Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

Steuert Südsüdost!" befahl der Schiffer.
Jch erschrack, und gerieth immer mehr in
Nachdenken, was ihn zu dieser Widersinnig-
keit veranlassen könne. Kaum zehn Minuten
später kam er nochmals und gebot dem Mann
am Ruder, vollends gegen Südost zu steuern.
Sogleich sprang ich auf, überzeugte mich,
daß Dieser wirklich den anbefohlenen Kurs
hielt, und rief nun augenblicklich dem Kapi-
tain zu: "Um Gottes willen! Mit dem
Südost-Kurs sind wir ja gleich im Unglück!
Wir müssen wieder südwestlich steuern."

Der harte Kopf that, als hörte er mich
nicht, und gab keine Antwort. Jch rannte
zu dem Matrosen und donnerte auf ihn ein:
"Steuert Südwest!" -- Der Schiffer, dies
hörend, warf seine Zimmeraxt über Seite,
kam heran, und gebot Seinerseits: "Steuert
Südost!" -- Was blieb mir jetzt übrig, als
dem Kerl die Ruderpinne aus der Hand zu
reissen, und so meinen Willen zu erzwingen? --
bis Jener sie mir wiederum mit Gewalt ent-
riß und wüthend erklärte, daß es bei Südost
verbleiben solle.

So abgewiesen, gieng ich in den Roof, wo
ich mein Wachtvolk herausrief und nun auch
Meinerseits erklärte: "Der Schiffer wolle
uns mit seinem Eigensinn in's Unglück brin-
gen; wir führen mit diesem Kurs dem Ver-
derben in den offenen Rachen. Gleich hin

Steuert Suͤdſuͤdoſt!‟ befahl der Schiffer.
Jch erſchrack, und gerieth immer mehr in
Nachdenken, was ihn zu dieſer Widerſinnig-
keit veranlaſſen koͤnne. Kaum zehn Minuten
ſpaͤter kam er nochmals und gebot dem Mann
am Ruder, vollends gegen Suͤdoſt zu ſteuern.
Sogleich ſprang ich auf, uͤberzeugte mich,
daß Dieſer wirklich den anbefohlenen Kurs
hielt, und rief nun augenblicklich dem Kapi-
tain zu: „Um Gottes willen! Mit dem
Suͤdoſt-Kurs ſind wir ja gleich im Ungluͤck!
Wir muͤſſen wieder ſuͤdweſtlich ſteuern.‟

Der harte Kopf that, als hoͤrte er mich
nicht, und gab keine Antwort. Jch rannte
zu dem Matroſen und donnerte auf ihn ein:
„Steuert Suͤdweſt!‟ — Der Schiffer, dies
hoͤrend, warf ſeine Zimmeraxt uͤber Seite,
kam heran, und gebot Seinerſeits: „Steuert
Suͤdoſt!‟ — Was blieb mir jetzt uͤbrig, als
dem Kerl die Ruderpinne aus der Hand zu
reiſſen, und ſo meinen Willen zu erzwingen? —
bis Jener ſie mir wiederum mit Gewalt ent-
riß und wuͤthend erklaͤrte, daß es bei Suͤdoſt
verbleiben ſolle.

So abgewieſen, gieng ich in den Roof, wo
ich mein Wachtvolk herausrief und nun auch
Meinerſeits erklaͤrte: „Der Schiffer wolle
uns mit ſeinem Eigenſinn in’s Ungluͤck brin-
gen; wir fuͤhren mit dieſem Kurs dem Ver-
derben in den offenen Rachen. Gleich hin

