chen zur Seite hatte und eifrig nach uns aussah. Kaum trat ich an Land und fiel ihr in die Augen, so rief sie mit sichtbarer Beänstigung: "Gott im Himmel! wo ist mein Mann?" -- Alles, was zugegen war, umstand mich und fragte: "Wo ist Schiffer Karl Christian?" -- "Krank! krank!" war meine zwar vorbereitete, aber durch Ton und Geberde nur schlecht beglaubigte Ant- wort. Jch suchte nur mich los zu machen und eilte zum reformirten Prediger, dem Beichtvater der armen Frau, dem ich den ganzen traurigen Vorfall mittheilte und ihn mit der Bitte angieng, ihr die Todespost auf eine gute Weise beizubringen und mit seinem Troste beiräthig zu seyn.
Das geschah denn auch auf der Stelle. Jch selbst fand mich demnächst auch ein, um der leidige Bestätiger seiner Zeitung zu seyn; und ich darf wohl sagen, daß mir das ein schwerer und bittrer Gang geworden. Am nächsten Morgen, wo ich hoffen konnte, daß die unglückliche Wittwe sich der Weh- klage etwas begeben und zu mehrerer Fas- sung gekommen seyn würde, gieng ich wie- derum zu ihr, und kündigte ihr an, daß, da ich mit dem Schiffe unverweilt nach Kö- nigsberg hinaufgehen müßte, ich ihr heute noch ihres verstorbenen Mannes Sachen und Geräthschaften vom Schiffe in's Haus schicken
wür-
chen zur Seite hatte und eifrig nach uns ausſah. Kaum trat ich an Land und fiel ihr in die Augen, ſo rief ſie mit ſichtbarer Beaͤnſtigung: „Gott im Himmel! wo iſt mein Mann?‟ — Alles, was zugegen war, umſtand mich und fragte: „Wo iſt Schiffer Karl Chriſtian?‟ — „Krank! krank!‟ war meine zwar vorbereitete, aber durch Ton und Geberde nur ſchlecht beglaubigte Ant- wort. Jch ſuchte nur mich los zu machen und eilte zum reformirten Prediger, dem Beichtvater der armen Frau, dem ich den ganzen traurigen Vorfall mittheilte und ihn mit der Bitte angieng, ihr die Todespoſt auf eine gute Weiſe beizubringen und mit ſeinem Troſte beiraͤthig zu ſeyn.
Das geſchah denn auch auf der Stelle. Jch ſelbſt fand mich demnaͤchſt auch ein, um der leidige Beſtaͤtiger ſeiner Zeitung zu ſeyn; und ich darf wohl ſagen, daß mir das ein ſchwerer und bittrer Gang geworden. Am naͤchſten Morgen, wo ich hoffen konnte, daß die ungluͤckliche Wittwe ſich der Weh- klage etwas begeben und zu mehrerer Faſ- ſung gekommen ſeyn wuͤrde, gieng ich wie- derum zu ihr, und kuͤndigte ihr an, daß, da ich mit dem Schiffe unverweilt nach Koͤ- nigsberg hinaufgehen muͤßte, ich ihr heute noch ihres verſtorbenen Mannes Sachen und Geraͤthſchaften vom Schiffe in’s Haus ſchicken
wuͤr-
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chen zur Seite hatte und eifrig nach uns
ausſah. Kaum trat ich an Land und fiel
ihr in die Augen, ſo rief ſie mit ſichtbarer
Beaͤnſtigung: „Gott im Himmel! wo iſt
mein Mann?‟ — Alles, was zugegen war,
umſtand mich und fragte: „Wo iſt Schiffer
Karl Chriſtian?‟ — „Krank! krank!‟ war
meine zwar vorbereitete, aber durch Ton
und Geberde nur ſchlecht beglaubigte Ant-
wort. Jch ſuchte nur mich los zu machen
und eilte zum reformirten Prediger, dem
Beichtvater der armen Frau, dem ich den
ganzen traurigen Vorfall mittheilte und ihn
mit der Bitte angieng, ihr die Todespoſt
auf eine gute Weiſe beizubringen und mit
ſeinem Troſte beiraͤthig zu ſeyn.
Das geſchah denn auch auf der Stelle.
Jch ſelbſt fand mich demnaͤchſt auch ein,
um der leidige Beſtaͤtiger ſeiner Zeitung zu
ſeyn; und ich darf wohl ſagen, daß mir das
ein ſchwerer und bittrer Gang geworden.
Am naͤchſten Morgen, wo ich hoffen konnte,
daß die ungluͤckliche Wittwe ſich der Weh-
klage etwas begeben und zu mehrerer Faſ-
ſung gekommen ſeyn wuͤrde, gieng ich wie-
derum zu ihr, und kuͤndigte ihr an, daß, da
ich mit dem Schiffe unverweilt nach Koͤ-
nigsberg hinaufgehen muͤßte, ich ihr heute
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Geraͤthſchaften vom Schiffe in’s Haus ſchicken
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/144>, abgerufen am 21.07.2024.
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