nach vorne, und ausgeschaut nach Klippen und Brandung!" -- Jn der That auch war kaum eine halbe Stunde verlaufen, so schrieen die Leute: "Ho da! Klippen-Brandung vor uns!" -- Jetzt hielt ich mich auch nicht länger; griff, wie ein Sturm, in's Ruder, holte es hart an die Backbord-Seite, und sah mit Herzbeben rings umher ein Labyrinth von Klippen weiß aufschäumen.
Auch der Kapitain sah, was vorgieng, und schlich bleich und zitternd nach der Kajüte, während ich, mit Hülfe der Uebrigen, das Schiff wendete und, da mir der Wind gün- stig in die Segel stand, auch das kaum ver- hoffte Glück hatte, mich mit Kreuzen und La- viren endlich wieder aus dem Untergang dro- henden Gedränge wieder herauszufinden. Von unserm Schiffer war und blieb nichts zu se- hen, bis zur Essenszeit, da er mich, wie ge- wöhnlich, zu Tische rufen ließ. Kaum trat ich in die Kajüte, so fiel er mir um den Hals; gestand, er sey ganz von Sinnen gewesen, und bat mich, alles Geschehene zu vergessen; mit heiliger Zusicherung, daß er mir künftig ganz meinen Willen lassen wolle. Jch schärfte ihm jedoch ein wenig das Gewissen durch Vorstel- lung, wie nahe es daran gewesen, daß wir Alle durch seine Schuld Kinder des Todes gewor- den. Er erkannte das; gab gute Worte, und damit war die Sache abgethan.
nach vorne, und ausgeſchaut nach Klippen und Brandung!‟ — Jn der That auch war kaum eine halbe Stunde verlaufen, ſo ſchrieen die Leute: „Ho da! Klippen-Brandung vor uns!‟ — Jetzt hielt ich mich auch nicht laͤnger; griff, wie ein Sturm, in’s Ruder, holte es hart an die Backbord-Seite, und ſah mit Herzbeben rings umher ein Labyrinth von Klippen weiß aufſchaͤumen.
Auch der Kapitain ſah, was vorgieng, und ſchlich bleich und zitternd nach der Kajuͤte, waͤhrend ich, mit Huͤlfe der Uebrigen, das Schiff wendete und, da mir der Wind guͤn- ſtig in die Segel ſtand, auch das kaum ver- hoffte Gluͤck hatte, mich mit Kreuzen und La- viren endlich wieder aus dem Untergang dro- henden Gedraͤnge wieder herauszufinden. Von unſerm Schiffer war und blieb nichts zu ſe- hen, bis zur Eſſenszeit, da er mich, wie ge- woͤhnlich, zu Tiſche rufen ließ. Kaum trat ich in die Kajuͤte, ſo fiel er mir um den Hals; geſtand, er ſey ganz von Sinnen geweſen, und bat mich, alles Geſchehene zu vergeſſen; mit heiliger Zuſicherung, daß er mir kuͤnftig ganz meinen Willen laſſen wolle. Jch ſchaͤrfte ihm jedoch ein wenig das Gewiſſen durch Vorſtel- lung, wie nahe es daran geweſen, daß wir Alle durch ſeine Schuld Kinder des Todes gewor- den. Er erkannte das; gab gute Worte, und damit war die Sache abgethan.
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nach vorne, und ausgeſchaut nach Klippen und
Brandung!‟ — Jn der That auch war kaum
eine halbe Stunde verlaufen, ſo ſchrieen die
Leute: „Ho da! Klippen-Brandung vor uns!‟
— Jetzt hielt ich mich auch nicht laͤnger;
griff, wie ein Sturm, in’s Ruder, holte es
hart an die Backbord-Seite, und ſah mit
Herzbeben rings umher ein Labyrinth von
Klippen weiß aufſchaͤumen.
Auch der Kapitain ſah, was vorgieng, und
ſchlich bleich und zitternd nach der Kajuͤte,
waͤhrend ich, mit Huͤlfe der Uebrigen, das
Schiff wendete und, da mir der Wind guͤn-
ſtig in die Segel ſtand, auch das kaum ver-
hoffte Gluͤck hatte, mich mit Kreuzen und La-
viren endlich wieder aus dem Untergang dro-
henden Gedraͤnge wieder herauszufinden. Von
unſerm Schiffer war und blieb nichts zu ſe-
hen, bis zur Eſſenszeit, da er mich, wie ge-
woͤhnlich, zu Tiſche rufen ließ. Kaum trat
ich in die Kajuͤte, ſo fiel er mir um den Hals;
geſtand, er ſey ganz von Sinnen geweſen, und
bat mich, alles Geſchehene zu vergeſſen; mit
heiliger Zuſicherung, daß er mir kuͤnftig ganz
meinen Willen laſſen wolle. Jch ſchaͤrfte ihm
jedoch ein wenig das Gewiſſen durch Vorſtel-
lung, wie nahe es daran geweſen, daß wir Alle
durch ſeine Schuld Kinder des Todes gewor-
den. Er erkannte das; gab gute Worte, und
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/136>, abgerufen am 16.02.2025.
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