Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

nehmlich und kindisch würde? -- Mir grausete,
wenn ich auf diese Weise in die Zukunft blickte!
Meine Freunde, denen ich aus diesen Betrachtun-
gen kein Geheimniß machte, riethen mir lachend,
aber bald auch im guten und wohlgemeynten
Ernste, zuversichtlich noch einmal in den Glücks-
topf des Ehestandes zu greifen. Jch hingegen
schüttelte mächtig den Kopf; -- Ein Bräutigam
mit Dreivierteln eines Seculums auf dem Na-
cken! Ueberdem: wer, der, wie ich, bereits zwei
so böse Nieten aus jenem Topfe gezogen, hätte
sich's wohl zugetraut, das Drittemal mit dem
großen Loose davonzugehen?

Dennoch war der Gedanke ein Feuerfunke
in meine Seele, der unablässig darinn fortglimmte
und all mein Sinnen und Streben beschäftigte.
Es ließ sich nicht läugnen, daß der Ruhe und
dem Wohlseyn meines Lebens-Abendes nicht füg-
licher gerathen werden konnte, als durch eine
Gefährtinn, die mir, aus Güte und Wohlwollen,
die Pflege, welche ich aus bezahlter Hand nur
widerwillig erhalten haben würde, mit unendlich
treuerer Sorgfalt erwiese. Allein wie konnt' und
durft' ich Greis irgendwo erwarten, daß ein
Frauenherz, zu solchen Gesinnungen fähig, den
eignen Anspruch an's Leben dergestalt verläugnen
sollte, um es mit mir zu wagen? -- Jch fieng
wiederum an, den Kopf noch mächtiger zu
schütteln.

Da traten nun endlich meine Freunde im

(14 *)

nehmlich und kindiſch wuͤrde? — Mir grauſete,
wenn ich auf dieſe Weiſe in die Zukunft blickte!
Meine Freunde, denen ich aus dieſen Betrachtun-
gen kein Geheimniß machte, riethen mir lachend,
aber bald auch im guten und wohlgemeynten
Ernſte, zuverſichtlich noch einmal in den Gluͤcks-
topf des Eheſtandes zu greifen. Jch hingegen
ſchuͤttelte maͤchtig den Kopf; — Ein Braͤutigam
mit Dreivierteln eines Seculums auf dem Na-
cken! Ueberdem: wer, der, wie ich, bereits zwei
ſo boͤſe Nieten aus jenem Topfe gezogen, haͤtte
ſich’s wohl zugetraut, das Drittemal mit dem
großen Looſe davonzugehen?

Dennoch war der Gedanke ein Feuerfunke
in meine Seele, der unablaͤſſig darinn fortglimmte
und all mein Sinnen und Streben beſchaͤftigte.
Es ließ ſich nicht laͤugnen, daß der Ruhe und
dem Wohlſeyn meines Lebens-Abendes nicht fuͤg-
licher gerathen werden konnte, als durch eine
Gefaͤhrtinn, die mir, aus Guͤte und Wohlwollen,
die Pflege, welche ich aus bezahlter Hand nur
widerwillig erhalten haben wuͤrde, mit unendlich
treuerer Sorgfalt erwieſe. Allein wie konnt’ und
durft’ ich Greis irgendwo erwarten, daß ein
Frauenherz, zu ſolchen Geſinnungen faͤhig, den
eignen Anſpruch an’s Leben dergeſtalt verlaͤugnen
ſollte, um es mit mir zu wagen? — Jch fieng
wiederum an, den Kopf noch maͤchtiger zu
ſchuͤtteln.

