wie ich zu seiner Zeit weiter unten erzäh- len werde.
Und nunmehr genügte es uns nicht, bloß innerhalb uns von Balken zu Balken zu schwingen: es sollte auch ausserhalb des Ge- bäudes geklettert werden! So machten wir uns denn auf das kupferne Dach; stiegen bei den Glocken aus den Luken auf das Gerüst; von da auf die Farst des kupfernen Kirchen- daches, und indem wir darauf, wie auf ei- nem Pferde ritten, rutschten wir längshin vom Thurm bis an den Giebel, und auf gleiche Weise wieder zurück. Ein paar Hun- dert Zuschauer gafften drunten, zu unsrer großen Freude, nach uns beiden jungen Wag- hälsen in die Höhe. Auch mein Vater war, ohne daß ich es wußte, unter dem Haufen gewesen; und so konnt' es nicht fehlen, daß mich, bei meiner Heimkunft, für diese Helden- that eine derbe Tracht Schläge erwartete.
Aber die Lust zu einem wiederhohlten Ver- suche war mir dennoch nicht ausgetrieben worden! Jch lauerte es nur ab, daß mein Vater verreiset war; und an einem schönen Sommertage, Nachmittags um vier Uhr, als ich der Zucht des Herrn Schütz entlau- fen war, konnt ich nicht drum hin, meinen lieben Thurm wieder zu besuchen. Ein
wie ich zu ſeiner Zeit weiter unten erzaͤh- len werde.
Und nunmehr genuͤgte es uns nicht, bloß innerhalb uns von Balken zu Balken zu ſchwingen: es ſollte auch auſſerhalb des Ge- baͤudes geklettert werden! So machten wir uns denn auf das kupferne Dach; ſtiegen bei den Glocken aus den Luken auf das Geruͤſt; von da auf die Farſt des kupfernen Kirchen- daches, und indem wir darauf, wie auf ei- nem Pferde ritten, rutſchten wir laͤngshin vom Thurm bis an den Giebel, und auf gleiche Weiſe wieder zuruͤck. Ein paar Hun- dert Zuſchauer gafften drunten, zu unſrer großen Freude, nach uns beiden jungen Wag- haͤlſen in die Hoͤhe. Auch mein Vater war, ohne daß ich es wußte, unter dem Haufen geweſen; und ſo konnt’ es nicht fehlen, daß mich, bei meiner Heimkunft, fuͤr dieſe Helden- that eine derbe Tracht Schlaͤge erwartete.
Aber die Luſt zu einem wiederhohlten Ver- ſuche war mir dennoch nicht ausgetrieben worden! Jch lauerte es nur ab, daß mein Vater verreiſet war; und an einem ſchoͤnen Sommertage, Nachmittags um vier Uhr, als ich der Zucht des Herrn Schuͤtz entlau- fen war, konnt ich nicht drum hin, meinen lieben Thurm wieder zu beſuchen. Ein
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wie ich zu ſeiner Zeit weiter unten erzaͤh-
len werde.
Und nunmehr genuͤgte es uns nicht, bloß
innerhalb uns von Balken zu Balken zu
ſchwingen: es ſollte auch auſſerhalb des Ge-
baͤudes geklettert werden! So machten wir
uns denn auf das kupferne Dach; ſtiegen bei
den Glocken aus den Luken auf das Geruͤſt;
von da auf die Farſt des kupfernen Kirchen-
daches, und indem wir darauf, wie auf ei-
nem Pferde ritten, rutſchten wir laͤngshin
vom Thurm bis an den Giebel, und auf
gleiche Weiſe wieder zuruͤck. Ein paar Hun-
dert Zuſchauer gafften drunten, zu unſrer
großen Freude, nach uns beiden jungen Wag-
haͤlſen in die Hoͤhe. Auch mein Vater war,
ohne daß ich es wußte, unter dem Haufen
geweſen; und ſo konnt’ es nicht fehlen, daß
mich, bei meiner Heimkunft, fuͤr dieſe Helden-
that eine derbe Tracht Schlaͤge erwartete.
Aber die Luſt zu einem wiederhohlten Ver-
ſuche war mir dennoch nicht ausgetrieben
worden! Jch lauerte es nur ab, daß mein
Vater verreiſet war; und an einem ſchoͤnen
Sommertage, Nachmittags um vier Uhr,
als ich der Zucht des Herrn Schuͤtz entlau-
fen war, konnt ich nicht drum hin, meinen
lieben Thurm wieder zu beſuchen. Ein
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/31>, abgerufen am 16.07.2024.
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