Rapport von der entsandten Verstärkung ein- gieng. Jch erbot mich, Nachricht an Ort und Stelle einzuziehen, und eilte von dannen, den Wall hinunter.
Von einem Pulverwagen, der mir in den Weg kam, strängte ich ein Zugpferd ab, warf mich hinauf und trabte zum Gelder-Thore hin- aus. Die Nacht war stockfinster geworden. Als ich über die sogenannte Kuhbrücke kam, stutzte mein Gaul, hob sich und wollte, trotz all mei- nem Treiben, nicht von der Stelle. Endlich ward ich gewahr, daß er sich vor einem Soldaten scheute, der sich, dicht vor seinen Füßen, queer über den Weg gelagert hatte. Der Bursche hatte geschlafen; und mit ihm ward es auf Einmal rund um mich her wach und laut, und ein Du- tzend Baßkehlen rief: "Holla! holla! Nur sachte!" -- Mit Einem Blicke übersah ich nun die saubre Schlaf-Compagnie, die sich hier meist in's Gras gestreckt hatte, anstatt den bedrängten Cameraden weiter vorwärts Luft zu machen.
Jm bittern Unmuth meines Herzens stürmte ich auf sie ein, und rief: "Jhr seyd mir schöne Helden! Pfui euch an, daß ihr hier liegen könnt und schnarchen!" -- Beschämt wichen sie mir zu beiden Seiten aus, bis ich weiterhin kam und nun auch auf ihren edlen Anführer stieß, der sich sein Ruheplätzchen hart am Heckenzaune ausge- sucht hatte, den Kopf nur so eben aus dem Mantel hervorstreckte und mir einen guten Mor-
Rapport von der entſandten Verſtaͤrkung ein- gieng. Jch erbot mich, Nachricht an Ort und Stelle einzuziehen, und eilte von dannen, den Wall hinunter.
Von einem Pulverwagen, der mir in den Weg kam, ſtraͤngte ich ein Zugpferd ab, warf mich hinauf und trabte zum Gelder-Thore hin- aus. Die Nacht war ſtockfinſter geworden. Als ich uͤber die ſogenannte Kuhbruͤcke kam, ſtutzte mein Gaul, hob ſich und wollte, trotz all mei- nem Treiben, nicht von der Stelle. Endlich ward ich gewahr, daß er ſich vor einem Soldaten ſcheute, der ſich, dicht vor ſeinen Fuͤßen, queer uͤber den Weg gelagert hatte. Der Burſche hatte geſchlafen; und mit ihm ward es auf Einmal rund um mich her wach und laut, und ein Du- tzend Baßkehlen rief: „Holla! holla! Nur ſachte!‟ — Mit Einem Blicke uͤberſah ich nun die ſaubre Schlaf-Compagnie, die ſich hier meiſt in’s Gras geſtreckt hatte, anſtatt den bedraͤngten Cameraden weiter vorwaͤrts Luft zu machen.
Jm bittern Unmuth meines Herzens ſtuͤrmte ich auf ſie ein, und rief: „Jhr ſeyd mir ſchoͤne Helden! Pfui euch an, daß ihr hier liegen koͤnnt und ſchnarchen!‟ — Beſchaͤmt wichen ſie mir zu beiden Seiten aus, bis ich weiterhin kam und nun auch auf ihren edlen Anfuͤhrer ſtieß, der ſich ſein Ruheplaͤtzchen hart am Heckenzaune ausge- ſucht hatte, den Kopf nur ſo eben aus dem Mantel hervorſtreckte und mir einen guten Mor-
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Rapport von der entſandten Verſtaͤrkung ein-
gieng. Jch erbot mich, Nachricht an Ort und
Stelle einzuziehen, und eilte von dannen, den
Wall hinunter.
Von einem Pulverwagen, der mir in den
Weg kam, ſtraͤngte ich ein Zugpferd ab, warf
mich hinauf und trabte zum Gelder-Thore hin-
aus. Die Nacht war ſtockfinſter geworden. Als
ich uͤber die ſogenannte Kuhbruͤcke kam, ſtutzte
mein Gaul, hob ſich und wollte, trotz all mei-
nem Treiben, nicht von der Stelle. Endlich ward
ich gewahr, daß er ſich vor einem Soldaten
ſcheute, der ſich, dicht vor ſeinen Fuͤßen, queer
uͤber den Weg gelagert hatte. Der Burſche hatte
geſchlafen; und mit ihm ward es auf Einmal
rund um mich her wach und laut, und ein Du-
tzend Baßkehlen rief: „Holla! holla! Nur ſachte!‟
— Mit Einem Blicke uͤberſah ich nun die ſaubre
Schlaf-Compagnie, die ſich hier meiſt in’s Gras
geſtreckt hatte, anſtatt den bedraͤngten Cameraden
weiter vorwaͤrts Luft zu machen.
Jm bittern Unmuth meines Herzens ſtuͤrmte
ich auf ſie ein, und rief: „Jhr ſeyd mir ſchoͤne
Helden! Pfui euch an, daß ihr hier liegen koͤnnt
und ſchnarchen!‟ — Beſchaͤmt wichen ſie mir zu
beiden Seiten aus, bis ich weiterhin kam und
nun auch auf ihren edlen Anfuͤhrer ſtieß, der ſich
ſein Ruheplaͤtzchen hart am Heckenzaune ausge-
ſucht hatte, den Kopf nur ſo eben aus dem
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/197>, abgerufen am 16.02.2025.
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