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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

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sollte. Jndem ich ihn verwundert und schweigend
darauf ansah, aber sofort spürte, daß er sich ei-
nen derben Rausch getrunken, mocht' er sich durch
diesen meinen prüfenden Blick, oder was es sonst
war, beleidigt fühlen, und stieß einige Grobhei-
ten gegen mich aus, die ich, in gelassener Kürze,
dadurch erwiederte, daß ich mein Rasir-Messer bei
Seite legte, die Zimmerthüre öffnete und meinen
torkelnden Urian bat, sich beliebigst hinauszu-
trollen. Dem aber schwoll der Kamm noch mehr;
es kam zu unnützen Redensarten; und da ich da-
mals noch in meinem Thun und Lassen ziemlich
kurz angebunden zu seyn pflegte, so macht' ich
auch hier nicht viel Federlesens, sondern packte
ihn, mit derber Seemannsfaust, am Kragen und
schob ihn, bei seinem Sträuben, etwas unsäu-
berlich auf die Gasse hinaus. Mag auch wohl
seyn, daß er dabei (: denn mit dem Piedestal war's
ohnehin unrichtig:) auf die Pflastersteine zu liegen
kam und sich den Mund blutig fiel; während ich,
mir nichts dir nichts, an mein unterbrochenes
Geschäft zurückkehrte.

Nun aber war auch sofort Feuer im Dache.
Jch hatte einen ganzen wohledlen Magistrat in
seinem, an mich geschickten Diener beleidigt; und
eine solche Ungebührlichkeit sollte und konnte nicht
ungeahndet bleiben! Mochte ich vielleicht ohne-
dem schon nicht wohl angeschrieben stehen; so war
dies nun ein neuer Frevel, wo die ganze obrig-
keitliche Autorität mit in's Spiel zu kommen

ſollte. Jndem ich ihn verwundert und ſchweigend
darauf anſah, aber ſofort ſpuͤrte, daß er ſich ei-
nen derben Rauſch getrunken, mocht’ er ſich durch
dieſen meinen pruͤfenden Blick, oder was es ſonſt
war, beleidigt fuͤhlen, und ſtieß einige Grobhei-
ten gegen mich aus, die ich, in gelaſſener Kuͤrze,
dadurch erwiederte, daß ich mein Raſir-Meſſer bei
Seite legte, die Zimmerthuͤre oͤffnete und meinen
torkelnden Urian bat, ſich beliebigſt hinauszu-
trollen. Dem aber ſchwoll der Kamm noch mehr;
es kam zu unnuͤtzen Redensarten; und da ich da-
mals noch in meinem Thun und Laſſen ziemlich
kurz angebunden zu ſeyn pflegte, ſo macht’ ich
auch hier nicht viel Federleſens, ſondern packte
ihn, mit derber Seemannsfauſt, am Kragen und
ſchob ihn, bei ſeinem Straͤuben, etwas unſaͤu-
berlich auf die Gaſſe hinaus. Mag auch wohl
ſeyn, daß er dabei (: denn mit dem Piedeſtal war’s
ohnehin unrichtig:) auf die Pflaſterſteine zu liegen
kam und ſich den Mund blutig fiel; waͤhrend ich,
mir nichts dir nichts, an mein unterbrochenes
Geſchaͤft zuruͤckkehrte.

Nun aber war auch ſofort Feuer im Dache.
Jch hatte einen ganzen wohledlen Magiſtrat in
ſeinem, an mich geſchickten Diener beleidigt; und
eine ſolche Ungebuͤhrlichkeit ſollte und konnte nicht
ungeahndet bleiben! Mochte ich vielleicht ohne-
dem ſchon nicht wohl angeſchrieben ſtehen; ſo war
dies nun ein neuer Frevel, wo die ganze obrig-
keitliche Autoritaͤt mit in’s Spiel zu kommen

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[9/0025] ſollte. Jndem ich ihn verwundert und ſchweigend darauf anſah, aber ſofort ſpuͤrte, daß er ſich ei- nen derben Rauſch getrunken, mocht’ er ſich durch dieſen meinen pruͤfenden Blick, oder was es ſonſt war, beleidigt fuͤhlen, und ſtieß einige Grobhei- ten gegen mich aus, die ich, in gelaſſener Kuͤrze, dadurch erwiederte, daß ich mein Raſir-Meſſer bei Seite legte, die Zimmerthuͤre oͤffnete und meinen torkelnden Urian bat, ſich beliebigſt hinauszu- trollen. Dem aber ſchwoll der Kamm noch mehr; es kam zu unnuͤtzen Redensarten; und da ich da- mals noch in meinem Thun und Laſſen ziemlich kurz angebunden zu ſeyn pflegte, ſo macht’ ich auch hier nicht viel Federleſens, ſondern packte ihn, mit derber Seemannsfauſt, am Kragen und ſchob ihn, bei ſeinem Straͤuben, etwas unſaͤu- berlich auf die Gaſſe hinaus. Mag auch wohl ſeyn, daß er dabei (: denn mit dem Piedeſtal war’s ohnehin unrichtig:) auf die Pflaſterſteine zu liegen kam und ſich den Mund blutig fiel; waͤhrend ich, mir nichts dir nichts, an mein unterbrochenes Geſchaͤft zuruͤckkehrte. Nun aber war auch ſofort Feuer im Dache. Jch hatte einen ganzen wohledlen Magiſtrat in ſeinem, an mich geſchickten Diener beleidigt; und eine ſolche Ungebuͤhrlichkeit ſollte und konnte nicht ungeahndet bleiben! Mochte ich vielleicht ohne- dem ſchon nicht wohl angeſchrieben ſtehen; ſo war dies nun ein neuer Frevel, wo die ganze obrig- keitliche Autoritaͤt mit in’s Spiel zu kommen

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/25>, abgerufen am 29.03.2024.