es gieng eine hohe See; und wie gerne ich auch lieber geraden Weges auf Königsberg gegangen wäre, so blieb hier doch nichts an- ders zu thun, als in den Pillauer Hafen einzusetzen. Allein auch dies blieb ein Wag- stück, wozu Muth gehörte. Sobald jedoch die nöthigen Vorbereitungen getroffen, die Kajüten-Fenster vermacht und die Leute auf ihrem Posten waren, ließ ich das Schiff vor dem Winde laufen. Glücklich trafen wir das Fahrwasser zwischen den Haaken; zugleich aber überflutete uns in der Bran- dung Eine Sturzwoge nach der Andern von hinten her; das Schiff stieß auf den Grund; hob sich jedoch mit der nächsten nachfahren- den Welle wieder, und ich wäre mit dem bloßen Schreck davon gekommen, hätte nicht diese nemliche Welle uns das Steuerruder aus den Angeln gehoben und davon geführt. Noch aber verlor ich die Besinnung nicht, steuerte mit den Segeln, so gut ich ver- mochte, und kam endlich bei Pillau, ohn- weit des Bollwerks, wohlbehalten vor Anker.
Mein kühnes Beginnen hatte eine Menge neugieriger Menschen am Bollwerk versamm- let, und das nur um so mehr, als man bald auch unser Schiff erkannte. Jch Mei- nerseits bemerkte unter diesen Zuschauern, mit wehmüthiger Empfindung, unsers ver- unglückten Schiffers Frau, die ihre Kinder-
es gieng eine hohe See; und wie gerne ich auch lieber geraden Weges auf Koͤnigsberg gegangen waͤre, ſo blieb hier doch nichts an- ders zu thun, als in den Pillauer Hafen einzuſetzen. Allein auch dies blieb ein Wag- ſtuͤck, wozu Muth gehoͤrte. Sobald jedoch die noͤthigen Vorbereitungen getroffen, die Kajuͤten-Fenſter vermacht und die Leute auf ihrem Poſten waren, ließ ich das Schiff vor dem Winde laufen. Gluͤcklich trafen wir das Fahrwaſſer zwiſchen den Haaken; zugleich aber uͤberflutete uns in der Bran- dung Eine Sturzwoge nach der Andern von hinten her; das Schiff ſtieß auf den Grund; hob ſich jedoch mit der naͤchſten nachfahren- den Welle wieder, und ich waͤre mit dem bloßen Schreck davon gekommen, haͤtte nicht dieſe nemliche Welle uns das Steuerruder aus den Angeln gehoben und davon gefuͤhrt. Noch aber verlor ich die Beſinnung nicht, ſteuerte mit den Segeln, ſo gut ich ver- mochte, und kam endlich bei Pillau, ohn- weit des Bollwerks, wohlbehalten vor Anker.
Mein kuͤhnes Beginnen hatte eine Menge neugieriger Menſchen am Bollwerk verſamm- let, und das nur um ſo mehr, als man bald auch unſer Schiff erkannte. Jch Mei- nerſeits bemerkte unter dieſen Zuſchauern, mit wehmuͤthiger Empfindung, unſers ver- ungluͤckten Schiffers Frau, die ihre Kinder-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0143"n="127"/>
es gieng eine hohe See; und wie gerne ich<lb/>
auch lieber geraden Weges auf Koͤnigsberg<lb/>
gegangen waͤre, ſo blieb hier doch nichts an-<lb/>
ders zu thun, als in den Pillauer Hafen<lb/>
einzuſetzen. Allein auch dies blieb ein Wag-<lb/>ſtuͤck, wozu Muth gehoͤrte. Sobald jedoch<lb/>
die noͤthigen Vorbereitungen getroffen, die<lb/>
Kajuͤten-Fenſter vermacht und die Leute auf<lb/>
ihrem Poſten waren, ließ ich das Schiff<lb/>
vor dem Winde laufen. Gluͤcklich trafen<lb/>
wir das Fahrwaſſer zwiſchen den Haaken;<lb/>
zugleich aber uͤberflutete uns in der Bran-<lb/>
dung Eine Sturzwoge nach der Andern von<lb/>
hinten her; das Schiff ſtieß auf den Grund;<lb/>
hob ſich jedoch mit der naͤchſten nachfahren-<lb/>
den Welle wieder, und ich waͤre mit dem<lb/>
bloßen Schreck davon gekommen, haͤtte nicht<lb/>
dieſe nemliche Welle uns das Steuerruder<lb/>
aus den Angeln gehoben und davon gefuͤhrt.<lb/>
Noch aber verlor ich die Beſinnung nicht,<lb/>ſteuerte mit den Segeln, ſo gut ich ver-<lb/>
mochte, und kam endlich bei Pillau, ohn-<lb/>
weit des Bollwerks, wohlbehalten vor Anker.</p><lb/><p>Mein kuͤhnes Beginnen hatte eine Menge<lb/>
neugieriger Menſchen am Bollwerk verſamm-<lb/>
let, und das nur um ſo mehr, als man<lb/>
bald auch unſer Schiff erkannte. Jch Mei-<lb/>
nerſeits bemerkte unter dieſen Zuſchauern,<lb/>
mit wehmuͤthiger Empfindung, unſers ver-<lb/>
ungluͤckten Schiffers Frau, die ihre Kinder-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[127/0143]
es gieng eine hohe See; und wie gerne ich
auch lieber geraden Weges auf Koͤnigsberg
gegangen waͤre, ſo blieb hier doch nichts an-
ders zu thun, als in den Pillauer Hafen
einzuſetzen. Allein auch dies blieb ein Wag-
ſtuͤck, wozu Muth gehoͤrte. Sobald jedoch
die noͤthigen Vorbereitungen getroffen, die
Kajuͤten-Fenſter vermacht und die Leute auf
ihrem Poſten waren, ließ ich das Schiff
vor dem Winde laufen. Gluͤcklich trafen
wir das Fahrwaſſer zwiſchen den Haaken;
zugleich aber uͤberflutete uns in der Bran-
dung Eine Sturzwoge nach der Andern von
hinten her; das Schiff ſtieß auf den Grund;
hob ſich jedoch mit der naͤchſten nachfahren-
den Welle wieder, und ich waͤre mit dem
bloßen Schreck davon gekommen, haͤtte nicht
dieſe nemliche Welle uns das Steuerruder
aus den Angeln gehoben und davon gefuͤhrt.
Noch aber verlor ich die Beſinnung nicht,
ſteuerte mit den Segeln, ſo gut ich ver-
mochte, und kam endlich bei Pillau, ohn-
weit des Bollwerks, wohlbehalten vor Anker.
Mein kuͤhnes Beginnen hatte eine Menge
neugieriger Menſchen am Bollwerk verſamm-
let, und das nur um ſo mehr, als man
bald auch unſer Schiff erkannte. Jch Mei-
nerſeits bemerkte unter dieſen Zuſchauern,
mit wehmuͤthiger Empfindung, unſers ver-
ungluͤckten Schiffers Frau, die ihre Kinder-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/143>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.