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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

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Absehen nach, nunmehr mit Welt und Leben so
ziemlich abgeschlossen; und ich dürfte hier wohl
die Feder niederlegen, wenn ich nicht noch ein
paar Schwachheiten zu beichten hätte, die mich
noch in so späten Jahren versucht haben, mich
dennoch mit Welt und Leben wieder zu be-
mengen.

Was für ein sonderbares Ding es um das
Projectmachen sey, das hab' ich im lebendigen
Beispiel an mir selbst erfahren. Der freundliche
Leser erinnert sich ohne Zweifel noch, was für
ein feines Plänchen zu einer Preussischen Colonie
am Kormantin ich schon seit den Siebenziger
Jahren auf dem Herzen trug; und wie ich, nach
unsers großen Friedrichs Tode, einen neuen herz-
haften, aber vergeblichen Anlauf nahm, denselben
zur Wirklichkeit zu bringen. Seitdem hatt' ich
nun noch von englischen Seeleuten hier im Ha-
fen wiederholt vernommen, daß ihre Landsleute
längst zugegriffen und jene wüsten Landstriche mit
Glück angebaut hätten. Wer sollte nun nicht
gemeynt haben, daß endlich jeder Gedanke sol-
cher Art aus meinem Hirne gewichen sey? Jch
glaubte es selbst, und schalt mich oft einen Thoren,
daß ich so etwas hatte träumen können.

Allein das bunte Traumbild war nicht ent-
wichen, sondern hatte sich nur in den dunkelsten
Hintergrund meiner Gehirnkammern, bis auf ge-
legnere Zeit, zurückgeschoben. Wunderbare Din-
ge waren, vom Jahr 1812 an, vor den Augen

Abſehen nach, nunmehr mit Welt und Leben ſo
ziemlich abgeſchloſſen; und ich duͤrfte hier wohl
die Feder niederlegen, wenn ich nicht noch ein
paar Schwachheiten zu beichten haͤtte, die mich
noch in ſo ſpaͤten Jahren verſucht haben, mich
dennoch mit Welt und Leben wieder zu be-
mengen.

Was fuͤr ein ſonderbares Ding es um das
Projectmachen ſey, das hab’ ich im lebendigen
Beiſpiel an mir ſelbſt erfahren. Der freundliche
Leſer erinnert ſich ohne Zweifel noch, was fuͤr
ein feines Plaͤnchen zu einer Preuſſiſchen Colonie
am Kormantin ich ſchon ſeit den Siebenziger
Jahren auf dem Herzen trug; und wie ich, nach
unſers großen Friedrichs Tode, einen neuen herz-
haften, aber vergeblichen Anlauf nahm, denſelben
zur Wirklichkeit zu bringen. Seitdem hatt’ ich
nun noch von engliſchen Seeleuten hier im Ha-
fen wiederholt vernommen, daß ihre Landsleute
laͤngſt zugegriffen und jene wuͤſten Landſtriche mit
Gluͤck angebaut haͤtten. Wer ſollte nun nicht
gemeynt haben, daß endlich jeder Gedanke ſol-
cher Art aus meinem Hirne gewichen ſey? Jch
glaubte es ſelbſt, und ſchalt mich oft einen Thoren,
daß ich ſo etwas hatte traͤumen koͤnnen.

Allein das bunte Traumbild war nicht ent-
wichen, ſondern hatte ſich nur in den dunkelſten
Hintergrund meiner Gehirnkammern, bis auf ge-
legnere Zeit, zuruͤckgeſchoben. Wunderbare Din-
ge waren, vom Jahr 1812 an, vor den Augen

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[215/0231] Abſehen nach, nunmehr mit Welt und Leben ſo ziemlich abgeſchloſſen; und ich duͤrfte hier wohl die Feder niederlegen, wenn ich nicht noch ein paar Schwachheiten zu beichten haͤtte, die mich noch in ſo ſpaͤten Jahren verſucht haben, mich dennoch mit Welt und Leben wieder zu be- mengen. Was fuͤr ein ſonderbares Ding es um das Projectmachen ſey, das hab’ ich im lebendigen Beiſpiel an mir ſelbſt erfahren. Der freundliche Leſer erinnert ſich ohne Zweifel noch, was fuͤr ein feines Plaͤnchen zu einer Preuſſiſchen Colonie am Kormantin ich ſchon ſeit den Siebenziger Jahren auf dem Herzen trug; und wie ich, nach unſers großen Friedrichs Tode, einen neuen herz- haften, aber vergeblichen Anlauf nahm, denſelben zur Wirklichkeit zu bringen. Seitdem hatt’ ich nun noch von engliſchen Seeleuten hier im Ha- fen wiederholt vernommen, daß ihre Landsleute laͤngſt zugegriffen und jene wuͤſten Landſtriche mit Gluͤck angebaut haͤtten. Wer ſollte nun nicht gemeynt haben, daß endlich jeder Gedanke ſol- cher Art aus meinem Hirne gewichen ſey? Jch glaubte es ſelbſt, und ſchalt mich oft einen Thoren, daß ich ſo etwas hatte traͤumen koͤnnen. Allein das bunte Traumbild war nicht ent- wichen, ſondern hatte ſich nur in den dunkelſten Hintergrund meiner Gehirnkammern, bis auf ge- legnere Zeit, zuruͤckgeſchoben. Wunderbare Din- ge waren, vom Jahr 1812 an, vor den Augen

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/231>, abgerufen am 30.04.2024.