teten, trotz dem Eise, noch Amsterdam zu erreichen. Selbst aber als diese, nach und nach, die näheren Nothhäfen Medemblyck, Enkhuizen und Staveren zu gewinnen such- ten, beharrte ich bei meinem Vornehmen, und hoffte, daß endlich doch Wind und Wetter sich zu meinem Vortheil ändern würden.
Als ich mich nun solchergestalt, von allen Andern verlassen, abmühte, dem Schicksal mein Reiseziel gleichsam abzutrotzen, traten mein Schiffsvolk und der eingenommene Lootse mich an, um mir vorzustellen, wie die Gefahr, des Eises wegen, sich stündlich mehre, und wie rathsam es seyn werde, nach dem Beispiel unsrer bisherigen Gefährten, in ei- nen andern nahen Hafen einzulaufen. Das war nun gar nicht auf mein Ohr. "Jun- gens," entgegnete ich ihnen -- "wo denkt ihr hin? Haben wir nicht ein starkes dichtes Schiff? Sind unsre Anker und Taue nicht haltbar? Fehlt es uns an Essen und Trinken? Und wenn die in den andern Schiffen furcht- same Memmen sind, die gleich beim ersten Frostschauer zu Loche kriechen: wollen wir uns ihnen darinn gleich stellen? Jch meyne, wir sehen es noch eine Weile mit an; und wenn es dann immer noch keinen bessern Anschein gewinnt, so bleibt es ja Zeit genug, uns nach einem Nothhafen umzusehen." -- Diese Vor-
teten, trotz dem Eiſe, noch Amſterdam zu erreichen. Selbſt aber als dieſe, nach und nach, die naͤheren Nothhaͤfen Medemblyck, Enkhuizen und Staveren zu gewinnen ſuch- ten, beharrte ich bei meinem Vornehmen, und hoffte, daß endlich doch Wind und Wetter ſich zu meinem Vortheil aͤndern wuͤrden.
Als ich mich nun ſolchergeſtalt, von allen Andern verlaſſen, abmuͤhte, dem Schickſal mein Reiſeziel gleichſam abzutrotzen, traten mein Schiffsvolk und der eingenommene Lootſe mich an, um mir vorzuſtellen, wie die Gefahr, des Eiſes wegen, ſich ſtuͤndlich mehre, und wie rathſam es ſeyn werde, nach dem Beiſpiel unſrer bisherigen Gefaͤhrten, in ei- nen andern nahen Hafen einzulaufen. Das war nun gar nicht auf mein Ohr. „Jun- gens,‟ entgegnete ich ihnen — „wo denkt ihr hin? Haben wir nicht ein ſtarkes dichtes Schiff? Sind unſre Anker und Taue nicht haltbar? Fehlt es uns an Eſſen und Trinken? Und wenn die in den andern Schiffen furcht- ſame Memmen ſind, die gleich beim erſten Froſtſchauer zu Loche kriechen: wollen wir uns ihnen darinn gleich ſtellen? Jch meyne, wir ſehen es noch eine Weile mit an; und wenn es dann immer noch keinen beſſern Anſchein gewinnt, ſo bleibt es ja Zeit genug, uns nach einem Nothhafen umzuſehen.‟ — Dieſe Vor-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0189"n="185"/>
teten, trotz dem Eiſe, noch Amſterdam zu<lb/>
erreichen. Selbſt aber als dieſe, nach und<lb/>
nach, die naͤheren Nothhaͤfen Medemblyck,<lb/>
Enkhuizen und Staveren zu gewinnen ſuch-<lb/>
ten, beharrte ich bei meinem Vornehmen,<lb/>
und hoffte, daß endlich doch Wind und Wetter<lb/>ſich zu meinem Vortheil aͤndern wuͤrden.</p><lb/><p>Als ich mich nun ſolchergeſtalt, von allen<lb/>
Andern verlaſſen, abmuͤhte, dem Schickſal<lb/>
mein Reiſeziel gleichſam abzutrotzen, traten<lb/>
mein Schiffsvolk und der eingenommene<lb/>
Lootſe mich an, um mir vorzuſtellen, wie die<lb/>
Gefahr, des Eiſes wegen, ſich ſtuͤndlich mehre,<lb/>
und wie rathſam es ſeyn werde, nach dem<lb/>
Beiſpiel unſrer bisherigen Gefaͤhrten, in ei-<lb/>
nen andern nahen Hafen einzulaufen. Das<lb/>
war nun gar nicht auf mein Ohr. „Jun-<lb/>
gens,‟ entgegnete ich ihnen —„wo denkt<lb/>
ihr hin? Haben wir nicht ein ſtarkes dichtes<lb/>
Schiff? Sind unſre Anker und Taue nicht<lb/>
haltbar? Fehlt es uns an Eſſen und Trinken?<lb/>
Und wenn die in den andern Schiffen furcht-<lb/>ſame Memmen ſind, die gleich beim erſten<lb/>
Froſtſchauer zu Loche kriechen: wollen <hirendition="#g">wir</hi><lb/>
uns ihnen darinn gleich ſtellen? Jch meyne, wir<lb/>ſehen es noch eine Weile mit an; und wenn<lb/>
es dann immer noch keinen beſſern Anſchein<lb/>
gewinnt, ſo bleibt es ja Zeit genug, uns nach<lb/>
einem Nothhafen umzuſehen.‟— Dieſe Vor-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[185/0189]
teten, trotz dem Eiſe, noch Amſterdam zu
erreichen. Selbſt aber als dieſe, nach und
nach, die naͤheren Nothhaͤfen Medemblyck,
Enkhuizen und Staveren zu gewinnen ſuch-
ten, beharrte ich bei meinem Vornehmen,
und hoffte, daß endlich doch Wind und Wetter
ſich zu meinem Vortheil aͤndern wuͤrden.
Als ich mich nun ſolchergeſtalt, von allen
Andern verlaſſen, abmuͤhte, dem Schickſal
mein Reiſeziel gleichſam abzutrotzen, traten
mein Schiffsvolk und der eingenommene
Lootſe mich an, um mir vorzuſtellen, wie die
Gefahr, des Eiſes wegen, ſich ſtuͤndlich mehre,
und wie rathſam es ſeyn werde, nach dem
Beiſpiel unſrer bisherigen Gefaͤhrten, in ei-
nen andern nahen Hafen einzulaufen. Das
war nun gar nicht auf mein Ohr. „Jun-
gens,‟ entgegnete ich ihnen — „wo denkt
ihr hin? Haben wir nicht ein ſtarkes dichtes
Schiff? Sind unſre Anker und Taue nicht
haltbar? Fehlt es uns an Eſſen und Trinken?
Und wenn die in den andern Schiffen furcht-
ſame Memmen ſind, die gleich beim erſten
Froſtſchauer zu Loche kriechen: wollen wir
uns ihnen darinn gleich ſtellen? Jch meyne, wir
ſehen es noch eine Weile mit an; und wenn
es dann immer noch keinen beſſern Anſchein
gewinnt, ſo bleibt es ja Zeit genug, uns nach
einem Nothhafen umzuſehen.‟ — Dieſe Vor-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/189>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.