Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

chen zur Seite hatte und eifrig nach uns
aussah. Kaum trat ich an Land und fiel
ihr in die Augen, so rief sie mit sichtbarer
Beänstigung: "Gott im Himmel! wo ist
mein Mann?" -- Alles, was zugegen war,
umstand mich und fragte: "Wo ist Schiffer
Karl Christian?" -- "Krank! krank!" war
meine zwar vorbereitete, aber durch Ton
und Geberde nur schlecht beglaubigte Ant-
wort. Jch suchte nur mich los zu machen
und eilte zum reformirten Prediger, dem
Beichtvater der armen Frau, dem ich den
ganzen traurigen Vorfall mittheilte und ihn
mit der Bitte angieng, ihr die Todespost
auf eine gute Weise beizubringen und mit
seinem Troste beiräthig zu seyn.

Das geschah denn auch auf der Stelle.
Jch selbst fand mich demnächst auch ein,
um der leidige Bestätiger seiner Zeitung zu
seyn; und ich darf wohl sagen, daß mir das
ein schwerer und bittrer Gang geworden.
Am nächsten Morgen, wo ich hoffen konnte,
daß die unglückliche Wittwe sich der Weh-
klage etwas begeben und zu mehrerer Fas-
sung gekommen seyn würde, gieng ich wie-
derum zu ihr, und kündigte ihr an, daß, da
ich mit dem Schiffe unverweilt nach Kö-
nigsberg hinaufgehen müßte, ich ihr heute
noch ihres verstorbenen Mannes Sachen und
Geräthschaften vom Schiffe in's Haus schicken

wür-

chen zur Seite hatte und eifrig nach uns
ausſah. Kaum trat ich an Land und fiel
ihr in die Augen, ſo rief ſie mit ſichtbarer
Beaͤnſtigung: „Gott im Himmel! wo iſt
mein Mann?‟ — Alles, was zugegen war,
umſtand mich und fragte: „Wo iſt Schiffer
Karl Chriſtian?‟ — „Krank! krank!‟ war
meine zwar vorbereitete, aber durch Ton
und Geberde nur ſchlecht beglaubigte Ant-
wort. Jch ſuchte nur mich los zu machen
und eilte zum reformirten Prediger, dem
Beichtvater der armen Frau, dem ich den
ganzen traurigen Vorfall mittheilte und ihn
mit der Bitte angieng, ihr die Todespoſt
auf eine gute Weiſe beizubringen und mit
ſeinem Troſte beiraͤthig zu ſeyn.

Das geſchah denn auch auf der Stelle.
Jch ſelbſt fand mich demnaͤchſt auch ein,
um der leidige Beſtaͤtiger ſeiner Zeitung zu
ſeyn; und ich darf wohl ſagen, daß mir das
ein ſchwerer und bittrer Gang geworden.
Am naͤchſten Morgen, wo ich hoffen konnte,
daß die ungluͤckliche Wittwe ſich der Weh-
klage etwas begeben und zu mehrerer Faſ-
ſung gekommen ſeyn wuͤrde, gieng ich wie-
derum zu ihr, und kuͤndigte ihr an, daß, da
ich mit dem Schiffe unverweilt nach Koͤ-
nigsberg hinaufgehen muͤßte, ich ihr heute
noch ihres verſtorbenen Mannes Sachen und
Geraͤthſchaften vom Schiffe in’s Haus ſchicken

