nehmlich und kindisch würde? -- Mir grausete, wenn ich auf diese Weise in die Zukunft blickte! Meine Freunde, denen ich aus diesen Betrachtun- gen kein Geheimniß machte, riethen mir lachend, aber bald auch im guten und wohlgemeynten Ernste, zuversichtlich noch einmal in den Glücks- topf des Ehestandes zu greifen. Jch hingegen schüttelte mächtig den Kopf; -- Ein Bräutigam mit Dreivierteln eines Seculums auf dem Na- cken! Ueberdem: wer, der, wie ich, bereits zwei so böse Nieten aus jenem Topfe gezogen, hätte sich's wohl zugetraut, das Drittemal mit dem großen Loose davonzugehen?
Dennoch war der Gedanke ein Feuerfunke in meine Seele, der unablässig darinn fortglimmte und all mein Sinnen und Streben beschäftigte. Es ließ sich nicht läugnen, daß der Ruhe und dem Wohlseyn meines Lebens-Abendes nicht füg- licher gerathen werden konnte, als durch eine Gefährtinn, die mir, aus Güte und Wohlwollen, die Pflege, welche ich aus bezahlter Hand nur widerwillig erhalten haben würde, mit unendlich treuerer Sorgfalt erwiese. Allein wie konnt' und durft' ich Greis irgendwo erwarten, daß ein Frauenherz, zu solchen Gesinnungen fähig, den eignen Anspruch an's Leben dergestalt verläugnen sollte, um es mit mir zu wagen? -- Jch fieng wiederum an, den Kopf noch mächtiger zu schütteln.
Da traten nun endlich meine Freunde im
(14 *)
nehmlich und kindiſch wuͤrde? — Mir grauſete, wenn ich auf dieſe Weiſe in die Zukunft blickte! Meine Freunde, denen ich aus dieſen Betrachtun- gen kein Geheimniß machte, riethen mir lachend, aber bald auch im guten und wohlgemeynten Ernſte, zuverſichtlich noch einmal in den Gluͤcks- topf des Eheſtandes zu greifen. Jch hingegen ſchuͤttelte maͤchtig den Kopf; — Ein Braͤutigam mit Dreivierteln eines Seculums auf dem Na- cken! Ueberdem: wer, der, wie ich, bereits zwei ſo boͤſe Nieten aus jenem Topfe gezogen, haͤtte ſich’s wohl zugetraut, das Drittemal mit dem großen Looſe davonzugehen?
Dennoch war der Gedanke ein Feuerfunke in meine Seele, der unablaͤſſig darinn fortglimmte und all mein Sinnen und Streben beſchaͤftigte. Es ließ ſich nicht laͤugnen, daß der Ruhe und dem Wohlſeyn meines Lebens-Abendes nicht fuͤg- licher gerathen werden konnte, als durch eine Gefaͤhrtinn, die mir, aus Guͤte und Wohlwollen, die Pflege, welche ich aus bezahlter Hand nur widerwillig erhalten haben wuͤrde, mit unendlich treuerer Sorgfalt erwieſe. Allein wie konnt’ und durft’ ich Greis irgendwo erwarten, daß ein Frauenherz, zu ſolchen Geſinnungen faͤhig, den eignen Anſpruch an’s Leben dergeſtalt verlaͤugnen ſollte, um es mit mir zu wagen? — Jch fieng wiederum an, den Kopf noch maͤchtiger zu ſchuͤtteln.
