erbietig, sammt allen Uebrigen, ohne jedoch dar- auf rechnen zu können, ob wir bemerkt worden seyn würden.
Jetzt aber forderte ich meinen Begleiter auf, dem Zuge mit möglichster Eile zu folgen, oder lieber noch zuvorzukommen, um die Gelegenheit zu unsrer persönlichen Vorstellung nicht zu ver- säumen, bevor der Monarch noch dicht und im- mer dichter umzingelt würde. Denn was für ein Eulenspiegel-Streich wäre es gewesen, uns, im Namen einer ganzen Stadt, auf den fernen Weg gemacht und dennoch unser Wort nicht angebracht zu haben! Allerdings war das Gedränge um des Königs Quartier unbeschreiblich groß und le- bendig: aber mein treuherziges: "Kinder, maakt en betken Platz!" und auch wohl die paar Strei- fen Gold auf unsern Röcken, halfen uns zuletzt glücklich durch das Gewühl, bis wir durch das Spalier des Militairs vorgedrungen waren; uns unter die bunten Gruppen der Officiere und dienst- thuenden Adjutanten mischten, und so zuletzt die Flur des Hauses erreichten.
Noch kam es darauf an, uns mit unserm Wunsche, vorgelassen zu werden, an den rechten Mann zu wenden, als wir von des Königs Ge- mächern einen Stabsofficier die Treppe hernieder- steigen sahen, der auf uns zugieng und mich freundlich fragte: "Gelt, Nettelbeck, Sie wollen den König sprechen? Dann ist's gerade an der rech- ten Zeit. Kommen Sie!" -- Zugleich faßte er mich
erbietig, ſammt allen Uebrigen, ohne jedoch dar- auf rechnen zu koͤnnen, ob wir bemerkt worden ſeyn wuͤrden.
Jetzt aber forderte ich meinen Begleiter auf, dem Zuge mit moͤglichſter Eile zu folgen, oder lieber noch zuvorzukommen, um die Gelegenheit zu unſrer perſoͤnlichen Vorſtellung nicht zu ver- ſaͤumen, bevor der Monarch noch dicht und im- mer dichter umzingelt wuͤrde. Denn was fuͤr ein Eulenſpiegel-Streich waͤre es geweſen, uns, im Namen einer ganzen Stadt, auf den fernen Weg gemacht und dennoch unſer Wort nicht angebracht zu haben! Allerdings war das Gedraͤnge um des Koͤnigs Quartier unbeſchreiblich groß und le- bendig: aber mein treuherziges: „Kinder, maakt en betken Platz!‟ und auch wohl die paar Strei- fen Gold auf unſern Roͤcken, halfen uns zuletzt gluͤcklich durch das Gewuͤhl, bis wir durch das Spalier des Militairs vorgedrungen waren; uns unter die bunten Gruppen der Officiere und dienſt- thuenden Adjutanten miſchten, und ſo zuletzt die Flur des Hauſes erreichten.
Noch kam es darauf an, uns mit unſerm Wunſche, vorgelaſſen zu werden, an den rechten Mann zu wenden, als wir von des Koͤnigs Ge- maͤchern einen Stabsofficier die Treppe hernieder- ſteigen ſahen, der auf uns zugieng und mich freundlich fragte: „Gelt, Nettelbeck, Sie wollen den Koͤnig ſprechen? Dann iſt’s gerade an der rech- ten Zeit. Kommen Sie!‟ — Zugleich faßte er mich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0217"n="201"/>
erbietig, ſammt allen Uebrigen, ohne jedoch dar-<lb/>
auf rechnen zu koͤnnen, ob wir bemerkt worden<lb/>ſeyn wuͤrden.</p><lb/><p>Jetzt aber forderte ich meinen Begleiter auf,<lb/>
dem Zuge mit moͤglichſter Eile zu folgen, oder<lb/>
lieber noch zuvorzukommen, um die Gelegenheit<lb/>
zu unſrer perſoͤnlichen Vorſtellung nicht zu ver-<lb/>ſaͤumen, bevor der Monarch noch dicht und im-<lb/>
mer dichter umzingelt wuͤrde. Denn was fuͤr ein<lb/>
Eulenſpiegel-Streich waͤre es geweſen, uns, im<lb/>
Namen einer ganzen Stadt, auf den fernen Weg<lb/>
gemacht und dennoch unſer Wort nicht angebracht<lb/>
zu haben! Allerdings war das Gedraͤnge um<lb/>
des Koͤnigs Quartier unbeſchreiblich groß und le-<lb/>
bendig: aber mein treuherziges: „Kinder, maakt<lb/>
en betken Platz!‟ und auch wohl die paar Strei-<lb/>
fen Gold auf unſern Roͤcken, halfen uns zuletzt<lb/>
gluͤcklich durch das Gewuͤhl, bis wir durch das<lb/>
Spalier des Militairs vorgedrungen waren; uns<lb/>
unter die bunten Gruppen der Officiere und dienſt-<lb/>
thuenden Adjutanten miſchten, und ſo zuletzt die<lb/>
Flur des Hauſes erreichten.</p><lb/><p>Noch kam es darauf an, uns mit unſerm<lb/>
Wunſche, vorgelaſſen zu werden, an den rechten<lb/>
Mann zu wenden, als wir von des Koͤnigs Ge-<lb/>
maͤchern einen Stabsofficier die Treppe hernieder-<lb/>ſteigen ſahen, der auf uns zugieng und mich<lb/>
freundlich fragte: „Gelt, Nettelbeck, Sie wollen<lb/>
den Koͤnig ſprechen? Dann iſt’s gerade an der rech-<lb/>
ten Zeit. Kommen Sie!‟— Zugleich faßte er mich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[201/0217]
erbietig, ſammt allen Uebrigen, ohne jedoch dar-
auf rechnen zu koͤnnen, ob wir bemerkt worden
ſeyn wuͤrden.
Jetzt aber forderte ich meinen Begleiter auf,
dem Zuge mit moͤglichſter Eile zu folgen, oder
lieber noch zuvorzukommen, um die Gelegenheit
zu unſrer perſoͤnlichen Vorſtellung nicht zu ver-
ſaͤumen, bevor der Monarch noch dicht und im-
mer dichter umzingelt wuͤrde. Denn was fuͤr ein
Eulenſpiegel-Streich waͤre es geweſen, uns, im
Namen einer ganzen Stadt, auf den fernen Weg
gemacht und dennoch unſer Wort nicht angebracht
zu haben! Allerdings war das Gedraͤnge um
des Koͤnigs Quartier unbeſchreiblich groß und le-
bendig: aber mein treuherziges: „Kinder, maakt
en betken Platz!‟ und auch wohl die paar Strei-
fen Gold auf unſern Roͤcken, halfen uns zuletzt
gluͤcklich durch das Gewuͤhl, bis wir durch das
Spalier des Militairs vorgedrungen waren; uns
unter die bunten Gruppen der Officiere und dienſt-
thuenden Adjutanten miſchten, und ſo zuletzt die
Flur des Hauſes erreichten.
Noch kam es darauf an, uns mit unſerm
Wunſche, vorgelaſſen zu werden, an den rechten
Mann zu wenden, als wir von des Koͤnigs Ge-
maͤchern einen Stabsofficier die Treppe hernieder-
ſteigen ſahen, der auf uns zugieng und mich
freundlich fragte: „Gelt, Nettelbeck, Sie wollen
den Koͤnig ſprechen? Dann iſt’s gerade an der rech-
ten Zeit. Kommen Sie!‟ — Zugleich faßte er mich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/217>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.