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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

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den, seit ich in vorigem Jahre den Kiel dazu
legte, und jetzt, wo es, glatt wie ein Aal,
vom Stapel lief! Mit den guten Zeiten für
die Rheederei hatt' es ein plötzliches und
betrübtes Ende genommen. Jch will nicht
sagen, daß ich auf lauter solche Frachten,
wie jene nach Riga, zu 40 Rubel die Last,
gerechnet hätte: denn dann wär' ich ein baa-
rer Thor gewesen: allein noch im Jahre zu-
vor standen die Frachten auf Amsterdam zu
45 holländischen Gulden, und jetzt, wo, beim
Frieden, in alles Verkehr eine Todtenstille
eintrat, galt es Mühe, eine Fracht dahin
um 11 Gulden zu finden. Erst im October
ward mir's sogut, auf den genannten Platz
für 16 Gulden abzuschliessen.

Während nun mein Schiff in der Ladung
begriffen war, kam ich eines Tages von der
Börse, um am Borde mit eignen Augen nach-
zusehen. Das Schiff hatte sich etwas vom
Bollwerk abgezogen: dennoch dachte ich den
Sprung wohl hinüber zu thun, traf es aber
so unglücklich, daß ich über ein Ankertau,
welches längs dem Verdecke lag, stolperte und
mir den rechten Fuß unten aus dem Gelenke
fiel. Da lag ich nun, und mußte nach Hause
getragen werden! Das Bein schwoll an; ich
konnte bald kein Glied mehr rühren, und
während daran gezogen, gesalbt und gepflastert
wurde, hatt' ich die grausamsten Schmerzen

den, ſeit ich in vorigem Jahre den Kiel dazu
legte, und jetzt, wo es, glatt wie ein Aal,
vom Stapel lief! Mit den guten Zeiten fuͤr
die Rheederei hatt’ es ein ploͤtzliches und
betruͤbtes Ende genommen. Jch will nicht
ſagen, daß ich auf lauter ſolche Frachten,
wie jene nach Riga, zu 40 Rubel die Laſt,
gerechnet haͤtte: denn dann waͤr’ ich ein baa-
rer Thor geweſen: allein noch im Jahre zu-
vor ſtanden die Frachten auf Amſterdam zu
45 hollaͤndiſchen Gulden, und jetzt, wo, beim
Frieden, in alles Verkehr eine Todtenſtille
eintrat, galt es Muͤhe, eine Fracht dahin
um 11 Gulden zu finden. Erſt im October
ward mir’s ſogut, auf den genannten Platz
fuͤr 16 Gulden abzuſchlieſſen.

Waͤhrend nun mein Schiff in der Ladung
begriffen war, kam ich eines Tages von der
Boͤrſe, um am Borde mit eignen Augen nach-
zuſehen. Das Schiff hatte ſich etwas vom
Bollwerk abgezogen: dennoch dachte ich den
Sprung wohl hinuͤber zu thun, traf es aber
ſo ungluͤcklich, daß ich uͤber ein Ankertau,
welches laͤngs dem Verdecke lag, ſtolperte und
mir den rechten Fuß unten aus dem Gelenke
fiel. Da lag ich nun, und mußte nach Hauſe
getragen werden! Das Bein ſchwoll an; ich
konnte bald kein Glied mehr ruͤhren, und
waͤhrend daran gezogen, geſalbt und gepflaſtert
wurde, hatt’ ich die grauſamſten Schmerzen

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[194/0210] den, ſeit ich in vorigem Jahre den Kiel dazu legte, und jetzt, wo es, glatt wie ein Aal, vom Stapel lief! Mit den guten Zeiten fuͤr die Rheederei hatt’ es ein ploͤtzliches und betruͤbtes Ende genommen. Jch will nicht ſagen, daß ich auf lauter ſolche Frachten, wie jene nach Riga, zu 40 Rubel die Laſt, gerechnet haͤtte: denn dann waͤr’ ich ein baa- rer Thor geweſen: allein noch im Jahre zu- vor ſtanden die Frachten auf Amſterdam zu 45 hollaͤndiſchen Gulden, und jetzt, wo, beim Frieden, in alles Verkehr eine Todtenſtille eintrat, galt es Muͤhe, eine Fracht dahin um 11 Gulden zu finden. Erſt im October ward mir’s ſogut, auf den genannten Platz fuͤr 16 Gulden abzuſchlieſſen. Waͤhrend nun mein Schiff in der Ladung begriffen war, kam ich eines Tages von der Boͤrſe, um am Borde mit eignen Augen nach- zuſehen. Das Schiff hatte ſich etwas vom Bollwerk abgezogen: dennoch dachte ich den Sprung wohl hinuͤber zu thun, traf es aber ſo ungluͤcklich, daß ich uͤber ein Ankertau, welches laͤngs dem Verdecke lag, ſtolperte und mir den rechten Fuß unten aus dem Gelenke fiel. Da lag ich nun, und mußte nach Hauſe getragen werden! Das Bein ſchwoll an; ich konnte bald kein Glied mehr ruͤhren, und waͤhrend daran gezogen, geſalbt und gepflaſtert wurde, hatt’ ich die grauſamſten Schmerzen

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/210>, abgerufen am 03.05.2024.