Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

"Frauchen!" sagte ich bei meiner Wie-
derkehr -- "Das sieht betrübt mit Jhrem
Eigenthum aus! -- Jch fürchte, Sie kriegt in
Jhrem Leben keine Faser wieder davon zu sehen.
So und so ist mir's damit gegangen." --
Die Unglückliche weinte und seufzte. Jndeß
schleppten wir noch einen schweren Kleider-
kasten an und in's Boot, und was sie noch
von Geräthschaften geborgen hatte. Sie selbst
trug ich, trotz ihrer Wohlbeleibtheit, indem
ich bis an den halben Leib durch's Wasser
watete, gut oder übel ebenfalls hinein, und
fuhr ab. Unterweges gewann sie wieder
etwas Muth und Redseligkeit. Sie nannte
mir ihres Mannes Namen, (den ich aber
wieder vergessen habe) und daß er ein Brannt-
weinbrenner gewesen, sammt ihren andern
häuslichen Umständen. Die ganze Brandge-
schichte, vom ersten Feuerlärm an, und ihren
Schreck, und was sie und ihre Nachbarn ge-
dacht und gesagt und vermuthet -- Das
Alles bekam ich anzuhören, und wahrschein-
lich noch sehr Vieles mehr, wenn wir nicht
schon früher bei der Holzwiese angelangt
gewesen wären.

Hier ward das unordentliche Getümmel
der räuberischen Dienstfertigkeit um die arme
Frau fast noch ärger, als bei meiner ersten
Landung. Endlich drängte man mich ganz
von ihr ab, und ich sah sie nur noch aus

der

„Frauchen!‟ ſagte ich bei meiner Wie-
derkehr — „Das ſieht betruͤbt mit Jhrem
Eigenthum aus! — Jch fuͤrchte, Sie kriegt in
Jhrem Leben keine Faſer wieder davon zu ſehen.
So und ſo iſt mir’s damit gegangen.‟ —
Die Ungluͤckliche weinte und ſeufzte. Jndeß
ſchleppten wir noch einen ſchweren Kleider-
kaſten an und in’s Boot, und was ſie noch
von Geraͤthſchaften geborgen hatte. Sie ſelbſt
trug ich, trotz ihrer Wohlbeleibtheit, indem
ich bis an den halben Leib durch’s Waſſer
watete, gut oder uͤbel ebenfalls hinein, und
fuhr ab. Unterweges gewann ſie wieder
etwas Muth und Redſeligkeit. Sie nannte
mir ihres Mannes Namen, (den ich aber
wieder vergeſſen habe) und daß er ein Brannt-
weinbrenner geweſen, ſammt ihren andern
haͤuslichen Umſtaͤnden. Die ganze Brandge-
ſchichte, vom erſten Feuerlaͤrm an, und ihren
Schreck, und was ſie und ihre Nachbarn ge-
dacht und geſagt und vermuthet — Das
Alles bekam ich anzuhoͤren, und wahrſchein-
lich noch ſehr Vieles mehr, wenn wir nicht
ſchon fruͤher bei der Holzwieſe angelangt
geweſen waͤren.

Hier ward das unordentliche Getuͤmmel
der raͤuberiſchen Dienſtfertigkeit um die arme
Frau faſt noch aͤrger, als bei meiner erſten
Landung. Endlich draͤngte man mich ganz
von ihr ab, und ich ſah ſie nur noch aus

