Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

Kinder, vor, worinn mir berichtet wurde,
daß der verunglückte T'Gelken-Schiffer gegen
mich klagbar geworden und Schaden-Ersatz
von mir verlange. Er rieth mir also, vor
dem Gericht im Texel zu erscheinen und,
sammt meiner Mannschaft, eine eidliche Er-
klärung über den ganzen Hergang abzulegen;
diese aber an ihn einzusenden, damit jenen
Ansprüchen gehörig begegnet würde. Dies
geschah; und aus der gerichtlichen Verneh-
mung gieng genüglich hervor, daß jener
Schiffer nicht nur sein Unglück sich selbst
zugezogen, sondern auch mir selbst Noth und
Schaden verursacht habe. Der endliche Er-
folg war, daß Jener seiner Ansprüche weiter
nicht verfolgte, daß ich aber auch meine
eigne erlittene Einbuße verschmerzen mußte.

Jch gieng inzwischen aus dem Texel in
See, und hatte in den ersten drei Wochen
mit widrigen und stürmischen Winden zu
schaffen, die mich in der Nordsee umher-
warfen. Als ich jedoch Dover passirt war,
wurden sie mir günstiger, obwohl sie bald
in den stärksten anhaltenden Sturm ausarte-
ten. Mein Schiff lief vor demselben in flie-
gender Fahrt mit so unglaublicher Schnelle
einher, daß ich -- was vielleicht zuvor nie
erhört worden -- den Weg von Dover nach
Lissabon binnen vier Tagen zurücklegte, und
also in jeder Stunde, im Durchschnitt, viert-

Kinder, vor, worinn mir berichtet wurde,
daß der verungluͤckte T’Gelken-Schiffer gegen
mich klagbar geworden und Schaden-Erſatz
von mir verlange. Er rieth mir alſo, vor
dem Gericht im Texel zu erſcheinen und,
ſammt meiner Mannſchaft, eine eidliche Er-
klaͤrung uͤber den ganzen Hergang abzulegen;
dieſe aber an ihn einzuſenden, damit jenen
Anſpruͤchen gehoͤrig begegnet wuͤrde. Dies
geſchah; und aus der gerichtlichen Verneh-
mung gieng genuͤglich hervor, daß jener
Schiffer nicht nur ſein Ungluͤck ſich ſelbſt
zugezogen, ſondern auch mir ſelbſt Noth und
Schaden verurſacht habe. Der endliche Er-
folg war, daß Jener ſeiner Anſpruͤche weiter
nicht verfolgte, daß ich aber auch meine
eigne erlittene Einbuße verſchmerzen mußte.

