ähnliches Abentheuer geben. Denn indem ich mich von dem Jammerbilde nach einer andern Seite wende, fiel mir ein Feldbette in die Augen, und auf dasselbe hingestreckt ein Mensch, der noth- wendig auch eine Militair-Person seyn mußte, da unter der Bettdecke hervor ein Degen mit dem Portepee niederhieng. Mein Gesicht mochte bei diesem Anblicke wohl wie ein großes Fragzeichen aussehen: denn unaufgefordert, erklärten mir meine Freunde, die hier Bescheid wußten: Es sey der Lieutenant ***, der sich zu gütlich gethan und in diesem, ihm gewöhnlichen Zustande so sei- nen Aus- und Eingang im Weinkeller habe. Das war mir ein Greuel mit anzuhören! Jch riß ihm die Bettdecke vom Leibe, und rief: "Herr, plagt Sie ... Was haben Sie hier zu schaf- fen? Heraus, und auf Jhren Posten! Hören Sie den Geschützdonner nicht?"
Brummend taumelte er empor, und sich mit Mühe auf den Füßen haltend, tobte der Jämmer- liche: "Warum wird das verfluchte Loch nicht übergeben, damit man nur Einmal aus dem mi- serablen Neste herauskäme!" -- Jch traute mei- nen eignen Ohren nicht, und hätte mich warlich an dem Elenden thätlich vergriffen, wenn meine gelasseneren Freunde mir nicht in den Arm ge- fallen wären; während Jener wieder auf sein Lager niedertorkelte und prahlte, wieviel Wein- flaschen er heute schon den Hals gebrochen.
Beide Auftritte waren indeß zu öffentlich und
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aͤhnliches Abentheuer geben. Denn indem ich mich von dem Jammerbilde nach einer andern Seite wende, fiel mir ein Feldbette in die Augen, und auf daſſelbe hingeſtreckt ein Menſch, der noth- wendig auch eine Militair-Perſon ſeyn mußte, da unter der Bettdecke hervor ein Degen mit dem Portepee niederhieng. Mein Geſicht mochte bei dieſem Anblicke wohl wie ein großes Fragzeichen ausſehen: denn unaufgefordert, erklaͤrten mir meine Freunde, die hier Beſcheid wußten: Es ſey der Lieutenant ***, der ſich zu guͤtlich gethan und in dieſem, ihm gewoͤhnlichen Zuſtande ſo ſei- nen Aus- und Eingang im Weinkeller habe. Das war mir ein Greuel mit anzuhoͤren! Jch riß ihm die Bettdecke vom Leibe, und rief: „Herr, plagt Sie … Was haben Sie hier zu ſchaf- fen? Heraus, und auf Jhren Poſten! Hoͤren Sie den Geſchuͤtzdonner nicht?‟
Brummend taumelte er empor, und ſich mit Muͤhe auf den Fuͤßen haltend, tobte der Jaͤmmer- liche: „Warum wird das verfluchte Loch nicht uͤbergeben, damit man nur Einmal aus dem mi- ſerablen Neſte herauskaͤme!‟ — Jch traute mei- nen eignen Ohren nicht, und haͤtte mich warlich an dem Elenden thaͤtlich vergriffen, wenn meine gelaſſeneren Freunde mir nicht in den Arm ge- fallen waͤren; waͤhrend Jener wieder auf ſein Lager niedertorkelte und prahlte, wieviel Wein- flaſchen er heute ſchon den Hals gebrochen.
Beide Auftritte waren indeß zu oͤffentlich und
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aͤhnliches Abentheuer geben. Denn indem ich
mich von dem Jammerbilde nach einer andern
Seite wende, fiel mir ein Feldbette in die Augen,
und auf daſſelbe hingeſtreckt ein Menſch, der noth-
wendig auch eine Militair-Perſon ſeyn mußte,
da unter der Bettdecke hervor ein Degen mit dem
Portepee niederhieng. Mein Geſicht mochte bei
dieſem Anblicke wohl wie ein großes Fragzeichen
ausſehen: denn unaufgefordert, erklaͤrten mir
meine Freunde, die hier Beſcheid wußten: Es
ſey der Lieutenant ***, der ſich zu guͤtlich gethan
und in dieſem, ihm gewoͤhnlichen Zuſtande ſo ſei-
nen Aus- und Eingang im Weinkeller habe.
Das war mir ein Greuel mit anzuhoͤren! Jch
riß ihm die Bettdecke vom Leibe, und rief: „Herr,
plagt Sie … Was haben Sie hier zu ſchaf-
fen? Heraus, und auf Jhren Poſten! Hoͤren
Sie den Geſchuͤtzdonner nicht?‟
Brummend taumelte er empor, und ſich mit
Muͤhe auf den Fuͤßen haltend, tobte der Jaͤmmer-
liche: „Warum wird das verfluchte Loch nicht
uͤbergeben, damit man nur Einmal aus dem mi-
ſerablen Neſte herauskaͤme!‟ — Jch traute mei-
nen eignen Ohren nicht, und haͤtte mich warlich
an dem Elenden thaͤtlich vergriffen, wenn meine
gelaſſeneren Freunde mir nicht in den Arm ge-
fallen waͤren; waͤhrend Jener wieder auf ſein
Lager niedertorkelte und prahlte, wieviel Wein-
flaſchen er heute ſchon den Hals gebrochen.
Beide Auftritte waren indeß zu oͤffentlich und
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/195>, abgerufen am 16.02.2025.
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