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0192" n="176"/>
        <p>&#x201E;Frauchen!&#x201F; &#x017F;agte ich bei meiner Wie-<lb/>
derkehr &#x2014; &#x201E;Das &#x017F;ieht betru&#x0364;bt mit Jhrem<lb/>
Eigenthum aus! &#x2014; Jch fu&#x0364;rchte, Sie kriegt in<lb/>
Jhrem Leben keine Fa&#x017F;er wieder davon zu &#x017F;ehen.<lb/>
So und &#x017F;o i&#x017F;t mir&#x2019;s damit gegangen.&#x201F; &#x2014;<lb/>
Die Unglu&#x0364;ckliche weinte und &#x017F;eufzte. Jndeß<lb/>
&#x017F;chleppten wir noch einen &#x017F;chweren Kleider-<lb/>
ka&#x017F;ten an und in&#x2019;s Boot, und was &#x017F;ie noch<lb/>
von Gera&#x0364;th&#x017F;chaften geborgen hatte. Sie &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
trug ich, trotz ihrer Wohlbeleibtheit, indem<lb/>
ich bis an den halben Leib durch&#x2019;s Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
watete, gut oder u&#x0364;bel ebenfalls hinein, und<lb/>
fuhr ab. Unterweges gewann &#x017F;ie wieder<lb/>
etwas Muth und Red&#x017F;eligkeit. Sie nannte<lb/>
mir ihres Mannes Namen, (den ich aber<lb/>
wieder verge&#x017F;&#x017F;en habe) und daß er ein Brannt-<lb/>
weinbrenner gewe&#x017F;en, &#x017F;ammt ihren andern<lb/>
ha&#x0364;uslichen Um&#x017F;ta&#x0364;nden. Die ganze Brandge-<lb/>
&#x017F;chichte, vom er&#x017F;ten Feuerla&#x0364;rm an, und ihren<lb/>
Schreck, und was &#x017F;ie und ihre Nachbarn ge-<lb/>
dacht und ge&#x017F;agt und vermuthet &#x2014; Das<lb/>
Alles bekam ich anzuho&#x0364;ren, und wahr&#x017F;chein-<lb/>
lich noch &#x017F;ehr Vieles mehr, wenn wir nicht<lb/>
&#x017F;chon fru&#x0364;her bei der Holzwie&#x017F;e angelangt<lb/>
gewe&#x017F;en wa&#x0364;ren.</p><lb/>
        <p>Hier ward das unordentliche Getu&#x0364;mmel<lb/>
der ra&#x0364;uberi&#x017F;chen Dien&#x017F;tfertigkeit um die arme<lb/>
Frau fa&#x017F;t noch a&#x0364;rger, als bei meiner er&#x017F;ten<lb/>
Landung. Endlich dra&#x0364;ngte man mich ganz<lb/>
von ihr ab, und ich &#x017F;ah &#x017F;ie nur noch aus<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0192] „Frauchen!‟ ſagte ich bei meiner Wie- derkehr — „Das ſieht betruͤbt mit Jhrem Eigenthum aus! — Jch fuͤrchte, Sie kriegt in Jhrem Leben keine Faſer wieder davon zu ſehen. So und ſo iſt mir’s damit gegangen.‟ — Die Ungluͤckliche weinte und ſeufzte. Jndeß ſchleppten wir noch einen ſchweren Kleider- kaſten an und in’s Boot, und was ſie noch von Geraͤthſchaften geborgen hatte. Sie ſelbſt trug ich, trotz ihrer Wohlbeleibtheit, indem ich bis an den halben Leib durch’s Waſſer watete, gut oder uͤbel ebenfalls hinein, und fuhr ab. Unterweges gewann ſie wieder etwas Muth und Redſeligkeit. Sie nannte mir ihres Mannes Namen, (den ich aber wieder vergeſſen habe) und daß er ein Brannt- weinbrenner geweſen, ſammt ihren andern haͤuslichen Umſtaͤnden. Die ganze Brandge- ſchichte, vom erſten Feuerlaͤrm an, und ihren Schreck, und was ſie und ihre Nachbarn ge- dacht und geſagt und vermuthet — Das Alles bekam ich anzuhoͤren, und wahrſchein- lich noch ſehr Vieles mehr, wenn wir nicht ſchon fruͤher bei der Holzwieſe angelangt geweſen waͤren. Hier ward das unordentliche Getuͤmmel der raͤuberiſchen Dienſtfertigkeit um die arme Frau faſt noch aͤrger, als bei meiner erſten Landung. Endlich draͤngte man mich ganz von ihr ab, und ich ſah ſie nur noch aus der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/192
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/192>, abgerufen am 15.05.2024.