zu Stroh- und Heu-Magazinen ausgezeichnet, bis sein Nachfolger, von einem bessern Geiste be- seelt, das Gebäude sofort der öffentlichen Gottes- verehrung zurückgab und jene gefährlichen Brenn- stoffe am Glacis vor dem Münder-Thore in ab- gesonderte Haufen aufschichten ließ. Nunmehr aber war eine dringendere Nothwendigkeit einge- treten, diesen weiten und luftigen Raum der täg- lich wachsenden Zahl der Kranken und Verwun- deten von der Garnison einzuräumen. Da nun die Kirche vollgestopft von solchen Unglücklichen lag, so mag man sich das Elend vorstellen, wel- ches hier herrschte, indem die Kugeln durch alle Theile des Gebäudes hindurchfuhren. Ein Flü- gel desselben bewahrte nahe an hundert französi- sche Kriegsgefangene auf: allein ihre Landsleute nahmen hierauf, unsrer Hoffnung entgegen, keine Rücksicht und beharrten auf ihrem Werke der Zerstörung.
Jn der Nacht vom 27. auf den 28. Jun. stand ich auf dem Walle an der Brustwehr des Bastions Preussen und in einer Unterredung mit dem Commandanten begriffen, als eine feindliche Bombe kaum 15 oder 20 Schritt von uns nie- derfuhr, in der Erde wühlte und brummte. Ha- stig ergriff ich meinen Nachbar bei der Hand, zog ihn etwas seitabwärts und rief: "Fort! fort! Hier ist nicht gut seyn!" -- Gneisenau aber, kaltblütig stehen bleibend, erwiederte: "Nicht doch, die thut uns nichts!" -- Jn dem nemlichen Au-
zu Stroh- und Heu-Magazinen ausgezeichnet, bis ſein Nachfolger, von einem beſſern Geiſte be- ſeelt, das Gebaͤude ſofort der oͤffentlichen Gottes- verehrung zuruͤckgab und jene gefaͤhrlichen Brenn- ſtoffe am Glacis vor dem Muͤnder-Thore in ab- geſonderte Haufen aufſchichten ließ. Nunmehr aber war eine dringendere Nothwendigkeit einge- treten, dieſen weiten und luftigen Raum der taͤg- lich wachſenden Zahl der Kranken und Verwun- deten von der Garniſon einzuraͤumen. Da nun die Kirche vollgeſtopft von ſolchen Ungluͤcklichen lag, ſo mag man ſich das Elend vorſtellen, wel- ches hier herrſchte, indem die Kugeln durch alle Theile des Gebaͤudes hindurchfuhren. Ein Fluͤ- gel deſſelben bewahrte nahe an hundert franzoͤſi- ſche Kriegsgefangene auf: allein ihre Landsleute nahmen hierauf, unſrer Hoffnung entgegen, keine Ruͤckſicht und beharrten auf ihrem Werke der Zerſtoͤrung.
