gieng, bis wir unser heutiges abgekürztes Reiseziel erreichten. Jch hielt ihm indeß Wort, und wir fuhren von Dorf zu Dorf, bis wir in's Oldenburgische kamen. Hier aber nahmen wir die halbe Post, und er- reichten Lübeck: doch griff dies schnellere und bequemere Fortkommen auch so gewal- tig in unsre Reisekasse, daß uns, wie knapp wir's auch unserm Munde abdarbten und kaum mehr, als das trockne Brodt mit ei- nem Wassertrunk genossen, endlich doch der letzte Groschen aus den Händen zerronnen war.
Was blieb zu thun? Jch wandte mich in Lübeck an einen Kaufmann, Herrn Seng- busch, der mir, von Colberg her, dem Namen nach bekannt war, und ersuchte ihn, uns auf unsre theuer gehaltene Taschenuhr zwanzig Thaler vorzustrecken. Hiezu war der gute Mann auch willfährig; wir konn- ten nunmehr mit der Post nach Stettin weiter gehen und fanden hier eine Gele- genheit, die uns vollends nach Colberg för- derte, wo wir, in der Mitte des März, mit einem baaren Cassen-Bestande von sieben Groschen sechs Pfennigen anlangten und von den Unsrigen mit einer Freude, als wären wir vom Tode auferstanden, empfangen wurden.
gieng, bis wir unſer heutiges abgekuͤrztes Reiſeziel erreichten. Jch hielt ihm indeß Wort, und wir fuhren von Dorf zu Dorf, bis wir in’s Oldenburgiſche kamen. Hier aber nahmen wir die halbe Poſt, und er- reichten Luͤbeck: doch griff dies ſchnellere und bequemere Fortkommen auch ſo gewal- tig in unſre Reiſekaſſe, daß uns, wie knapp wir’s auch unſerm Munde abdarbten und kaum mehr, als das trockne Brodt mit ei- nem Waſſertrunk genoſſen, endlich doch der letzte Groſchen aus den Haͤnden zerronnen war.
Was blieb zu thun? Jch wandte mich in Luͤbeck an einen Kaufmann, Herrn Seng- buſch, der mir, von Colberg her, dem Namen nach bekannt war, und erſuchte ihn, uns auf unſre theuer gehaltene Taſchenuhr zwanzig Thaler vorzuſtrecken. Hiezu war der gute Mann auch willfaͤhrig; wir konn- ten nunmehr mit der Poſt nach Stettin weiter gehen und fanden hier eine Gele- genheit, die uns vollends nach Colberg foͤr- derte, wo wir, in der Mitte des Maͤrz, mit einem baaren Caſſen-Beſtande von ſieben Groſchen ſechs Pfennigen anlangten und von den Unſrigen mit einer Freude, als waͤren wir vom Tode auferſtanden, empfangen wurden.
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gieng, bis wir unſer heutiges abgekuͤrztes
Reiſeziel erreichten. Jch hielt ihm indeß
Wort, und wir fuhren von Dorf zu Dorf,
bis wir in’s Oldenburgiſche kamen. Hier
aber nahmen wir die halbe Poſt, und er-
reichten Luͤbeck: doch griff dies ſchnellere
und bequemere Fortkommen auch ſo gewal-
tig in unſre Reiſekaſſe, daß uns, wie knapp
wir’s auch unſerm Munde abdarbten und
kaum mehr, als das trockne Brodt mit ei-
nem Waſſertrunk genoſſen, endlich doch der
letzte Groſchen aus den Haͤnden zerronnen
war.
Was blieb zu thun? Jch wandte mich
in Luͤbeck an einen Kaufmann, Herrn Seng-
buſch, der mir, von Colberg her, dem
Namen nach bekannt war, und erſuchte ihn,
uns auf unſre theuer gehaltene Taſchenuhr
zwanzig Thaler vorzuſtrecken. Hiezu war
der gute Mann auch willfaͤhrig; wir konn-
ten nunmehr mit der Poſt nach Stettin
weiter gehen und fanden hier eine Gele-
genheit, die uns vollends nach Colberg foͤr-
derte, wo wir, in der Mitte des Maͤrz,
mit einem baaren Caſſen-Beſtande von ſieben
Groſchen ſechs Pfennigen anlangten und von
den Unſrigen mit einer Freude, als waͤren
wir vom Tode auferſtanden, empfangen
wurden.
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/98>, abgerufen am 25.11.2024.
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