glücklich in's Boot geschoben und, weil sie darinn der Länge lang keinen Platz fand, mit Mühe querüber in's Gleichgewicht ge- rückt wurde; wiewohl das Fahrzeug, da sie hochstand, heftig damit schwankte. Auch gieng es mit der Fahrt noch immer gut ge- nug, bis wir, auf Stromes-Mitte, auch in den Bereich des Sturmwindes geriethen, wel- cher uns dergestalt packte, daß sich das Boot ganz auf die Seite legte und Wasser schöpfte. Was ich immer thun mochte, dem Uebel ab- zuhelfen, blieb vergeblich, und unsre Gefahr zu sinken ward mit jedem Augenblick dringen- der. "Aber, liebe Frau, was hat sie denn in dem unbeholfenen verwetterten Kasten?" fragte ich endlich mit einiger Ungeduld. -- "Ach, mein Ein und Alles! Meine Hühner und Enten, womit ich handle, und die mir Eier legen." -- "Ei, so hole denn der Henker lieber den ganzen Kram!" schrie ich giftig, -- "als daß wir hier unsre Haut darum zu Markte tragen!" -- und damit schob ich den Kasten fein säuberlich über Bord und ließ ihn treiben, wohin er wollte. Nun aber er- hub sich über mich ein Sturmwetter von ganz andrer Art, und ich kriegte Ehrentitel zu hören, wie ich sie mir nimmer vermuthend war. Aber wie sollt' ich es anders machen? Das Boot stand am Umkippen und war schon hoch voll Wasser gelaufen.
gluͤcklich in’s Boot geſchoben und, weil ſie darinn der Laͤnge lang keinen Platz fand, mit Muͤhe queruͤber in’s Gleichgewicht ge- ruͤckt wurde; wiewohl das Fahrzeug, da ſie hochſtand, heftig damit ſchwankte. Auch gieng es mit der Fahrt noch immer gut ge- nug, bis wir, auf Stromes-Mitte, auch in den Bereich des Sturmwindes geriethen, wel- cher uns dergeſtalt packte, daß ſich das Boot ganz auf die Seite legte und Waſſer ſchoͤpfte. Was ich immer thun mochte, dem Uebel ab- zuhelfen, blieb vergeblich, und unſre Gefahr zu ſinken ward mit jedem Augenblick dringen- der. „Aber, liebe Frau, was hat ſie denn in dem unbeholfenen verwetterten Kaſten?‟ fragte ich endlich mit einiger Ungeduld. — „Ach, mein Ein und Alles! Meine Huͤhner und Enten, womit ich handle, und die mir Eier legen.‟ — „Ei, ſo hole denn der Henker lieber den ganzen Kram!‟ ſchrie ich giftig, — „als daß wir hier unſre Haut darum zu Markte tragen!‟ — und damit ſchob ich den Kaſten fein ſaͤuberlich uͤber Bord und ließ ihn treiben, wohin er wollte. Nun aber er- hub ſich uͤber mich ein Sturmwetter von ganz andrer Art, und ich kriegte Ehrentitel zu hoͤren, wie ich ſie mir nimmer vermuthend war. Aber wie ſollt’ ich es anders machen? Das Boot ſtand am Umkippen und war ſchon hoch voll Waſſer gelaufen.
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gluͤcklich in’s Boot geſchoben und, weil ſie
darinn der Laͤnge lang keinen Platz fand,
mit Muͤhe queruͤber in’s Gleichgewicht ge-
ruͤckt wurde; wiewohl das Fahrzeug, da ſie
hochſtand, heftig damit ſchwankte. Auch
gieng es mit der Fahrt noch immer gut ge-
nug, bis wir, auf Stromes-Mitte, auch in
den Bereich des Sturmwindes geriethen, wel-
cher uns dergeſtalt packte, daß ſich das Boot
ganz auf die Seite legte und Waſſer ſchoͤpfte.
Was ich immer thun mochte, dem Uebel ab-
zuhelfen, blieb vergeblich, und unſre Gefahr
zu ſinken ward mit jedem Augenblick dringen-
der. „Aber, liebe Frau, was hat ſie denn
in dem unbeholfenen verwetterten Kaſten?‟
fragte ich endlich mit einiger Ungeduld. —
„Ach, mein Ein und Alles! Meine Huͤhner
und Enten, womit ich handle, und die mir
Eier legen.‟ — „Ei, ſo hole denn der Henker
lieber den ganzen Kram!‟ ſchrie ich giftig, —
„als daß wir hier unſre Haut darum zu
Markte tragen!‟ — und damit ſchob ich den
Kaſten fein ſaͤuberlich uͤber Bord und ließ
ihn treiben, wohin er wollte. Nun aber er-
hub ſich uͤber mich ein Sturmwetter von ganz
andrer Art, und ich kriegte Ehrentitel zu
hoͤren, wie ich ſie mir nimmer vermuthend
war. Aber wie ſollt’ ich es anders machen?
Das Boot ſtand am Umkippen und war
ſchon hoch voll Waſſer gelaufen.
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/194>, abgerufen am 25.11.2024.
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