Jn der Nacht vom 27. auf den 28. Jun. ſtand ich auf dem Walle an der Bruſtwehr des Baſtions Preuſſen und in einer Unterredung mit dem Commandanten begriffen, als eine feindliche Bombe kaum 15 oder 20 Schritt von uns nie- derfuhr, in der Erde wuͤhlte und brummte. Ha- ſtig ergriff ich meinen Nachbar bei der Hand, zog ihn etwas ſeitabwaͤrts und rief: „Fort! fort! Hier iſt nicht gut ſeyn!‟ — Gneiſenau aber, kaltbluͤtig ſtehen bleibend, erwiederte: „Nicht doch, die thut uns nichts!‟ — Jn dem nemlichen Au-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0157"n="141"/>
zu Stroh- und Heu-Magazinen ausgezeichnet,<lb/>
bis ſein Nachfolger, von einem beſſern Geiſte be-<lb/>ſeelt, das Gebaͤude ſofort der oͤffentlichen Gottes-<lb/>
verehrung zuruͤckgab und jene gefaͤhrlichen Brenn-<lb/>ſtoffe am Glacis vor dem Muͤnder-Thore in ab-<lb/>
geſonderte Haufen aufſchichten ließ. Nunmehr<lb/>
aber war eine dringendere Nothwendigkeit einge-<lb/>
treten, dieſen weiten und luftigen Raum der taͤg-<lb/>
lich wachſenden Zahl der Kranken und Verwun-<lb/>
deten von der Garniſon einzuraͤumen. Da nun<lb/>
die Kirche vollgeſtopft von ſolchen Ungluͤcklichen<lb/>
lag, ſo mag man ſich das Elend vorſtellen, wel-<lb/>
ches hier herrſchte, indem die Kugeln durch alle<lb/>
Theile des Gebaͤudes hindurchfuhren. Ein Fluͤ-<lb/>
gel deſſelben bewahrte nahe an hundert franzoͤſi-<lb/>ſche Kriegsgefangene auf: allein ihre Landsleute<lb/>
nahmen hierauf, unſrer Hoffnung entgegen, keine<lb/>
Ruͤckſicht und beharrten auf ihrem Werke der<lb/>
Zerſtoͤrung.</p><lb/><p>Jn der Nacht vom 27. auf den 28. Jun.<lb/>ſtand ich auf dem Walle an der Bruſtwehr des<lb/>
Baſtions Preuſſen und in einer Unterredung mit<lb/>
dem Commandanten begriffen, als eine feindliche<lb/>
Bombe kaum 15 oder 20 Schritt von uns nie-<lb/>
derfuhr, in der Erde wuͤhlte und brummte. Ha-<lb/>ſtig ergriff ich meinen Nachbar bei der Hand,<lb/>
zog ihn etwas ſeitabwaͤrts und rief: „Fort! fort!<lb/>
Hier iſt nicht gut ſeyn!‟— Gneiſenau aber,<lb/>
kaltbluͤtig ſtehen bleibend, erwiederte: „Nicht doch,<lb/>
die thut uns nichts!‟— Jn dem nemlichen Au-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[141/0157]
zu Stroh- und Heu-Magazinen ausgezeichnet,
bis ſein Nachfolger, von einem beſſern Geiſte be-
ſeelt, das Gebaͤude ſofort der oͤffentlichen Gottes-
verehrung zuruͤckgab und jene gefaͤhrlichen Brenn-
ſtoffe am Glacis vor dem Muͤnder-Thore in ab-
geſonderte Haufen aufſchichten ließ. Nunmehr
aber war eine dringendere Nothwendigkeit einge-
treten, dieſen weiten und luftigen Raum der taͤg-
lich wachſenden Zahl der Kranken und Verwun-
deten von der Garniſon einzuraͤumen. Da nun
die Kirche vollgeſtopft von ſolchen Ungluͤcklichen
lag, ſo mag man ſich das Elend vorſtellen, wel-
ches hier herrſchte, indem die Kugeln durch alle
Theile des Gebaͤudes hindurchfuhren. Ein Fluͤ-
gel deſſelben bewahrte nahe an hundert franzoͤſi-
ſche Kriegsgefangene auf: allein ihre Landsleute
nahmen hierauf, unſrer Hoffnung entgegen, keine
Ruͤckſicht und beharrten auf ihrem Werke der
Zerſtoͤrung.
Jn der Nacht vom 27. auf den 28. Jun.
ſtand ich auf dem Walle an der Bruſtwehr des
Baſtions Preuſſen und in einer Unterredung mit
dem Commandanten begriffen, als eine feindliche
Bombe kaum 15 oder 20 Schritt von uns nie-
derfuhr, in der Erde wuͤhlte und brummte. Ha-
ſtig ergriff ich meinen Nachbar bei der Hand,
zog ihn etwas ſeitabwaͤrts und rief: „Fort! fort!
Hier iſt nicht gut ſeyn!‟ — Gneiſenau aber,
kaltbluͤtig ſtehen bleibend, erwiederte: „Nicht doch,
die thut uns nichts!‟ — Jn dem nemlichen Au-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/157>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.