wuͤr-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0144" n="128"/>
chen zur Seite hatte und eifrig nach uns<lb/>
aus&#x017F;ah. Kaum trat ich an Land und fiel<lb/>
ihr in die Augen, &#x017F;o rief &#x017F;ie mit &#x017F;ichtbarer<lb/>
Bea&#x0364;n&#x017F;tigung: &#x201E;Gott im Himmel! wo i&#x017F;t<lb/>
mein Mann?&#x201F; &#x2014; Alles, was zugegen war,<lb/>
um&#x017F;tand mich und fragte: &#x201E;Wo i&#x017F;t Schiffer<lb/>
Karl Chri&#x017F;tian?&#x201F; &#x2014; &#x201E;Krank! krank!&#x201F; war<lb/>
meine zwar vorbereitete, aber durch Ton<lb/>
und Geberde nur &#x017F;chlecht beglaubigte Ant-<lb/>
wort. Jch &#x017F;uchte nur mich los zu machen<lb/>
und eilte zum reformirten Prediger, dem<lb/>
Beichtvater der armen Frau, dem ich den<lb/>
ganzen traurigen Vorfall mittheilte und ihn<lb/>
mit der Bitte angieng, ihr die Todespo&#x017F;t<lb/>
auf eine gute Wei&#x017F;e beizubringen und mit<lb/>
&#x017F;einem Tro&#x017F;te beira&#x0364;thig zu &#x017F;eyn.</p><lb/>
        <p>Das ge&#x017F;chah denn auch auf der Stelle.<lb/>
Jch &#x017F;elb&#x017F;t fand mich demna&#x0364;ch&#x017F;t auch ein,<lb/>
um der leidige Be&#x017F;ta&#x0364;tiger &#x017F;einer Zeitung zu<lb/>
&#x017F;eyn; und ich darf wohl &#x017F;agen, daß mir das<lb/>
ein &#x017F;chwerer und bittrer Gang geworden.<lb/>
Am na&#x0364;ch&#x017F;ten Morgen, wo ich hoffen konnte,<lb/>
daß die unglu&#x0364;ckliche Wittwe &#x017F;ich der Weh-<lb/>
klage etwas begeben und zu mehrerer Fa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung gekommen &#x017F;eyn wu&#x0364;rde, gieng ich wie-<lb/>
derum zu ihr, und ku&#x0364;ndigte ihr an, daß, da<lb/>
ich mit dem Schiffe unverweilt nach Ko&#x0364;-<lb/>
nigsberg hinaufgehen mu&#x0364;ßte, ich ihr heute<lb/>
noch ihres ver&#x017F;torbenen Mannes Sachen und<lb/>
Gera&#x0364;th&#x017F;chaften vom Schiffe in&#x2019;s Haus &#x017F;chicken<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wu&#x0364;r-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0144] chen zur Seite hatte und eifrig nach uns ausſah. Kaum trat ich an Land und fiel ihr in die Augen, ſo rief ſie mit ſichtbarer Beaͤnſtigung: „Gott im Himmel! wo iſt mein Mann?‟ — Alles, was zugegen war, umſtand mich und fragte: „Wo iſt Schiffer Karl Chriſtian?‟ — „Krank! krank!‟ war meine zwar vorbereitete, aber durch Ton und Geberde nur ſchlecht beglaubigte Ant- wort. Jch ſuchte nur mich los zu machen und eilte zum reformirten Prediger, dem Beichtvater der armen Frau, dem ich den ganzen traurigen Vorfall mittheilte und ihn mit der Bitte angieng, ihr die Todespoſt auf eine gute Weiſe beizubringen und mit ſeinem Troſte beiraͤthig zu ſeyn. Das geſchah denn auch auf der Stelle. Jch ſelbſt fand mich demnaͤchſt auch ein, um der leidige Beſtaͤtiger ſeiner Zeitung zu ſeyn; und ich darf wohl ſagen, daß mir das ein ſchwerer und bittrer Gang geworden. Am naͤchſten Morgen, wo ich hoffen konnte, daß die ungluͤckliche Wittwe ſich der Weh- klage etwas begeben und zu mehrerer Faſ- ſung gekommen ſeyn wuͤrde, gieng ich wie- derum zu ihr, und kuͤndigte ihr an, daß, da ich mit dem Schiffe unverweilt nach Koͤ- nigsberg hinaufgehen muͤßte, ich ihr heute noch ihres verſtorbenen Mannes Sachen und Geraͤthſchaften vom Schiffe in’s Haus ſchicken wuͤr-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/144
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/144>, abgerufen am 09.10.2024.