich und mein Leben mit einem
ſolchen Zweigeſpann auf zwei elende Balken zu
wagen? Da war nun wenig drauf zu antworten,
als daß ich, durch das Schneetreiben am Sehen
verhindert und mich auf meinen Fuͤhrer verlaſſend,
die Gefahr nicht eher inne geworden, bevor ich
mitten drinne geſteckt. Hintendrein, bei ruhige-
rem Nachdenken, habe ich aber nur zuviel Grund
zu dem Argwohn gefunden, daß der heilloſe
Bube mich wohl abſichtlich dahin gelockt haben
koͤnne, um mir mit guter Manier das Garaus
zu machen: denn wenige Tage ſpaͤter entlief er
aus meinem Dienſte; und es fand ſich, daß er
mich auf eine bedeutende Weiſe beſtohlen hatte.

Zu einer andern Zeit ſaß ich, in voller Ge-
muͤthsruhe, daheim vor meinem Raſir-Spiegel, mit
dem Meſſer in der Hand, als der Kaͤmmerei-
diener, ein aufgeblaſener wuͤſter Menſch, zu mir
eintrat und mit lallender Zunge etwas daherſtot-
terte, was ich nicht begriff und verſtand, was
aber wohl ein obrigkeitlicher Auftrag an mich ſeyn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="8"/>
auch das Ufer gewann. Wa&#x0364;re der Zug des Ge-<lb/>
wa&#x0364;&#x017F;&#x017F;ers nicht gehemmt und mir, in meiner ge-<lb/>
fa&#x0364;hrlichen Schwebe, nicht &#x017F;chnelle Hu&#x0364;lfe gelei&#x017F;tet<lb/>
worden, &#x017F;o trieb Alles mit mir unausbleiblich<lb/>
durch die Schleu&#x017F;e und unter den Mu&#x0364;hlra&#x0364;dern<lb/>
weg, die beide nur etwa 30 Schritte von dem<lb/>
Stege entfernt waren.</p><lb/>
        <p>Nun &#x017F;tand Alles, was in der Mu&#x0364;hle war,<lb/>
um mich her, und fragte, wie ich &#x017F;o un&#x017F;innig habe<lb/>
&#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, mich und mein Leben mit einem<lb/>
&#x017F;olchen Zweige&#x017F;pann auf zwei elende Balken zu<lb/>
wagen? Da war nun wenig drauf zu antworten,<lb/>
als daß ich, durch das Schneetreiben am Sehen<lb/>
verhindert und mich auf meinen Fu&#x0364;hrer verla&#x017F;&#x017F;end,<lb/>
die Gefahr nicht eher inne geworden, bevor ich<lb/>
mitten drinne ge&#x017F;teckt. Hintendrein, bei ruhige-<lb/>
rem Nachdenken, habe ich aber nur zuviel Grund<lb/>
zu dem Argwohn gefunden, daß der heillo&#x017F;e<lb/>
Bube mich wohl ab&#x017F;ichtlich dahin gelockt haben<lb/>
ko&#x0364;nne, um mir mit guter Manier das Garaus<lb/>
zu machen: denn wenige Tage &#x017F;pa&#x0364;ter entlief er<lb/>
aus meinem Dien&#x017F;te; und es fand &#x017F;ich, daß er<lb/>
mich auf eine bedeutende Wei&#x017F;e be&#x017F;tohlen hatte.</p><lb/>
        <p>Zu einer andern Zeit &#x017F;aß ich, in voller Ge-<lb/>
mu&#x0364;thsruhe, daheim vor meinem Ra&#x017F;ir-Spiegel, mit<lb/>
dem Me&#x017F;&#x017F;er in der Hand, als der Ka&#x0364;mmerei-<lb/>
diener, ein aufgebla&#x017F;ener wu&#x0364;&#x017F;ter Men&#x017F;ch, zu mir<lb/>
eintrat und mit lallender Zunge etwas daher&#x017F;tot-<lb/>
terte, was ich nicht begriff und ver&#x017F;tand, was<lb/>
aber wohl ein obrigkeitlicher Auftrag an mich &#x017F;eyn<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0024] auch das Ufer gewann. Waͤre der Zug des Ge- waͤſſers nicht gehemmt und mir, in meiner ge- faͤhrlichen Schwebe, nicht ſchnelle Huͤlfe geleiſtet worden, ſo trieb Alles mit mir unausbleiblich durch die Schleuſe und unter den Muͤhlraͤdern weg, die beide nur etwa 30 Schritte von dem Stege entfernt waren. Nun ſtand Alles, was in der Muͤhle war, um mich her, und fragte, wie ich ſo unſinnig habe ſeyn koͤnnen, mich und mein Leben mit einem ſolchen Zweigeſpann auf zwei elende Balken zu wagen? Da war nun wenig drauf zu antworten, als daß ich, durch das Schneetreiben am Sehen verhindert und mich auf meinen Fuͤhrer verlaſſend, die Gefahr nicht eher inne geworden, bevor ich mitten drinne geſteckt. Hintendrein, bei ruhige- rem Nachdenken, habe ich aber nur zuviel Grund zu dem Argwohn gefunden, daß der heilloſe Bube mich wohl abſichtlich dahin gelockt haben koͤnne, um mir mit guter Manier das Garaus zu machen: denn wenige Tage ſpaͤter entlief er aus meinem Dienſte; und es fand ſich, daß er mich auf eine bedeutende Weiſe beſtohlen hatte. Zu einer andern Zeit ſaß ich, in voller Ge- muͤthsruhe, daheim vor meinem Raſir-Spiegel, mit dem Meſſer in der Hand, als der Kaͤmmerei- diener, ein aufgeblaſener wuͤſter Menſch, zu mir eintrat und mit lallender Zunge etwas daherſtot- terte, was ich nicht begriff und verſtand, was aber wohl ein obrigkeitlicher Auftrag an mich ſeyn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/24
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/24>, abgerufen am 19.04.2024.