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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

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ich mich einige Augenblicke an den verlängerten
Gesichtern geweidet, erklärte dem Gerichte weiter:
"Solchergestalt fände ich auch keinen Beruf in
mir, jetzt auf die erhobene Klage weiter zu ant-
worten, wozu sich vielmehr wohl eine andre und
bessere Gelegenheit finden werde.

"Recht gut!" sagte der Director, mit eini-
ger Verlegenheit, indem er mir das Schreiben
zurückgab, und ich mich zum Fortgehen anschickte.
-- "Aber wir haben einen Termin abgehalten,
und hier sind Kosten aufgelaufen. Wer wird die
bezahlen?"

"Nun, das werden die Herren, die sie ver-
ursacht haben, sich ja wohl nicht nehmen lassen;"
erwiederte ich lachend; und ich hatte recht gera-
then. Denn sogleich auch erbat sich Herr S**
die Erlaubniß, mit seinen Begleitern auf wenige
Augenblicke seinen Abtritt nehmen zu dürfen; und
nachdem sie sich draussen berathen, zog Jener
großmüthig seinen Beutel und zahlte der Justiz
ihre Gebühren.

Wenige Tage später trat auch der Königl.
Commissarius Struensee in dieser Eigenschaft bei
uns auf; und meine Anklage gegen die Stadt-
Verordneten und den von ihnen erwählten Ma-
gistrat ward in seine Hände übergeben. Jch hatte
reichen Stoff gefunden, sie, seit meiner ersten
Anzeige im Cabinet, noch um manches himmel-
schreiende Factum zu vermehren; so daß es denn
kein kleines Sünden-Register gab, welches ich

ich mich einige Augenblicke an den verlaͤngerten
Geſichtern geweidet, erklaͤrte dem Gerichte weiter:
„Solchergeſtalt faͤnde ich auch keinen Beruf in
mir, jetzt auf die erhobene Klage weiter zu ant-
worten, wozu ſich vielmehr wohl eine andre und
beſſere Gelegenheit finden werde.

„Recht gut!‟ ſagte der Director, mit eini-
ger Verlegenheit, indem er mir das Schreiben
zuruͤckgab, und ich mich zum Fortgehen anſchickte.
— „Aber wir haben einen Termin abgehalten,
und hier ſind Koſten aufgelaufen. Wer wird die
bezahlen?‟

„Nun, das werden die Herren, die ſie ver-
urſacht haben, ſich ja wohl nicht nehmen laſſen;‟
erwiederte ich lachend; und ich hatte recht gera-
then. Denn ſogleich auch erbat ſich Herr S**
die Erlaubniß, mit ſeinen Begleitern auf wenige
Augenblicke ſeinen Abtritt nehmen zu duͤrfen; und
nachdem ſie ſich drauſſen berathen, zog Jener
großmuͤthig ſeinen Beutel und zahlte der Juſtiz
ihre Gebuͤhren.

Wenige Tage ſpaͤter trat auch der Koͤnigl.
Commiſſarius Struenſee in dieſer Eigenſchaft bei
uns auf; und meine Anklage gegen die Stadt-
Verordneten und den von ihnen erwaͤhlten Ma-
giſtrat ward in ſeine Haͤnde uͤbergeben. Jch hatte
reichen Stoff gefunden, ſie, ſeit meiner erſten
Anzeige im Cabinet, noch um manches himmel-
ſchreiende Factum zu vermehren; ſo daß es denn
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[194/0210] ich mich einige Augenblicke an den verlaͤngerten Geſichtern geweidet, erklaͤrte dem Gerichte weiter: „Solchergeſtalt faͤnde ich auch keinen Beruf in mir, jetzt auf die erhobene Klage weiter zu ant- worten, wozu ſich vielmehr wohl eine andre und beſſere Gelegenheit finden werde. „Recht gut!‟ ſagte der Director, mit eini- ger Verlegenheit, indem er mir das Schreiben zuruͤckgab, und ich mich zum Fortgehen anſchickte. — „Aber wir haben einen Termin abgehalten, und hier ſind Koſten aufgelaufen. Wer wird die bezahlen?‟ „Nun, das werden die Herren, die ſie ver- urſacht haben, ſich ja wohl nicht nehmen laſſen;‟ erwiederte ich lachend; und ich hatte recht gera- then. Denn ſogleich auch erbat ſich Herr S** die Erlaubniß, mit ſeinen Begleitern auf wenige Augenblicke ſeinen Abtritt nehmen zu duͤrfen; und nachdem ſie ſich drauſſen berathen, zog Jener großmuͤthig ſeinen Beutel und zahlte der Juſtiz ihre Gebuͤhren. Wenige Tage ſpaͤter trat auch der Koͤnigl. Commiſſarius Struenſee in dieſer Eigenſchaft bei uns auf; und meine Anklage gegen die Stadt- Verordneten und den von ihnen erwaͤhlten Ma- giſtrat ward in ſeine Haͤnde uͤbergeben. Jch hatte reichen Stoff gefunden, ſie, ſeit meiner erſten Anzeige im Cabinet, noch um manches himmel- ſchreiende Factum zu vermehren; ſo daß es denn kein kleines Suͤnden-Regiſter gab, welches ich

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/210>, abgerufen am 30.04.2024.