Da traten nun endlich meine Freunde im
(14 *)
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0227"n="211"/>
nehmlich und kindiſch wuͤrde? — Mir grauſete,<lb/>
wenn ich auf dieſe Weiſe in die Zukunft blickte!<lb/>
Meine Freunde, denen ich aus dieſen Betrachtun-<lb/>
gen kein Geheimniß machte, riethen mir lachend,<lb/>
aber bald auch im guten und wohlgemeynten<lb/>
Ernſte, zuverſichtlich noch einmal in den Gluͤcks-<lb/>
topf des Eheſtandes zu greifen. Jch hingegen<lb/>ſchuͤttelte maͤchtig den Kopf; — Ein Braͤutigam<lb/>
mit Dreivierteln eines Seculums auf dem Na-<lb/>
cken! Ueberdem: wer, der, wie ich, bereits zwei<lb/>ſo boͤſe Nieten aus jenem Topfe gezogen, haͤtte<lb/>ſich’s wohl zugetraut, das Drittemal mit dem<lb/>
großen Looſe davonzugehen?</p><lb/><p>Dennoch war der Gedanke ein Feuerfunke<lb/>
in meine Seele, der unablaͤſſig darinn fortglimmte<lb/>
und all mein Sinnen und Streben beſchaͤftigte.<lb/>
Es ließ ſich nicht laͤugnen, daß der Ruhe und<lb/>
dem Wohlſeyn meines Lebens-Abendes nicht fuͤg-<lb/>
licher gerathen werden konnte, als durch eine<lb/>
Gefaͤhrtinn, die mir, aus Guͤte und Wohlwollen,<lb/>
die Pflege, welche ich aus bezahlter Hand nur<lb/>
widerwillig erhalten haben wuͤrde, mit unendlich<lb/>
treuerer Sorgfalt erwieſe. Allein wie konnt’ und<lb/>
durft’ ich Greis irgendwo erwarten, daß ein<lb/>
Frauenherz, zu ſolchen Geſinnungen faͤhig, den<lb/>
eignen Anſpruch an’s Leben dergeſtalt verlaͤugnen<lb/>ſollte, um es mit mir zu wagen? — Jch fieng<lb/>
wiederum an, den Kopf noch maͤchtiger zu<lb/>ſchuͤtteln.</p><lb/><p>Da traten nun endlich meine Freunde im<lb/><fwplace="bottom"type="sig">(14 *)</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[211/0227]
nehmlich und kindiſch wuͤrde? — Mir grauſete,
wenn ich auf dieſe Weiſe in die Zukunft blickte!
Meine Freunde, denen ich aus dieſen Betrachtun-
gen kein Geheimniß machte, riethen mir lachend,
aber bald auch im guten und wohlgemeynten
Ernſte, zuverſichtlich noch einmal in den Gluͤcks-
topf des Eheſtandes zu greifen. Jch hingegen
ſchuͤttelte maͤchtig den Kopf; — Ein Braͤutigam
mit Dreivierteln eines Seculums auf dem Na-
cken! Ueberdem: wer, der, wie ich, bereits zwei
ſo boͤſe Nieten aus jenem Topfe gezogen, haͤtte
ſich’s wohl zugetraut, das Drittemal mit dem
großen Looſe davonzugehen?
Dennoch war der Gedanke ein Feuerfunke
in meine Seele, der unablaͤſſig darinn fortglimmte
und all mein Sinnen und Streben beſchaͤftigte.
Es ließ ſich nicht laͤugnen, daß der Ruhe und
dem Wohlſeyn meines Lebens-Abendes nicht fuͤg-
licher gerathen werden konnte, als durch eine
Gefaͤhrtinn, die mir, aus Guͤte und Wohlwollen,
die Pflege, welche ich aus bezahlter Hand nur
widerwillig erhalten haben wuͤrde, mit unendlich
treuerer Sorgfalt erwieſe. Allein wie konnt’ und
durft’ ich Greis irgendwo erwarten, daß ein
Frauenherz, zu ſolchen Geſinnungen faͤhig, den
eignen Anſpruch an’s Leben dergeſtalt verlaͤugnen
ſollte, um es mit mir zu wagen? — Jch fieng
wiederum an, den Kopf noch maͤchtiger zu
ſchuͤtteln.
Da traten nun endlich meine Freunde im
(14 *)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/227>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.