Dem war wirklich also: denn sofort nach unsrer Landung war auch an die nächste Gar- nison in Veurne, welches dreiviertel Meilen entfernt lag, eine Meldung geschehen und um ärztliche Hülfe gebeten worden. Zugleich er- fuhren wir von den Soldaten, daß wir uns hier drei Meilen von Nieuport und zwei Mei- len von Dünkirchen befänden. Der Grund und Boden unter uns war Oesterreichisch, aber die französische Grenze, nach letzterem Orte hinwärts, nur eine Viertelmeile entfernt. Als man uns (wie sofort geschah) über un- ser Woher und Wohin befragte, so erklärten wir uns, der früheren Abrede eingedenk, für Schwedisch-Pommern aus Greifswalde, die eine Ladung Balken nach Lissabon hätten bringen wollen.
Am dritten December, mit dem frühen Morgen, erschien ein Fuhrwerk, mit Stroh gefüllt und einer Leinwand-Decke versehen, welches angewiesen war, unsern armen Oheim in das Lazareth nach Nieuport zu schaffen. Dieser Ort war mir, aus Furcht einer mög- lichen Entdeckung unsrer wahren Herkunft, nicht recht gemüthlich: dagegen vermeynte ich, unserm Elende in Dünkirchen vielleicht bessern Rath zu schaffen, wo ich vor ein paar Jahren bereits gewesen war und einigermaas- sen des Orts Gelegenheit kannte. Jch lag daher unserm Führer an, seinen Kranken lie-
Dem war wirklich alſo: denn ſofort nach unſrer Landung war auch an die naͤchſte Gar- niſon in Veurne, welches dreiviertel Meilen entfernt lag, eine Meldung geſchehen und um aͤrztliche Huͤlfe gebeten worden. Zugleich er- fuhren wir von den Soldaten, daß wir uns hier drei Meilen von Nieuport und zwei Mei- len von Duͤnkirchen befaͤnden. Der Grund und Boden unter uns war Oeſterreichiſch, aber die franzoͤſiſche Grenze, nach letzterem Orte hinwaͤrts, nur eine Viertelmeile entfernt. Als man uns (wie ſofort geſchah) uͤber un- ſer Woher und Wohin befragte, ſo erklaͤrten wir uns, der fruͤheren Abrede eingedenk, fuͤr Schwediſch-Pommern aus Greifswalde, die eine Ladung Balken nach Liſſabon haͤtten bringen wollen.
Am dritten December, mit dem fruͤhen Morgen, erſchien ein Fuhrwerk, mit Stroh gefuͤllt und einer Leinwand-Decke verſehen, welches angewieſen war, unſern armen Oheim in das Lazareth nach Nieuport zu ſchaffen. Dieſer Ort war mir, aus Furcht einer moͤg- lichen Entdeckung unſrer wahren Herkunft, nicht recht gemuͤthlich: dagegen vermeynte ich, unſerm Elende in Duͤnkirchen vielleicht beſſern Rath zu ſchaffen, wo ich vor ein paar Jahren bereits geweſen war und einigermaaſ- ſen des Orts Gelegenheit kannte. Jch lag daher unſerm Fuͤhrer an, ſeinen Kranken lie-
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Dem war wirklich alſo: denn ſofort nach
unſrer Landung war auch an die naͤchſte Gar-
niſon in Veurne, welches dreiviertel Meilen
entfernt lag, eine Meldung geſchehen und um
aͤrztliche Huͤlfe gebeten worden. Zugleich er-
fuhren wir von den Soldaten, daß wir uns
hier drei Meilen von Nieuport und zwei Mei-
len von Duͤnkirchen befaͤnden. Der Grund
und Boden unter uns war Oeſterreichiſch,
aber die franzoͤſiſche Grenze, nach letzterem
Orte hinwaͤrts, nur eine Viertelmeile entfernt.
Als man uns (wie ſofort geſchah) uͤber un-
ſer Woher und Wohin befragte, ſo erklaͤrten
wir uns, der fruͤheren Abrede eingedenk, fuͤr
Schwediſch-Pommern aus Greifswalde, die
eine Ladung Balken nach Liſſabon haͤtten
bringen wollen.
Am dritten December, mit dem fruͤhen
Morgen, erſchien ein Fuhrwerk, mit Stroh
gefuͤllt und einer Leinwand-Decke verſehen,
welches angewieſen war, unſern armen Oheim
in das Lazareth nach Nieuport zu ſchaffen.
Dieſer Ort war mir, aus Furcht einer moͤg-
lichen Entdeckung unſrer wahren Herkunft,
nicht recht gemuͤthlich: dagegen vermeynte
ich, unſerm Elende in Duͤnkirchen vielleicht
beſſern Rath zu ſchaffen, wo ich vor ein paar
Jahren bereits geweſen war und einigermaaſ-
ſen des Orts Gelegenheit kannte. Jch lag
daher unſerm Fuͤhrer an, ſeinen Kranken lie-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/66>, abgerufen am 30.04.2024.
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