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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

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auszustehen. An ein Mitgehen mit meinem
Schiffe, wie ich es willens gewesen, war nun
gar nicht zu denken. Aber wen nunmehr
in meine Stelle setzen?

Zum Steuermanne unter mir hatte ich
einen gewissen Martin Steinkraus angenom-
men, der zwar bereits selbst ein Schiff ge-
führt, aber dabei eben keine Ehre eingelegt
hatte. Er war, gleich mir, ein gebohrner
Colberger und mir von meinen übrigen Lands-
leuten, halb wider meinen Willen, angebettelt
worden. Jetzt, da ich im Bette lag, ward
ich abermals mit guten Worten und einge-
legten Fürbitten von allen Seiten dermaassen
bestürmt, daß ich mich endlich, in einer un-
glücklichen Stunde, bethören ließ, diesem
Menschen mein Fahrzeug auf die vorhabende
Reise, als Schiffer anzuvertrauen. An guten
Ermahnungen und Jnstructionen, wie er sich
in vorkommenden Fällen verhalten, wie er
sich helfen und wirthschaften sollte, ließ ich
es auf keine Weise ermangeln. Auch gab
ich ihm sofort 200 Gulden baar in die
Hände, um sich damit in Pillau frei in See
zu bringen.

Desto verwunderlicher däuchtete mir's,
daß, als er kaum von Königsberg abgegan-
gen und drei Tage vor Pillau gelegen, das
Comptoir von Seif et Co. daselbst mir eine
Anweisung von 200 Gulden präsentiren ließ,

auszuſtehen. An ein Mitgehen mit meinem
Schiffe, wie ich es willens geweſen, war nun
gar nicht zu denken. Aber wen nunmehr
in meine Stelle ſetzen?

Zum Steuermanne unter mir hatte ich
einen gewiſſen Martin Steinkraus angenom-
men, der zwar bereits ſelbſt ein Schiff ge-
fuͤhrt, aber dabei eben keine Ehre eingelegt
hatte. Er war, gleich mir, ein gebohrner
Colberger und mir von meinen uͤbrigen Lands-
leuten, halb wider meinen Willen, angebettelt
worden. Jetzt, da ich im Bette lag, ward
ich abermals mit guten Worten und einge-
legten Fuͤrbitten von allen Seiten dermaaſſen
beſtuͤrmt, daß ich mich endlich, in einer un-
gluͤcklichen Stunde, bethoͤren ließ, dieſem
Menſchen mein Fahrzeug auf die vorhabende
Reiſe, als Schiffer anzuvertrauen. An guten
Ermahnungen und Jnſtructionen, wie er ſich
in vorkommenden Faͤllen verhalten, wie er
ſich helfen und wirthſchaften ſollte, ließ ich
es auf keine Weiſe ermangeln. Auch gab
ich ihm ſofort 200 Gulden baar in die
Haͤnde, um ſich damit in Pillau frei in See
zu bringen.

Deſto verwunderlicher daͤuchtete mir’s,
daß, als er kaum von Koͤnigsberg abgegan-
gen und drei Tage vor Pillau gelegen, das
Comptoir von Seif et Co. daſelbſt mir eine
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[195/0211] auszuſtehen. An ein Mitgehen mit meinem Schiffe, wie ich es willens geweſen, war nun gar nicht zu denken. Aber wen nunmehr in meine Stelle ſetzen? Zum Steuermanne unter mir hatte ich einen gewiſſen Martin Steinkraus angenom- men, der zwar bereits ſelbſt ein Schiff ge- fuͤhrt, aber dabei eben keine Ehre eingelegt hatte. Er war, gleich mir, ein gebohrner Colberger und mir von meinen uͤbrigen Lands- leuten, halb wider meinen Willen, angebettelt worden. Jetzt, da ich im Bette lag, ward ich abermals mit guten Worten und einge- legten Fuͤrbitten von allen Seiten dermaaſſen beſtuͤrmt, daß ich mich endlich, in einer un- gluͤcklichen Stunde, bethoͤren ließ, dieſem Menſchen mein Fahrzeug auf die vorhabende Reiſe, als Schiffer anzuvertrauen. An guten Ermahnungen und Jnſtructionen, wie er ſich in vorkommenden Faͤllen verhalten, wie er ſich helfen und wirthſchaften ſollte, ließ ich es auf keine Weiſe ermangeln. Auch gab ich ihm ſofort 200 Gulden baar in die Haͤnde, um ſich damit in Pillau frei in See zu bringen. Deſto verwunderlicher daͤuchtete mir’s, daß, als er kaum von Koͤnigsberg abgegan- gen und drei Tage vor Pillau gelegen, das Comptoir von Seif et Co. daſelbſt mir eine Anweiſung von 200 Gulden praͤſentiren ließ,

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/211>, abgerufen am 03.05.2024.