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0135" n="119"/>
Steuert Su&#x0364;d&#x017F;u&#x0364;do&#x017F;t!&#x201F; befahl der Schiffer.<lb/>
Jch er&#x017F;chrack, und gerieth immer mehr in<lb/>
Nachdenken, was ihn zu die&#x017F;er Wider&#x017F;innig-<lb/>
keit veranla&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nne. Kaum zehn Minuten<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;ter kam er nochmals und gebot dem Mann<lb/>
am Ruder, vollends gegen Su&#x0364;do&#x017F;t zu &#x017F;teuern.<lb/>
Sogleich &#x017F;prang ich auf, u&#x0364;berzeugte mich,<lb/>
daß Die&#x017F;er wirklich den anbefohlenen Kurs<lb/>
hielt, und rief nun augenblicklich dem Kapi-<lb/>
tain zu: &#x201E;Um Gottes willen! Mit dem<lb/>
Su&#x0364;do&#x017F;t-Kurs &#x017F;ind wir ja gleich im Unglu&#x0364;ck!<lb/>
Wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wieder &#x017F;u&#x0364;dwe&#x017F;tlich &#x017F;teuern.&#x201F;</p><lb/>
        <p>Der harte Kopf that, als ho&#x0364;rte er mich<lb/>
nicht, und gab keine Antwort. Jch rannte<lb/>
zu dem Matro&#x017F;en und donnerte auf ihn ein:<lb/>
&#x201E;Steuert Su&#x0364;dwe&#x017F;t!&#x201F; &#x2014; Der Schiffer, dies<lb/>
ho&#x0364;rend, warf &#x017F;eine Zimmeraxt u&#x0364;ber Seite,<lb/>
kam heran, und gebot Seiner&#x017F;eits: &#x201E;Steuert<lb/>
Su&#x0364;do&#x017F;t!&#x201F; &#x2014; Was blieb mir jetzt u&#x0364;brig, als<lb/>
dem Kerl die Ruderpinne aus der Hand zu<lb/>
rei&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;o meinen Willen zu erzwingen? &#x2014;<lb/>
bis Jener &#x017F;ie mir wiederum mit Gewalt ent-<lb/>
riß und wu&#x0364;thend erkla&#x0364;rte, daß es bei Su&#x0364;do&#x017F;t<lb/>
verbleiben &#x017F;olle.</p><lb/>
        <p>So abgewie&#x017F;en, gieng ich in den Roof, wo<lb/>
ich mein Wachtvolk herausrief und nun auch<lb/>
Meiner&#x017F;eits erkla&#x0364;rte: &#x201E;Der Schiffer wolle<lb/>
uns mit &#x017F;einem Eigen&#x017F;inn in&#x2019;s Unglu&#x0364;ck brin-<lb/>
gen; wir fu&#x0364;hren mit die&#x017F;em Kurs dem Ver-<lb/>
derben in den offenen Rachen. Gleich hin<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0135] Steuert Suͤdſuͤdoſt!‟ befahl der Schiffer. Jch erſchrack, und gerieth immer mehr in Nachdenken, was ihn zu dieſer Widerſinnig- keit veranlaſſen koͤnne. Kaum zehn Minuten ſpaͤter kam er nochmals und gebot dem Mann am Ruder, vollends gegen Suͤdoſt zu ſteuern. Sogleich ſprang ich auf, uͤberzeugte mich, daß Dieſer wirklich den anbefohlenen Kurs hielt, und rief nun augenblicklich dem Kapi- tain zu: „Um Gottes willen! Mit dem Suͤdoſt-Kurs ſind wir ja gleich im Ungluͤck! Wir muͤſſen wieder ſuͤdweſtlich ſteuern.‟ Der harte Kopf that, als hoͤrte er mich nicht, und gab keine Antwort. Jch rannte zu dem Matroſen und donnerte auf ihn ein: „Steuert Suͤdweſt!‟ — Der Schiffer, dies hoͤrend, warf ſeine Zimmeraxt uͤber Seite, kam heran, und gebot Seinerſeits: „Steuert Suͤdoſt!‟ — Was blieb mir jetzt uͤbrig, als dem Kerl die Ruderpinne aus der Hand zu reiſſen, und ſo meinen Willen zu erzwingen? — bis Jener ſie mir wiederum mit Gewalt ent- riß und wuͤthend erklaͤrte, daß es bei Suͤdoſt verbleiben ſolle. So abgewieſen, gieng ich in den Roof, wo ich mein Wachtvolk herausrief und nun auch Meinerſeits erklaͤrte: „Der Schiffer wolle uns mit ſeinem Eigenſinn in’s Ungluͤck brin- gen; wir fuͤhren mit dieſem Kurs dem Ver- derben in den offenen Rachen. Gleich hin

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/135
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/135>, abgerufen am 07.05.2024.