Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

Weise, zu ihrem alleinigen Herrn und Be-
sitzer einsetzte.

So war ich also meine Tauben los; und
nun kriegt' ich einen so brennenden Trieb
zur Schule, daß mich die Lernbegierde auf
all meinen Schritten und Tritten verfolgte.
Jch wollte und mußte ja ein Schiffer wer-
den! Auch alle meine heiligen Christ-Ge-
schenke, woran es meine Herren Pathen
nicht fehlen liessen, hatten immer eine Be-
ziehung auf die Schifferschaft. Bald war
es ein runder holländischer Matrosen-Hut,
bald lange Schifferhosen, bald wieder Pfef-
ferkuchen, als Schiffer geformt, u. dergl.

So mocht' es etwa in meinem achten
Jahre seyn, als Pathe Lorenz Runge mir,
unter andern Weihnachts-Bescheerungen, auch
eine Anweisung zur Steuermanns-Kunst in
holländischer Sprache verehrte. Dies Buch
machte meine Phantasie so rege, daß ich
Tag und Nacht für mich selbst darinn stu-
dirte, bis mein Vater ein näheres Einsehen
hatte und mir bei einem hiesigen Schiffer,
Namens Neymann, zwei wöchentliche Unter-
richtstage in jener edlen Kunst ausmachte.
Dagegen blieben die andern vier Tage noch
zum Schreiben und Rechnen bei einem an-
dern geschickten Lehrer, Namens Schütz, be-

Weiſe, zu ihrem alleinigen Herrn und Be-
ſitzer einſetzte.

So war ich alſo meine Tauben los; und
nun kriegt’ ich einen ſo brennenden Trieb
zur Schule, daß mich die Lernbegierde auf
all meinen Schritten und Tritten verfolgte.
Jch wollte und mußte ja ein Schiffer wer-
den! Auch alle meine heiligen Chriſt-Ge-
ſchenke, woran es meine Herren Pathen
nicht fehlen lieſſen, hatten immer eine Be-
ziehung auf die Schifferſchaft. Bald war
es ein runder hollaͤndiſcher Matroſen-Hut,
bald lange Schifferhoſen, bald wieder Pfef-
ferkuchen, als Schiffer geformt, u. dergl.

So mocht’ es etwa in meinem achten
Jahre ſeyn, als Pathe Lorenz Runge mir,
unter andern Weihnachts-Beſcheerungen, auch
eine Anweiſung zur Steuermanns-Kunſt in
hollaͤndiſcher Sprache verehrte. Dies Buch
machte meine Phantaſie ſo rege, daß ich
Tag und Nacht fuͤr mich ſelbſt darinn ſtu-
dirte, bis mein Vater ein naͤheres Einſehen
hatte und mir bei einem hieſigen Schiffer,
Namens Neymann, zwei woͤchentliche Unter-
richtstage in jener edlen Kunſt ausmachte.
Dagegen blieben die andern vier Tage noch
zum Schreiben und Rechnen bei einem an-
dern geſchickten Lehrer, Namens Schuͤtz, be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0028" n="12"/>
Wei&#x017F;e, zu ihrem alleinigen Herrn und Be-<lb/>
&#x017F;itzer ein&#x017F;etzte.</p><lb/>
        <p>So war ich al&#x017F;o meine Tauben los; und<lb/>
nun kriegt&#x2019; ich einen &#x017F;o brennenden Trieb<lb/>
zur Schule, daß mich die Lernbegierde auf<lb/>
all meinen Schritten und Tritten verfolgte.<lb/>
Jch wollte und mußte ja ein Schiffer wer-<lb/>
den! Auch alle meine heiligen Chri&#x017F;t-Ge-<lb/>
&#x017F;chenke, woran es meine Herren Pathen<lb/>
nicht fehlen lie&#x017F;&#x017F;en, hatten immer eine Be-<lb/>
ziehung auf die Schiffer&#x017F;chaft. Bald war<lb/>
es ein runder holla&#x0364;ndi&#x017F;cher Matro&#x017F;en-Hut,<lb/>
bald lange Schifferho&#x017F;en, bald wieder Pfef-<lb/>
ferkuchen, als Schiffer geformt, u. dergl.</p><lb/>
        <p>So mocht&#x2019; es etwa in meinem achten<lb/>
Jahre &#x017F;eyn, als Pathe Lorenz Runge mir,<lb/>
unter andern Weihnachts-Be&#x017F;cheerungen, auch<lb/>
eine Anwei&#x017F;ung zur Steuermanns-Kun&#x017F;t in<lb/>
holla&#x0364;ndi&#x017F;cher Sprache verehrte. Dies Buch<lb/>
machte meine Phanta&#x017F;ie &#x017F;o rege, daß ich<lb/>
Tag und Nacht fu&#x0364;r mich &#x017F;elb&#x017F;t darinn &#x017F;tu-<lb/>
dirte, bis mein Vater ein na&#x0364;heres Ein&#x017F;ehen<lb/>
hatte und mir bei einem hie&#x017F;igen Schiffer,<lb/>
Namens Neymann, zwei wo&#x0364;chentliche Unter-<lb/>
richtstage in jener edlen Kun&#x017F;t ausmachte.<lb/>
Dagegen blieben die andern vier Tage noch<lb/>
zum Schreiben und Rechnen bei einem an-<lb/>
dern ge&#x017F;chickten Lehrer, Namens Schu&#x0364;tz, be-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0028] Weiſe, zu ihrem alleinigen Herrn und Be- ſitzer einſetzte. So war ich alſo meine Tauben los; und nun kriegt’ ich einen ſo brennenden Trieb zur Schule, daß mich die Lernbegierde auf all meinen Schritten und Tritten verfolgte. Jch wollte und mußte ja ein Schiffer wer- den! Auch alle meine heiligen Chriſt-Ge- ſchenke, woran es meine Herren Pathen nicht fehlen lieſſen, hatten immer eine Be- ziehung auf die Schifferſchaft. Bald war es ein runder hollaͤndiſcher Matroſen-Hut, bald lange Schifferhoſen, bald wieder Pfef- ferkuchen, als Schiffer geformt, u. dergl. So mocht’ es etwa in meinem achten Jahre ſeyn, als Pathe Lorenz Runge mir, unter andern Weihnachts-Beſcheerungen, auch eine Anweiſung zur Steuermanns-Kunſt in hollaͤndiſcher Sprache verehrte. Dies Buch machte meine Phantaſie ſo rege, daß ich Tag und Nacht fuͤr mich ſelbſt darinn ſtu- dirte, bis mein Vater ein naͤheres Einſehen hatte und mir bei einem hieſigen Schiffer, Namens Neymann, zwei woͤchentliche Unter- richtstage in jener edlen Kunſt ausmachte. Dagegen blieben die andern vier Tage noch zum Schreiben und Rechnen bei einem an- dern geſchickten Lehrer, Namens Schuͤtz, be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/28
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/28>, abgerufen am 21.11.2024.