der Ferne auf ihrem Kasten sitzen, um wenig- stens diesen zu behaupten. Wieviel ihr von dem Uebrigen geblieben oder wiederge- bracht worden, weiß Gott: denn meine Augen haben sie nachdem in dem weitläuftigen Orte niemals wiedergesehen.
Für diesmal wollt' ich nun sehen, was in einer andern Gegend, auf der Sackheim- schen Seite, passirte. Nicht lange, so traf ich abermals mit einer alten Frau zusammen, die am Wasser stand und mir entgegenschrie: "Ach Herzens Schifferchen, goldnes! Hier- her, zu mir hin! Jch will Jhm auch gerne einen Sechser geben." -- Jch mußte lachen, so wenig mir's bei der allgemeinen grausa- men Noth auch lächerlich um's Herz war. -- "Nun, und wo soll ich hier denn angreifen?" -- "Ach du mein Gottchen! Diesen Kasten hier, wenn Er mir den doch nach der Holz- wiese schaffen wollte. Mein ganzes armes Haab' und Gut steckt zusammen drinnen! Jch bin eine geschlagne Frau, wenn ich den mis- sen soll!"
Nun freilich, da mußte schon Hand zum Herzen gethan werden! Sie übergab mir eine lange schmale Kiste, die mir nun zwar bei dem flüchtigen Blick, den ich mir darauf zu werfen abmüßigte, keine sonderlichen Schätze zu bergen schien, aber doch, unter gemein- schaftlicher Daranstreckung unsrer Kräfte,
1. Bändchen. (12)
der Ferne auf ihrem Kaſten ſitzen, um wenig- ſtens dieſen zu behaupten. Wieviel ihr von dem Uebrigen geblieben oder wiederge- bracht worden, weiß Gott: denn meine Augen haben ſie nachdem in dem weitlaͤuftigen Orte niemals wiedergeſehen.
Fuͤr diesmal wollt’ ich nun ſehen, was in einer andern Gegend, auf der Sackheim- ſchen Seite, paſſirte. Nicht lange, ſo traf ich abermals mit einer alten Frau zuſammen, die am Waſſer ſtand und mir entgegenſchrie: „Ach Herzens Schifferchen, goldnes! Hier- her, zu mir hin! Jch will Jhm auch gerne einen Sechſer geben.‟ — Jch mußte lachen, ſo wenig mir’s bei der allgemeinen grauſa- men Noth auch laͤcherlich um’s Herz war. — „Nun, und wo ſoll ich hier denn angreifen?‟ — „Ach du mein Gottchen! Dieſen Kaſten hier, wenn Er mir den doch nach der Holz- wieſe ſchaffen wollte. Mein ganzes armes Haab’ und Gut ſteckt zuſammen drinnen! Jch bin eine geſchlagne Frau, wenn ich den miſ- ſen ſoll!‟
Nun freilich, da mußte ſchon Hand zum Herzen gethan werden! Sie uͤbergab mir eine lange ſchmale Kiſte, die mir nun zwar bei dem fluͤchtigen Blick, den ich mir darauf zu werfen abmuͤßigte, keine ſonderlichen Schaͤtze zu bergen ſchien, aber doch, unter gemein- ſchaftlicher Daranſtreckung unſrer Kraͤfte,
1. Bändchen. (12)
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der Ferne auf ihrem Kaſten ſitzen, um wenig-
ſtens dieſen zu behaupten. Wieviel ihr
von dem Uebrigen geblieben oder wiederge-
bracht worden, weiß Gott: denn meine Augen
haben ſie nachdem in dem weitlaͤuftigen Orte
niemals wiedergeſehen.
Fuͤr diesmal wollt’ ich nun ſehen, was
in einer andern Gegend, auf der Sackheim-
ſchen Seite, paſſirte. Nicht lange, ſo traf
ich abermals mit einer alten Frau zuſammen,
die am Waſſer ſtand und mir entgegenſchrie:
„Ach Herzens Schifferchen, goldnes! Hier-
her, zu mir hin! Jch will Jhm auch gerne
einen Sechſer geben.‟ — Jch mußte lachen,
ſo wenig mir’s bei der allgemeinen grauſa-
men Noth auch laͤcherlich um’s Herz war. —
„Nun, und wo ſoll ich hier denn angreifen?‟
— „Ach du mein Gottchen! Dieſen Kaſten
hier, wenn Er mir den doch nach der Holz-
wieſe ſchaffen wollte. Mein ganzes armes
Haab’ und Gut ſteckt zuſammen drinnen! Jch
bin eine geſchlagne Frau, wenn ich den miſ-
ſen ſoll!‟
Nun freilich, da mußte ſchon Hand zum
Herzen gethan werden! Sie uͤbergab mir
eine lange ſchmale Kiſte, die mir nun zwar
bei dem fluͤchtigen Blick, den ich mir darauf zu
werfen abmuͤßigte, keine ſonderlichen Schaͤtze
zu bergen ſchien, aber doch, unter gemein-
ſchaftlicher Daranſtreckung unſrer Kraͤfte,
1. Bändchen. (12)
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/193>, abgerufen am 16.02.2025.
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