Jch gieng inzwiſchen aus dem Texel in
See, und hatte in den erſten drei Wochen
mit widrigen und ſtuͤrmiſchen Winden zu
ſchaffen, die mich in der Nordſee umher-
warfen. Als ich jedoch Dover paſſirt war,
wurden ſie mir guͤnſtiger, obwohl ſie bald
in den ſtaͤrkſten anhaltenden Sturm ausarte-
ten. Mein Schiff lief vor demſelben in flie-
gender Fahrt mit ſo unglaublicher Schnelle
einher, daß ich — was vielleicht zuvor nie
erhoͤrt worden — den Weg von Dover nach
Liſſabon binnen vier Tagen zuruͤcklegte, und
alſo in jeder Stunde, im Durchſchnitt, viert-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0207" n="203"/>
Kinder, vor, worinn mir berichtet wurde,<lb/>
daß der verunglu&#x0364;ckte T&#x2019;Gelken-Schiffer gegen<lb/>
mich klagbar geworden und Schaden-Er&#x017F;atz<lb/>
von mir verlange. Er rieth mir al&#x017F;o, vor<lb/>
dem Gericht im Texel zu er&#x017F;cheinen und,<lb/>
&#x017F;ammt meiner Mann&#x017F;chaft, eine eidliche Er-<lb/>
kla&#x0364;rung u&#x0364;ber den ganzen Hergang abzulegen;<lb/>
die&#x017F;e aber an ihn einzu&#x017F;enden, damit jenen<lb/>
An&#x017F;pru&#x0364;chen geho&#x0364;rig begegnet wu&#x0364;rde. Dies<lb/>
ge&#x017F;chah; und aus der gerichtlichen Verneh-<lb/>
mung gieng genu&#x0364;glich hervor, daß jener<lb/>
Schiffer nicht nur &#x017F;ein Unglu&#x0364;ck &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
zugezogen, &#x017F;ondern auch mir &#x017F;elb&#x017F;t Noth und<lb/>
Schaden verur&#x017F;acht habe. Der endliche Er-<lb/>
folg war, daß Jener &#x017F;einer An&#x017F;pru&#x0364;che weiter<lb/>
nicht verfolgte, daß ich aber auch meine<lb/>
eigne erlittene Einbuße ver&#x017F;chmerzen mußte.</p><lb/>
        <p>Jch gieng inzwi&#x017F;chen aus dem Texel in<lb/>
See, und hatte in den er&#x017F;ten drei Wochen<lb/>
mit widrigen und &#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;chen Winden zu<lb/>
&#x017F;chaffen, die mich in der Nord&#x017F;ee umher-<lb/>
warfen. Als ich jedoch Dover pa&#x017F;&#x017F;irt war,<lb/>
wurden &#x017F;ie mir gu&#x0364;n&#x017F;tiger, obwohl &#x017F;ie bald<lb/>
in den &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten anhaltenden Sturm ausarte-<lb/>
ten. Mein Schiff lief vor dem&#x017F;elben in flie-<lb/>
gender Fahrt mit &#x017F;o unglaublicher Schnelle<lb/>
einher, daß ich &#x2014; was vielleicht zuvor nie<lb/>
erho&#x0364;rt worden &#x2014; den Weg von Dover nach<lb/>
Li&#x017F;&#x017F;abon binnen vier Tagen zuru&#x0364;cklegte, und<lb/>
al&#x017F;o in jeder Stunde, im Durch&#x017F;chnitt, viert-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0207] Kinder, vor, worinn mir berichtet wurde, daß der verungluͤckte T’Gelken-Schiffer gegen mich klagbar geworden und Schaden-Erſatz von mir verlange. Er rieth mir alſo, vor dem Gericht im Texel zu erſcheinen und, ſammt meiner Mannſchaft, eine eidliche Er- klaͤrung uͤber den ganzen Hergang abzulegen; dieſe aber an ihn einzuſenden, damit jenen Anſpruͤchen gehoͤrig begegnet wuͤrde. Dies geſchah; und aus der gerichtlichen Verneh- mung gieng genuͤglich hervor, daß jener Schiffer nicht nur ſein Ungluͤck ſich ſelbſt zugezogen, ſondern auch mir ſelbſt Noth und Schaden verurſacht habe. Der endliche Er- folg war, daß Jener ſeiner Anſpruͤche weiter nicht verfolgte, daß ich aber auch meine eigne erlittene Einbuße verſchmerzen mußte. Jch gieng inzwiſchen aus dem Texel in See, und hatte in den erſten drei Wochen mit widrigen und ſtuͤrmiſchen Winden zu ſchaffen, die mich in der Nordſee umher- warfen. Als ich jedoch Dover paſſirt war, wurden ſie mir guͤnſtiger, obwohl ſie bald in den ſtaͤrkſten anhaltenden Sturm ausarte- ten. Mein Schiff lief vor demſelben in flie- gender Fahrt mit ſo unglaublicher Schnelle einher, daß ich — was vielleicht zuvor nie erhoͤrt worden — den Weg von Dover nach Liſſabon binnen vier Tagen zuruͤcklegte, und alſo in jeder Stunde, im Durchſchnitt, viert-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/207
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/207>, abgerufen am 23.11.2024.