Da traten nun endlich meine Freunde im

(14 *)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0227" n="211"/>
nehmlich und kindi&#x017F;ch wu&#x0364;rde? &#x2014; Mir grau&#x017F;ete,<lb/>
wenn ich auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e in die Zukunft blickte!<lb/>
Meine Freunde, denen ich aus die&#x017F;en Betrachtun-<lb/>
gen kein Geheimniß machte, riethen mir lachend,<lb/>
aber bald auch im guten und wohlgemeynten<lb/>
Ern&#x017F;te, zuver&#x017F;ichtlich noch einmal in den Glu&#x0364;cks-<lb/>
topf des Ehe&#x017F;tandes zu greifen. Jch hingegen<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;ttelte ma&#x0364;chtig den Kopf; &#x2014; Ein Bra&#x0364;utigam<lb/>
mit Dreivierteln eines Seculums auf dem Na-<lb/>
cken! Ueberdem: wer, der, wie ich, bereits zwei<lb/>
&#x017F;o bo&#x0364;&#x017F;e Nieten aus jenem Topfe gezogen, ha&#x0364;tte<lb/>
&#x017F;ich&#x2019;s wohl zugetraut, das Drittemal mit dem<lb/>
großen Loo&#x017F;e davonzugehen?</p><lb/>
        <p>Dennoch war der Gedanke ein Feuerfunke<lb/>
in meine Seele, der unabla&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig darinn fortglimmte<lb/>
und all mein Sinnen und Streben be&#x017F;cha&#x0364;ftigte.<lb/>
Es ließ &#x017F;ich nicht la&#x0364;ugnen, daß der Ruhe und<lb/>
dem Wohl&#x017F;eyn meines Lebens-Abendes nicht fu&#x0364;g-<lb/>
licher gerathen werden konnte, als durch eine<lb/>
Gefa&#x0364;hrtinn, die mir, aus Gu&#x0364;te und Wohlwollen,<lb/>
die Pflege, welche ich aus bezahlter Hand nur<lb/>
widerwillig erhalten haben wu&#x0364;rde, mit unendlich<lb/>
treuerer Sorgfalt erwie&#x017F;e. Allein wie konnt&#x2019; und<lb/>
durft&#x2019; ich Greis irgendwo erwarten, daß ein<lb/>
Frauenherz, zu &#x017F;olchen Ge&#x017F;innungen fa&#x0364;hig, den<lb/>
eignen An&#x017F;pruch an&#x2019;s Leben derge&#x017F;talt verla&#x0364;ugnen<lb/>
&#x017F;ollte, um es mit mir zu wagen? &#x2014; Jch fieng<lb/>
wiederum an, den Kopf noch ma&#x0364;chtiger zu<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;tteln.</p><lb/>
        <p>Da traten nun endlich meine Freunde im<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(14 *)</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0227] nehmlich und kindiſch wuͤrde? — Mir grauſete, wenn ich auf dieſe Weiſe in die Zukunft blickte! Meine Freunde, denen ich aus dieſen Betrachtun- gen kein Geheimniß machte, riethen mir lachend, aber bald auch im guten und wohlgemeynten Ernſte, zuverſichtlich noch einmal in den Gluͤcks- topf des Eheſtandes zu greifen. Jch hingegen ſchuͤttelte maͤchtig den Kopf; — Ein Braͤutigam mit Dreivierteln eines Seculums auf dem Na- cken! Ueberdem: wer, der, wie ich, bereits zwei ſo boͤſe Nieten aus jenem Topfe gezogen, haͤtte ſich’s wohl zugetraut, das Drittemal mit dem großen Looſe davonzugehen? Dennoch war der Gedanke ein Feuerfunke in meine Seele, der unablaͤſſig darinn fortglimmte und all mein Sinnen und Streben beſchaͤftigte. Es ließ ſich nicht laͤugnen, daß der Ruhe und dem Wohlſeyn meines Lebens-Abendes nicht fuͤg- licher gerathen werden konnte, als durch eine Gefaͤhrtinn, die mir, aus Guͤte und Wohlwollen, die Pflege, welche ich aus bezahlter Hand nur widerwillig erhalten haben wuͤrde, mit unendlich treuerer Sorgfalt erwieſe. Allein wie konnt’ und durft’ ich Greis irgendwo erwarten, daß ein Frauenherz, zu ſolchen Geſinnungen faͤhig, den eignen Anſpruch an’s Leben dergeſtalt verlaͤugnen ſollte, um es mit mir zu wagen? — Jch fieng wiederum an, den Kopf noch maͤchtiger zu ſchuͤtteln. Da traten nun endlich meine Freunde im (14 *)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/227
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/227>, abgerufen am 30.04.2024.