So begann denn meine häusliche Lage in Wahr- heit bedenklich zu werden.
Gleich nach geendigter Belagerung hatte der edle Gneisenau, der um die mancherlei Einbußen wußte, denen ich während derselben ausgesetzt ge- wesen, sich gegen mich erboten, mir zur Schad- loshaltung eine Königl. Pension zu erwirken. Mein Ehrgefühl lehnte sich dagegen auf; und mit thränenden Augen bat ich ihn, von diesem Ge- danken abzustehen: denn damals waren meine Umstände noch immer leidlich, und ich hatte Nie- mand zu versorgen. Gegenwärtig aber, wo mei- ner Lebenslast noch zehn Jahre mehr zugewach- sen waren, standen meine Sachen um Vieles an- ders; die einst so laute Stimme in meinem Her- zen mußte verstummen, und ich erkannte es, mit dankbarer Rührung, als die Huld meines guten und gnädigen Königs hier in's Mittel trat und mir ein jährliches Gnadengehalt von 200 Thalern aussetzte, wovon, auch nach meinem Tode, die Hälfte auf meine Wittwe übergehen wird. Nicht minder ward meiner kleinen Tochter zu ihrer Er- ziehung eine Stelle in dem Louisen-Stifte zu- gesichert, oder, nach meinem und der Mutter bestem Befinden, eine Novizen-Stelle in dem hiesigen Jungfern-Stifte vorbehalten. Gottlob! Nun werden meine Lieben nicht ganz verlassen seyn, und ich werde mein Haupt ruhig nieder- legen!
Solchergestalt hätte ich, allem menschlichen
So begann denn meine haͤusliche Lage in Wahr- heit bedenklich zu werden.
Gleich nach geendigter Belagerung hatte der edle Gneiſenau, der um die mancherlei Einbußen wußte, denen ich waͤhrend derſelben ausgeſetzt ge- weſen, ſich gegen mich erboten, mir zur Schad- loshaltung eine Koͤnigl. Penſion zu erwirken. Mein Ehrgefuͤhl lehnte ſich dagegen auf; und mit thraͤnenden Augen bat ich ihn, von dieſem Ge- danken abzuſtehen: denn damals waren meine Umſtaͤnde noch immer leidlich, und ich hatte Nie- mand zu verſorgen. Gegenwaͤrtig aber, wo mei- ner Lebenslaſt noch zehn Jahre mehr zugewach- ſen waren, ſtanden meine Sachen um Vieles an- ders; die einſt ſo laute Stimme in meinem Her- zen mußte verſtummen, und ich erkannte es, mit dankbarer Ruͤhrung, als die Huld meines guten und gnaͤdigen Koͤnigs hier in’s Mittel trat und mir ein jaͤhrliches Gnadengehalt von 200 Thalern ausſetzte, wovon, auch nach meinem Tode, die Haͤlfte auf meine Wittwe uͤbergehen wird. Nicht minder ward meiner kleinen Tochter zu ihrer Er- ziehung eine Stelle in dem Louiſen-Stifte zu- geſichert, oder, nach meinem und der Mutter beſtem Befinden, eine Novizen-Stelle in dem hieſigen Jungfern-Stifte vorbehalten. Gottlob! Nun werden meine Lieben nicht ganz verlaſſen ſeyn, und ich werde mein Haupt ruhig nieder- legen!
Solchergeſtalt haͤtte ich, allem menſchlichen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0230"n="214"/>
So begann denn meine haͤusliche Lage in Wahr-<lb/>
heit bedenklich zu werden.</p><lb/><p>Gleich nach geendigter Belagerung hatte der<lb/>
edle Gneiſenau, der um die mancherlei Einbußen<lb/>
wußte, denen ich waͤhrend derſelben ausgeſetzt ge-<lb/>
weſen, ſich gegen mich erboten, mir zur Schad-<lb/>
loshaltung eine Koͤnigl. Penſion zu erwirken.<lb/>
Mein Ehrgefuͤhl lehnte ſich dagegen auf; und mit<lb/>
thraͤnenden Augen bat ich ihn, von dieſem Ge-<lb/>
danken abzuſtehen: denn damals waren meine<lb/>
Umſtaͤnde noch immer leidlich, und ich hatte Nie-<lb/>
mand zu verſorgen. Gegenwaͤrtig aber, wo mei-<lb/>
ner Lebenslaſt noch zehn Jahre mehr zugewach-<lb/>ſen waren, ſtanden meine Sachen um Vieles an-<lb/>
ders; die einſt ſo laute Stimme in meinem Her-<lb/>
zen mußte verſtummen, und ich erkannte es, mit<lb/>
dankbarer Ruͤhrung, als die Huld meines guten<lb/>
und gnaͤdigen Koͤnigs hier in’s Mittel trat und<lb/>
mir ein jaͤhrliches Gnadengehalt von 200 Thalern<lb/>
ausſetzte, wovon, auch nach meinem Tode, die<lb/>
Haͤlfte auf meine Wittwe uͤbergehen wird. Nicht<lb/>
minder ward meiner kleinen Tochter zu ihrer Er-<lb/>
ziehung eine Stelle in dem Louiſen-Stifte zu-<lb/>
geſichert, oder, nach meinem und der Mutter<lb/>
beſtem Befinden, eine Novizen-Stelle in dem<lb/>
hieſigen Jungfern-Stifte vorbehalten. Gottlob!<lb/>
Nun werden meine Lieben nicht ganz verlaſſen<lb/>ſeyn, und ich werde mein Haupt ruhig nieder-<lb/>
legen!</p><lb/><p>Solchergeſtalt haͤtte ich, allem menſchlichen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[214/0230]
So begann denn meine haͤusliche Lage in Wahr-
heit bedenklich zu werden.
Gleich nach geendigter Belagerung hatte der
edle Gneiſenau, der um die mancherlei Einbußen
wußte, denen ich waͤhrend derſelben ausgeſetzt ge-
weſen, ſich gegen mich erboten, mir zur Schad-
loshaltung eine Koͤnigl. Penſion zu erwirken.
Mein Ehrgefuͤhl lehnte ſich dagegen auf; und mit
thraͤnenden Augen bat ich ihn, von dieſem Ge-
danken abzuſtehen: denn damals waren meine
Umſtaͤnde noch immer leidlich, und ich hatte Nie-
mand zu verſorgen. Gegenwaͤrtig aber, wo mei-
ner Lebenslaſt noch zehn Jahre mehr zugewach-
ſen waren, ſtanden meine Sachen um Vieles an-
ders; die einſt ſo laute Stimme in meinem Her-
zen mußte verſtummen, und ich erkannte es, mit
dankbarer Ruͤhrung, als die Huld meines guten
und gnaͤdigen Koͤnigs hier in’s Mittel trat und
mir ein jaͤhrliches Gnadengehalt von 200 Thalern
ausſetzte, wovon, auch nach meinem Tode, die
Haͤlfte auf meine Wittwe uͤbergehen wird. Nicht
minder ward meiner kleinen Tochter zu ihrer Er-
ziehung eine Stelle in dem Louiſen-Stifte zu-
geſichert, oder, nach meinem und der Mutter
beſtem Befinden, eine Novizen-Stelle in dem
hieſigen Jungfern-Stifte vorbehalten. Gottlob!
Nun werden meine Lieben nicht ganz verlaſſen
ſeyn, und ich werde mein Haupt ruhig nieder-
legen!
Solchergeſtalt haͤtte ich, allem menſchlichen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/230>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.